Ruhe und Ungeduld

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Wie nahe Ruhe und Ungeduld beieinander liegen war Larno und Nerin anzumerken.

Nach dem Feldzug gegen die Lutizen hatte Herzog Boleslaw I. Chrobry einen Umzug des Heeres nach Osten- an die Grenze zu den Kiewer Landen- verkündet.

Da sich dem Herzog durch sichere Informationen aufzeigte, dass Heinrich II. mit seinem Hofstaat über die Pfalzen Frose und Mühlhausen in das deutsche Kerngebiet zog und dann zum Rhein hin den Weg nach Burgund suchen wollte, würden wohl in diesem Jahr keine Kriege mehr das polnische Land erschüttern.

Boleslaw I. Chrobry gab sich großzügig unter seinen Rittern- die Nachrichten aus den deutschen Landen ließen auf ein friedliches Leben und damit auch gute Ernten hoffen.

Erst hier bat er seinen Ritter Larno um eine Unterredung. Doch nicht im Zelt sprachen sie, Boleslaw bestand um ein Gespräch an einem kleinen See, nahe dem Lager. So gingen sie eine Runde um den See und sprachen. In gebührendem Abstand folgte Wachen, denn Gefahren bestanden nicht.

„Herr Larno, ich mag solche Momente, wie diesen jetzt. Seht euch dieses Leben hier am Wasser an, das satte Grün, die schönen Weiden am Ufer. Es birgt sehr viel Ruhe darin."

Larno antwortete seinem Herrn nicht darauf. Auch er fand diese Stimmung am See angenehm.

„Doch, guter Larno, wo es um Ruhe und Sicherheit geht, so soll es nunmehr auch Euer Herz finden. Ich will Euch offen schildern, weshalb es mir schwerfiel, Eurer Vermählung zuzustimmen. Ich hatte Pläne für Euch, doch das Leben ist lebendig, wie dieser Ort. Wir haben Nachricht, dass König Heinrich bei einem Treffen mit den Lutizen das gegebene Verspechen von Ehen zwischen Christen und Heiden- und so sieht Heinrich II. die Lutizen- zurückgezogen hat. Damit wäre die Frau Eures Herzens nun von ihrer Verpflichtung erlöst- auch ihr Vater, der Fürst selbst steht nicht mehr in der Pflicht. Doch ihr kennt alle Umstände? Wenn Eure Frau dort als verstorben ein Begräbnis bekam, ich vor Gott kaum zu erklären, wie sie hierzulande unter gleichem Titel einen meiner Ritter zum Gemahl nimmt."

„Ja Herr. Ich verstehe. Und ich danke Euch, dass ich nun wieder hoffen kann."

„Nicht so schnell, guter Larno. Weder Ostrow an Burg und Stadt, noch Eure Burg Welna können Eure fürstlich geborene Frau verbergen. Jederzeit kann- durch kleinen Zufall- ein übles Licht auf Euch fallen. Und damit auch auf mich, wenn ich die Verbindung gutheiße. So kann ich Eurem Glück nur einen anderen Rat und Abhilfe schaffen. Wollt ihr meinen Ratschlag hören?", hinterfragte der Herzog.

Larno war nun gut beraten, dies zu tun. Daher nickte er und gab dies mit kurzem „Ja, mein Herzog!" auch kund.

„Welna ist zu nahe an Posen, an Gnesen und Ostrow. Sehr viele Handelsleute- oftmals auch Spione, man kann es manchmal nicht verhindern, auch wenn ich den Meisten vertraue. Ihr und Eure Frau- meinetwegen auch Eure Leute an der Burg- ihr müsst Welna verlassen. Lasst Dies weit hinter Euch- doch nur soweit ich es zulassen kann. Da ihr im Heer bekannt seid, will ich Euch eine neue Aufgabe übertragen, würdig einem jungen Helden und mit Gelegenheit, weit weg von dem Reich Heinrichs II. und alten Gefahren. Im Rotburgenland gebe ich Euch das Lehen der Burg Chiemosze. Sie ist neu und stark. Bildet dort Männer für mich aus. In wenigen Jahren schon ziehen sicherlich dunkle Wolken im Osten Polens auf und dann will ich Eure Dienste einfordern. Das gibt Euch Zeit, nicht vergessen zu werden im Heer und im Ansehen der Männer- und ihr habt Zeit, Euer lange verloren geglaubtes Glück zu finden. Doch ich gestatte es nur auf diesem Weg. Und noch etwas: Frau Nerin darf sich nie mehr ihrer fürstlichen Herkunft rühmen. Sie muss- auch zum Schutz der Ehre ihres Vaters- als einfache Frau von einfachem Stand mit Euch in das Ehebündnis eintreten. Euren Titel belasse ich Euch- auch am neuen Lehen sollt ihr ihn führen, denn so kennt und schätzt man Euch."

„Kann ich dies besprechen oder habe ich keine Wahl der Entscheidung, wenn ich mein Glück haben will?"

„Keine Wahl. Während ihr Euch in Ungeduld der letzten Wochen zeigtet, die Gefahren sind nicht abzuschätzen. Und nur so kann ich es billigen.", beharrte der Herzog an seiner Aussage.

„Dann wird es so geschehen. Ich lasse nur ungern von Welna ab, es ist mir ein gutes Daheim geworden. Doch um der Liebe willen, will ich es angehen."

„Burg Chiemosze ist groß- viel größer, als ihr denkt. Sie ist die größte der vier Burgen, welche wir im Rotburgenland errichtet haben oder derzeit noch errichten. Und so groß sind auch meine Erwartungen an Euch und die Aufgabe, welche ich Euch damit übertrage. Bildet mir dort sechzig bis achtzig wehrfähige Krieger aus und scheut Euch nicht, die Leute zu fordern. Denn schon bald werde ich diese Leute brauchen, wenn sich die Dinge dort im Osten weiterhin so gestalten. Burg Chiemosze wird ein Ort werden müssen, der auch harten Zeiten standhalten kann."

„Das wird fürwahr eine Herausforderung.", gestand sich Larno ein.

„Von Mann zu Mann, guter Larno. Da ihr nun mein Angebot angenommen habt. Der Weg zu dem, was wir als Wahrheit empfinden ist oftmals ein Weg, der auf steinigen oder schlammigen Wegen zu dem Ziel unserer Reise führt. Doch das Ziel der Reise, wenn es denn eine eigene Familie ist, ist es wert, diesen schweren Weg zu gehen. Hört auf euer gewissen, denn dies ist oftmals Gottes Ratschlag an die Ehrlichen dieser Welt. Hört auch auf Eure Frau, denn auch sie ist oftmals das gute Gewissen. Ich für meinen Teil- das sage ich nicht als herzog, sondern als Ehemann- bin damit immer gut beraten gewesen."

„Danke Herr."

Der Spaziergang war nun mit der Umrundung des kleinen Sees fast beendet.

Der Herzog warf noch eines ein: „Ich verlange eine christliche Vermählung. Doch lasst sie klein ausfallen. Und gebt mir Nachricht darüber, damit meine Frau und ich an Eurem Glück teilhaben können."

„So werden wir es einrichten. Ich werde vielleicht meinen Freund und Lehensherren, den Grafen von Oborniki als Besucher laden. Er kann Euch berichten. Sodann werden Frau Nerin und ich Uns aufmachen, die neuen Wege zur Wahrheit für Uns zu beschreiten- auch wenn sie bislang auf schlechten Straßen vorangingen. Es werden Wege in eine gemeinsame Zeit- und damit voll Hoffnung und Glück- sein."

Larno - Wege zur WahrheitWhere stories live. Discover now