Prolog

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Colorado

Ungeduldig nippte Jacob Harris an seinem bitter schmeckenden Kaffee, den ihm die junge, mürrische Kellnerin nachgegossen hatte.
Es war schon weit nach Mitternacht gewesen, als er in dieses billige Diner eingetreten war, das mit dem besten Kaffee südlich von Colorado Springs warb. Natürlich entpuppte sich diese Behauptung als Lüge, aber zumindest entfaltete das Koffein seine wachhaltende Wirkung.
Sein Auftraggeber hatte ihn zu dieser späten Stunde hierher bestellt, da dieser Ort so abgelegen und ruhig war, dass niemand sie bei ihrem Treffen erkennen oder gar stören würde.
Er selbst hätte lieber jegliche Kommunikation über Papier weitergeführt, doch bestand sein Klient auf ein persönliches Gespräch, um neue Einzelheiten ihres Deals auszuhandeln.

Zum zehnten Mal in den letzten fünf Minuten schaute er auf seine Uhr am Handgelenk. Jacob hasste Unpünktlichkeit. Auch verbrachte er nicht mehr Zeit als nötig in der Öffentlichkeit, so abgelegen und ruhig dieses Diner auch sein mochte. Er ging nicht gerne ein Risiko ein und der ganze bisherige Verlauf seines Auftrags bereitete ihm schon mehr Kopfschmerzen, als er zugeben mochte.
Seit fünf Jahren war er bereits in dieser Branche tätig und er hatte sich im Laufe der Zeit zu der Person etabliert, die hochkarätige Klienten aufsuchten, um sich prekärer Situationen zu entledigen. Natürlich nur gegen eine mehr als ausreichende Bezahlung, die ihm ein Leben im Überfluss ermöglichte.

Er ließ sich seine Anspannung nicht anmerken, als er voller Missmut das bereits in die Jahre gekommene Mobiliar betrachtete, das einst den Charme der amerikanischen 50er-Jahre widerspiegelte. Heute wirkten weder die heruntergekommenen Sitzecken, noch die vergilbten Tapeten, oder das widerborstige Personal einladend auf Laufkunden, weshalb Jacob dieses Diner ausgesucht hatte.
Er wartete nun bereits seit dreißig Minuten auf den Senator, der sich nicht blicken ließ. Er würde noch seine Tasse leeren und dann in sein Motelzimmer zurückkehren, wo er sein Smartphone zurückgelassen hatte. In der heutigen Zeit ging er keinerlei Risiken ein, und trotz der vielen Verschlüsselungen begleitete das potentielle Abhörgerät ihn beinahe niemals. Vor allem nicht zu solch einem Termin mit dem Mann, der in Washington die Karriereleiter im Eiltempo erklommen hatte und große Wellen schlug.
Jacob interessierte sich jedoch nicht für Politik. Für ihn zählte nur die Bezahlung, die ihm sein nächster Auftrag einbringen würde.

Als die Kellnerin ihm die nächste Tasse einschenken wollte, öffnete sich die Tür zum Diner und ein großer, leger gekleideter Mann betrat hastig den Raum. Er blickte sich um und entdeckte sofort Jacob, da außer zwei Truckdrivern, die eine kurze Pause auf ihrer Route eingelegt hatten, sie die einzigen Gäste waren.
Der Mann setzte sich ohne große Umschweife auf den Platz ihm gegenüber und bestellte mit einer schnellen Handbewegung ebenfalls den schrecklichsten Kaffee südlich von Colorado Springs.
Jacob betrachtete ihn nun genauer. Er wirkte aufgewühlt, ja beinahe panisch. Seine sonst so gelassenen Züge wurden durch tiefe Augenringe ersetzt und sein gepflegtes Äußeres konnte nicht verbergen, dass er sich wohl auf der Flucht befand.

„Du bist spät", begrüßte Jacob schließlich nüchtern den Mann.
Der antwortete jedoch nur mit einer abfälligen Geste.
Als die Kellnerin dem Neuankömmling grimmig eine Tasse einschenkte und wieder verschwand, öffnete sein Klient erstmals den Mund.
„Wir haben ein Problem. Die ganze Sache läuft anders als geplant. Du erhältst eine zusätzliche Zielperson. Natürlich wirst du dafür mehr als großzügig entlohnt. Die Angelegenheit muss so schnell und diskret wie möglich erledigt werden. Verstanden?"
Jacob betrachtete ihn neugierig. Beinahe hätte er gefragt, weshalb ein neuer Name plötzlich auf der Abschussliste auftauchte. Doch das ging ihn nichts an. Für ihn zählte nur das Zielpaket, das sein Auftraggeber ihm nun überreichte und alle nötigen Informationen enthielt, die er zur Erfüllung seiner zusätzlichen Mission benötigte.

„Zwei Millionen sind bereits auf deinem Konto. Nach erfolgreicher Erledigung werden die restlichen drei folgen. Enttäusche mich nicht."
Damit stand er auf, hinterließ zwanzig Dollar für die Tasse Kaffee, die noch völlig unberührt war, und verschwand.
Jacob sah sich die Akte genauer an, die der Mann ihm gereicht hatte. Ganz oben stand ein Name.

James Wilson.

Dann hinterließ auch er eine zwanzig Dollar Note und trat hinaus in die kalte Nacht der Berge.

The BartenderDonde viven las historias. Descúbrelo ahora