Herzogliche Vorbehalte

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Larno war sichtlich überrascht, einen Boten der Herzogin Emnilda auf seiner Burg Welna begrüßen zu können. Es war überaus ungewöhnlich, dass die Herzogin selbst Boten oder Kurierreiter in die Lande entsandte.

Doch der Inhalt der überbrachten Botschaft ließ ihn schnell vergessen, was er für erste Überlegungen hatte. Die Nachricht war für ihn bestimmt und sehr persönlicher Natur.

„Frau Herzogin Emnilda von Polen möchte Euch wissen lassen, dass vor vier Tagen von heute gesehen, eine Besucherin auf Burg Ostrow eintraf. Die Herzogin begrüßte die linonische Fürstentochter Nerin von Lenzen an ihrem Hof in Ostrow. Die Herzogin möchte erfragen, ob ihr eine Möglichkeit seht, die edle Dame und ihren Begleiter an der Burg zu begrüßen. Herzogin Emnilda erwartet eine Antwort."

Der Bote hatte sich den Worttext wohl sehr gut merken müssen, welchen er zu überbringen hatte, denn selbst als Larno nachfragte, ob er wirklich von Nerin von Lenzen gesprochen hatte, wiederholte er den Wortlaut von Anfang bis Ende nochmals.

Nun war der erschöpfte Kurierreiter seinerseits überrascht, dass der Empfänger der Nachricht nicht nur große Freude zeigte- vielmehr noch, ihn sogleich heftig umarmte und bekannt machte, ihn zurück nach Ostrow persönlich zu begleiten.

Es war jedoch schon spät am Abend, als der Reiter an die Burg Welna gekommen war- sowohl Reiter als auch Pferd war die Erschöpfung anzumerken. So wollte man am frühen kommenden Morgen aufbrechen.

Larno entlohnte für die Botschaft großzügig und war auch ein besserer Herbergengeber als manch anderer Herr. Ritter Larno sorgte für Ross und Reiter, machte den Kurier mit allerlei Leuten an seiner Burg freudestrahlend bekannt und bereitete für den Morgen alles fast allein vor, damit man schnell nach Ostrow zurückreiten konnte. Der Kurier war hierüber erfreut, wenngleich er viele Fragen, die Herr Larno hatte gar nicht so recht beantworten konnte.

Larno war voll des Glückes.

Und wo er ansonsten drei Tage ruhigen Rittes bis nach der Burg Ostrow angesetzt hätte, so bewältigten der Kurier und Larno die gesamte Strecke an einem einzigen Tage- fast beflügelt von Vorfreude des Herrn Larno auf ein Treffen mit der edlen Dame in Ostrow.

Auf Burg Ostrow kam man erst in Schein erster entzündeter Feuer und Fackeln an- dennoch bat Ritter Larno den Kurierreiter, sich vielleicht für eine kurze Audienz vor der Herzogin zu verwenden.

Ostrow ist gut gewappnet, reisenden Edlen und auch einfachen Besuchern ein Obdach zu geben. Noch während Larno sein Pferd versorgte, kam schon ein Helfer des Kämmerers der Burg hinzu und bot ein Obdach in der Vorburg für die Nacht an. Zudem beschrieb es, wo Ritter Larno noch eine Mahlzeit für sich finden könne.

All diese Belange jedoch erschienen Larno weniger von Bedeutung als die Rückantwort des Kuriers, dass die Herzogin den Besucher in den Saal bitten würde, wo sie, die Herzogin, ihn für einen kurzen Moment begrüßen könne.

So war Larno in innerlicher Unruhe und voller Erwartungen sofort aufgebrochen.

Im Saal waren um diese späte Tageszeit noch sehr viele Herren und auch einige Damen zu Gast und erfreuten sich an der Gastfreundschaft des herzoglichen Hofes. Hier herrschte ein lustiges und ausgelassenes Treiben und kaum jemand nahm Notiz von dem jungen Ritter, der sich in der Runde umsah.

Und doch gab es hier Jemanden, der auf eben diesen jungen Ritter schon so lange gewartet hatte.

Aus einer schlecht ausgeleuchteten Seite im hinteren linken Bereich des Saales erhob sich der Schatten eines älteren Mannes. Etwas angetrunken wirkend- ja, aber doch ganz bewusst, so ging der alte Mann auf Larno zu.

„Larno! Mein guter Junge! Komm zu mir!", ertönte die Stimme, welche Larno nur zu gut bekannt war, auch wenn er diese Stimme schon lange nicht mehr vernommen hatte.

Larno - Wege zur WahrheitWhere stories live. Discover now