59. „Und warum läufst du?"

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„Wo ist das Jahr nur hin?", grübelte Henry Dober und legte die Zeitung beiseite. Die Kirche hatte bereits jetzt eine Ankündigung zu den Messen im Dezember drucken lassen. Aufgrund der befürchteten Massen würden Gottesdienste auch im Freien vor der Kirche stattfinden. Das helle Glöckchen an der Tür klingelte. „Nanu." Henry Dober zog verwundert die Augenbrauen hoch. Er erkannte Steves Kopf in der Tür, der neugierig den Buchladen musterte.

„Alles in Ordnung, Steve?", begrüßte er den Soldaten des Aufklärungstrupps.

„Ja", piepte Steve, betrat geschwind den Laden und lehnte sich gegen die geschlossene Tür.

Henry Dober nickte. „Ich glaube, ein Tee tut dir ganz gut."

„Mmh", antwortete Steve in einer hohen Tonlage, während er geschwind zum Ladenbesitzer hinter den Verkaufstisch eilte.

„Du scheinst viel zu tun zu haben", meinte Henry Dober, als er feststellte, dass der Arzt sich ständig zu allen Seiten umdrehte.

Steve nickte nur hastig. „Wo ist sie nur? Sie ist doch hier reingegangen."

„Ymir, sei so lieb und bring einen Tee mit. Ich hab Besuch", rief der Buchladenbesitzer nach hinten. Mit geweiteten Augen blickte Steve in Richtung Lager und rückte ein Stückchen näher an Henry Dober heran. Neben dem Buchladenbesitzer konnte ihm doch nichts passieren, oder?

„Möchtest du die Zeitung lesen?", wollte der ältere Herr von ihm wissen.

Steve nickte und sah flüchtig auf die Theke vor ihnen. Ein Dokument stach heraus.

„Nachlass?", fragte Steve irritiert nach.

„Ja, ich kümmere mich gerade um meine Angelegenheiten", meinte Henry Dober lächelnd. „So jung bin ich ja nun auch nicht mehr."

„Und was passiert dann mit dem Laden?" Soweit Steve wusste, hatte der Buchladenbesitzer keine Familie.

„Die exklusiven Bücher gehen an andere Buchläden. Die Bücher für die Allgemeinheit kann ich aber auch spenden. Wenn der Aufklärungstrupp also gerne diese Bücher hätte, könnt ihr sie haben. Ich bräuchte nur ein Schreiben des Kommandanten für meine Unterlagen", erklärte er und nahm einen Schluck Kamillentee.

„Also wird dieser Buchladen eines Tages schließen", murmelte Steve traurig. Er mochte den Buchladen und seinen Geruch von Papier, Tinte und Tee.

„Ja." Henry Dober nickte.

„Und wer erhält ihn dann? Also was wird mit den Geschäftsräumen?", wollte Steve wissen.

Henry Dober seufzte und rückte seine Brille zurecht. „Ich habe leider die Frist zur Meldung eines Nachfolgers verpasst." Er kratzte sich am Kopf. „Somit ist der Laden auf der Liste für Interessierte gelandet. Drei Optionen werden gerade geprüft. Entweder wirst du hier eines Tages in einer Bäckerei oder in einer Schneiderei stehen. Oder du triffst auf einen Schuster."

„Mh ..." Mehr brachte Steve nicht mehr heraus, denn er blickte erneut in diese zwei braunen Augen. Ymir hatte eine Tasse Tee vor ihm hingestellt. Mit hochgezogenen Augenbrauen sah sie zu, wie Steve den Unterteller mit zitternder Hand näher an sich heranzog. „Ob da Gift drin ist? Nein. Sie weiß ja nicht, dass ich vermute, wer sie ist. Oder?"

„Oh, entschuldigt mich bitte. Friedhelm", winkend begrüßte Henry Dober einen älteren Mann, der gestützt auf einem Stock eintrat. „Ich habe alle meine Dokumente zusammen." Der Buchladenbesitzer legte die ausgebreiteten Blätter auf einen Stapel und griff danach. Ymir interessierte sich für keinen der Besucher und verschwand im Lager. „Aber vielleicht sollten wir dies besser in meiner Wohnung besprechen", überlegte Henry Dober laut. „Ich hab nämlich auch noch ein paar Fragen." Seine Augen wurden größer als er nach seiner Tasse griff. „Nanu? Hab ich nicht schon daraus getrunken? Wieso ist sie voll?" Verwundert sah er zu Steve, der eine halbleere Tasse zu seinem Mund führte und dabei Friedhelm nicht aus den Augen ließ. „Ob er den rechtsgültigen Abschluss des Nachlasses noch erlebt?", überlegte der Arzt, als Friedhelm laut atmend an ihm vorbeischlich. Er nickte Friedhelm grüßend zu, als dieser anhielt und zum Gruß seinen Hut abnahm. Schwer atmend folgte er Henry Dober zur Treppe, die zu den Privaträumen führte.

Chagara - Chaos in der Dunkelheit (Levi x OC FanFic / AttackOnTitan)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt