Kapitel 68 - Tausend Erkenntnisse

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Am nächsten Morgen erwachte ich wie geläutert. Als wären mir im Schlaf tausend Erkenntnisse gekommen. Was ich tat, war falsch, selbst wenn es zwischen Draco und mir keine richtigen Berührungen gab, von dem Kuss in seinem Zimmer ganz zu schweigen. Draco hatte mir mehrfach klargemacht, dass er in mir nicht mehr sah als ein schönes Spielzeug und ich wusste, dass mir das nicht genügte. Ich war glücklich mit Harry gewesen und ich wusste, dass ich ihn lieben konnte, wenn die Zeit reif war.

Als ich meine Sachen anzog war es, als würde ich zeitgleich eine neue Haut überziehen. Im Grunde war die Entscheidung doch schon gefallen, als ich nach Gryffindor gegangen war. Dracos plötzliche Zuwendung hatte mich straucheln lassen, doch was ich brauchte war vorallem Liebe.

Und alles, was Harry zustand, hatte ich all die Monate Draco gegeben - meine Gedanken, Sehnsüchte, Träume, sogar im gewissen Sinne meinen Körper.

Es genügte.

Es war, als hätte ich eine eiskalte Dusche genommen. Der Traum war vorbei.

Harry wartete heute nicht im Gemeinschaftsraum auf mich. Warum sollte er auch, wo ich ihn doch ständig nur abwies. Demütig und tief traurig über mein eigenes Verhalten ging ich allein hinunter zum Frühstück. Es war egal, ob ich in Gryffindor oder Slytherin war - wenn ich mich weiter so rücksichtslos verhielt, würde ich alles verlieren, was ich liebte.

Als ich die große Halle betrat, versetzte es mir einen kurzen Stich zu sehen, wie Luna, Neville, Ginny und Harry ohne mich lachten. Es war wie früher, wenn ich mich abgewandt hatte, um zum Slytherintisch zu gehen, nur dass ich es dieses Mal am liebsten freiwillig getan hätte.

Da wurde mir klar, dass mir nicht nach Gesellschaft war. Also ließ ich das Frühstück sausen, ich hätte ohnehin nichts herunterbekommen und ging allein Richtung Verwandlung.

McGonagall, die stets eher da war als normale Lehrer, zog überrascht die Brauen hoch. "Haben Sie noch Fragen zur Vorstellung Ihres Projekts, Ms. Weasley?"

"Nein, Professor. Ich bin nur früh dran", erwiderte ich leise.

"Oh, nun, dann kommen Sie mit hinein" Sie schloss die Tür auf und ich folgte ihr.

Erschöpft ließ ich mich auf meinen Platz sinken. Mir graute davor, jede Stunde des Tages mit Draco in einem Raum sein zu müssen, mit dieser schmachvollen Erinnerung. Und beim Gedanken an Harrys Sorge fühlte ich mich völlig überfordert. Ich musste mit jemandem reden, meine Sorgen mitteilen. Doch wer konnte das sein, dass er sich nicht völlig von mir abwenden würde?

"Da bist du ja, Kim! Wir haben dich während des Frühstücks vermisst!", ertönte Ginnys Stimme, die zusammen mit Luna hinter mir saß.

"Ich hab keinen Hunger", sagte ich wahrheitsgemäß

"Du liebe Güte, du siehst völlig fertig aus!", sagte sie besorgt.

Ich legte meinen Finger an die Lippen, da Ron und Harry gerade zu uns kamen und flüsterte noch. "Kann ich heute Nachmittag mit euch beiden reden?"

Ginny nickte argwöhnisch und Luna fragte überrascht: "Mit mir auch?"

"Ja, warum denn nicht? Du bist auch meine Freundin."

"Wir könnten auch jetzt reden", sagte Luna eifrig.

Ginny stöhnte und flüsterte ihr zu: "Das ist sicher etwas, das nicht jeder hören soll."

"Oh, verstehe", wisperte Luna verschwörerisch zurück.

"Kim, wo warst du denn?", begrüßte Harry mich, während er Pergament und Federkiel aus seiner Tasche kramte.

"Ich muss grad etwas allein sein", sagte ich. Er hielt in der Bewegung inne und wandte sich mir langsam zu. "Ich kenne diesen Blick, Kim."

Ich schüttelte den Kopf, als mir ein Kloß die Kehle hochstieg. "Nicht jetzt, nicht hier. Ich brauche einfach Zeit für mich."

Der Zauber um Draco MalfoyWhere stories live. Discover now