28. Schöne Erinnerungen

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POV Laura Fabiani

Ich hatte mich also wirklich geöffnet. Hatte Federica Einblick in ein Kapitel meines Lebens gewährt, das ich sonst immer höchst pedantisch unter Verschluss hielt. Aus gutem Grund. Sie aber hatte all das besser aufgenommen, als ich erwartet hätte und nun lag sie neben mir im Bett und blickte mich schon seit Minuten einfach an. Ich hatte meinen Blick zur Zimmerdecke gerichtet. Das Erzählen hatte mich innerlich extrem aufgewühlt, gleichzeitig aber auch erschöpft. An Schlaf war jedoch auch nicht zu denken. „Wie geht es dir im Moment?" Es war nur ein Flüstern und doch verstand ich jedes Wort. Ich schwieg. Wie ging es mir? Ich lebte schon lange mit dieser Angst, doch momentan war sie wieder so präsent, dass ich das Gefühl hatte, sie würde mich erdrücken. „Es tut weh, daran zu denken. Ich will einfach endlich ein normales Leben leben..." Das war schon wieder zu viel Information. Vom Rest meiner Geschichte sollte sie nun wirklich nichts erfahren. „Wie meinst du das?" Oh nein, sicher nicht. „Ach, ist nicht so wichtig", tat ich die Sache ab, bevor sie neugierig werden konnte. Dann teilte ich ihr mit, dass ich jetzt schlafen wollte, weil ich ziemlich ausgelaugt war. „Ja klar. Ich bin hier, dir passiert hier nichts, ja?" Mit zusammengepressten Lippen nickte ich in die Dunkelheit. Womit hatte ich sie nur verdient...

Den nächsten Tag hatte ich überwiegend im Bett verbracht. Elisabetta hatte ich erklärt, dass ich schon wieder krank wäre, im Club hatte ich mich krankgemeldet. Auch Federica war hier, sie war mir seit gestern nicht mehr von der Seite gewichen und trotzdem ließ sie mir genügend Freiraum. Ich war ihr unglaublich dankbar, auch wenn ich nicht wusste, wie ich ihr das zeigen konnte. Ohne sie hätte ich schon längst aufgegeben. Das war mir mittlerweile mehr als bewusst. Hätte ich sie nicht kennengelernt – ich wusste nicht, ob ich noch hier wäre, ob ich weitergekämpft hätte. „Reichst du mir mal das Tuch?" Wir hatten uns dazu entschieden, mein Apartment zu putzen. Es lenkte ab und es war sowieso wieder mal nötig. Innerlich lachte ich mich aus, äußerlich schmunzelte ich bloß. Wie konnten wir von total Fremden zum gemeinsamen Aufräumen in gefühlten drei Sekunden übergegangen sein und dabei die ganze Beziehungsphase übersprungen haben? Kam sowas denn normalerweise nicht nach Monaten des Zusammenseins erst? Wir waren nicht zusammen, ich hatte nicht die leiseste Ahnung, ob wir das überhaupt wollten, ob sie das wollte. Dass mein Herz in ihrer Nähe schneller schlug, konnte ich nicht mehr leugnen, doch wenn das hier für sie bloß eine Freundschaft war oder ein gegenseitiges Füreinander-da-Sein, dann war das auch okay, nicht? Was war in meinem Leben schon normal?

So vergingen die Tage. Federica war immer bei mir, wenn es ihr Zeitplan zuließ. Univorlesungen würden erst im Oktober wieder starten und da es erst Mitte August war, hatte sie noch genügend Zeit. Sie plante zwar bereits grob das kommende Semester, das hielt sie allerdings keineswegs davon ab, mich regelmäßig zu sehen. Im Allgemeinen war unser Verhältnis zueinander seit dem Tag meines Zusammenbruchs – das konnte man wohl so nennen – nur vertrauter geworden. Hatte ich anfangs noch befürchtet, sie würde mich von da an mit anderen Augen sehen, so war ich jetzt wirklich froh darüber, mich ihr anvertraut zu haben. Sie war da für mich, wann immer ich sie brauchte und das schätzte ich sehr. „Weißt du, manchmal erinnerst du mich an meine ehemalige Lehrerin." Es war wirklich so, sie sah zwar total anders aus, doch vom Verhalten her hatte ich manchmal wirklich Schwierigkeiten, mich nicht allzu sehr an Anja zurückzuerinnern. Sie war ebenfalls ein verdammt wichtiger Teil meines Lebens – gewesen und sie war es irgendwo noch immer. Ich möchte sie nicht missen. Und Federica war eben manchmal genau wie sie, vor allem, wenn sie sich so verständnisvoll verhielt, wie sie es momentan besonders tat. „War das ein Kompliment? Die heiße Lehrerin?" Ich schmunzelte, drehte die Augen über und schüttelte den Kopf: „So habe ich das nicht gemeint. Ich spreche da nicht von irgendeiner sexuellen Anziehung, ihr seid euch einfach vom Verhalten, von der Art her total ähnlich. Ihr seid beide total liebevolle Menschen, die zwar einen eigenen Kopf haben, allerdings auch Kompromisse eingehen. Ich würde sagen, dass auch du eine starke Meinung hast und vor allem weißt, was du willst. Und ihr prägt beide mein Leben, zwar auf unterschiedliche, aber dennoch auf besondere Weise..." Federica hielt in ihrem Tun inne und sah mich mit einem unergründlichen Blick an. „Wie kommst du jetzt darauf?", fragte sie nach einiger Weile. „Keine Ahnung, ist nur so ein Gefühl, das ich manchmal habe und ich dachte, ich sag's dir einfach mal..." Jetzt lächelte sie sanft: „Möchtest du mir noch mehr von ihr erzählen?" Ich überlegte. Wollte ich? Sie gehörte immerhin zu meinem früheren Leben. Es tat irgendwo weh, an sie zu denken, doch auch gut, jemanden ins Vertrauen zu ziehen und nach so langer Zeit wieder mal über sie zu reden. Sie war mir wichtig auf eine Art, die ich nie definieren hatte können. Da war einfach so eine Faszination an ihrer gesamten Person, es war schon fast eine bedingungslose Wertschätzung, die ich ihr gegenüber aufbrachte. Sie war einfach besonders, keine Ahnung, auf welche Weise genau. Einfach ein toller Mensch. „Sie ist... nicht nur eine wahnsinnig gute Lehrerin, sondern vor allem ein bewundernswerter Mensch. Sie hat ihr Leben im Griff, zumindest scheint das so, auch wenn sie mir immer vermitteln wollte, dass auch sie einfach nur ein Mensch mit Ecken und Kanten war. Ich kann mir das einfach nicht vorstellen. Sie hat eine wahnsinnig tolle Familie, ihr Mann ist super nett, ihre Kinder sind wundervoll, sie liebt ihren Job und hat alles erreicht, was ich immer...", ich hatte mich beinahe verplappert. Federica sollte nicht wissen, dass es sehr wohl mal mein Traum gewesen war, zu studieren, Lehramt zu studieren. Sie würde nur wissen wollen, wieso ich diesen Traum nicht verfolgte und spätestens dann käme mein mühevoll aufgebautes Lügenkonstrukt gefährlich ins Wanken. Das galt es klarerweise zu vermeiden. „Naja, jedenfalls ist sie einfach bewundernswert, ich schätze diese Frau sehr und ich bin ehrlich froh, dass ich sie kennenlernen durfte. Manchmal frage ich mich, wie alles geworden wäre, wenn ich mit bestimmten Personen nicht im gleichen Zeitalter geboren wäre. Bei ihr ist das zum Beispiel so und auch bei dir... Es wäre alles anders gekommen und allein der Gedanke macht mir Angst, denn im Endeffekt bin ich... froh, wie alles gekommen ist." Ich atmete tief durch. Das war ja mal eine Ansprache gewesen, doch mir war all das überhaupt nicht peinlich. Vor Federica war mir schon lange nichts mehr wirklich peinlich. Im Gegenteil, ich fühlte mich sicher, wenn ich ihr etwas erzählte. Sie urteilte nicht. Das würde sie nie tun. Oder? Es hatte jedenfalls gutgetan, einfach mal alles loszuwerden, was mir auf dem Herzen gelegen hatte, ich fühlte mich, als sei alles plötzlich leicht geworden. Federica saß mir mittlerweile gegenüber und lächelte. „Diese Person klingt wirklich wundervoll und ich merke, wie wichtig sie dir ist, darum macht es mich noch stolzer, mit ihr auf eine Ebene gehoben worden zu sein." Wenn ich mich nicht täuschte, glänzten Federicas Augen verräterisch und ich erkannte ihre Bemühungen, die Tränen nicht zuzulassen. Naja, wer sollte das sonst sehen, wenn nicht ich? Ich war doch ein Profi darin, Tränen zu vertuschen. Auch wenn das in ihrer Gegenwart erfahrungsgemäß eher semigut funktionierte. „Lass uns was essen", wechselte ich das Thema. Daraufhin erhob ich mich und begab mich auf den Weg zum Kühlschrank, um zu checken, ob ich etwas Brauchbares hierhatte.

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Liebe Leute!

Ich habe mir überlegt, ob ich von nun an sonntags nicht immer zwei Kapitel hochladen soll... Was meint ihr dazu? Würde euch das gefallen? Lasst es mich gerne wissen! :)

Eure the_fire_of_desire <3

Fighting the demons from our pasts - Will love be enough?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt