Kapitel 4

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Washington, D.C.

„Sir, Senator Rowland wartet für Sie auf Leitung vier", erklang die Stimme seiner Sekretärin aus seiner Telefonanlage.
„Stell ihn durch, Jenny", antwortete er nur knapp. Wurde auch Zeit. Seit zwei Stunden erwartete er schon den Rückruf und Paul hatte die Machtspielchen der Politiker satt, die ihm beweisen mussten, sie säßen am Hebel der Macht. Dabei wussten sie, dass es nicht der Realität entsprach. Unbeirrt jedoch stellte er den Lautsprecher an, als das Signalton die Weiterleitung des Anrufs bestätigte.

„Entschuldige die Verspätung. Du weißt ja, wie lange sich Sitzungen ziehen können... Ich habe aber gute Nachrichten. Stanley und Rhyland stehen hinter dem Projekt! Es geht alles nach Plan voran und bald werden wir grünes Licht erhalten."
Paul knackte kurz mit seinen Fingerknöcheln, bevor er nüchtern antwortete: „Was ist mit Senatorin Harrington?"
„Sie... hat noch einige Bedenken geäußert. Jedoch bin ich vollkommen davon überzeugt, dass auch sie letztendlich einlenken wird... Sie weiß, was alles auf dem Spiel steht. Ihre Vorbehalte werden sich in Rauch auflösen, sobald ich sie von all den Vorteilen überzeuge."
Der Senator wirkte angespannt, doch versuchte er, seine Nervosität in typischer Washington Manier zu überspielen.

Paul jedoch ließ sich davon nicht beeindrucken. Er nahm den Hörer ab und stellte den Lautsprecher zugleich auf stumm. Dann ließ er seinen Gesprächspartner zappeln.
„Hallo? Bist du noch da?", erklang seine Stimme nach einigen Sekunden.
„Josh, du kannst deine Wähler zum Narren halten, aber nicht mich. Wird Harrington zum Problem?"
Seine Stimme klang völlig emotionslos und ließ keinen Raum für Ausreden. Das erkannte selbst der Senator, der bereits seit Jahren am Spiel der Mächte in Washington teilnahm.
„Ich weiß es nicht... Sie hat viel Recherche in dieser Angelegenheit betrieben... Einige Details sind ihr dabei wohl ein Dorn im Auge...", gab Rowland kleinlaut zu.

Innerlich seufzte Paul auf. Manchmal fragte er sich, ob Joshs Einfalt seiner Sache mehr Schaden als Nutzen zufügen würde. Schließlich antwortete er: „Ich werde mich selbst um Harrington kümmern. Arrangiere ein Meeting."

„Sie könnte dem... nicht einwilligen."
Der Senator wirkte nun sichtlich unwohl und Paul konnte sich bildlich vorstellen, wie er auf seinem Stuhl herumrutschte.
Gut, dachte er.
„Sollte Harrington zu keinem Treffen bereit sein, dann erinnere sie daran, dass heutzutage nur ein kleines Versehen geschehen muss, um ganze Karrieren zu zerstören."
Rowland schluckte hörbar.
„Ich werde ein Treffen für nächste Woche ansetzen."
Der Senator wollte sich schon verabschieden, als Paul noch hinzufügte: „Josh, das nächste Mal werde ich nicht mehr stundenlang auf deinen Anruf warten. Niemand ist unersetzlich."
Ohne seine Antwort abzuwarten, legte er auf.

Was für ein Dummkopf, dachte er. Aber ein manipulierbarer Dummkopf und das war auch der Grund gewesen, weshalb Paul ihn überhaupt vor Jahren rekrutiert hatte, um sein Vorhaben umzusetzen. Er hatte außerdem die Erfahrung gemacht, dass die meisten Menschen, vor allem so junge und machtgierige wie Rowland, von lähmender Angst geleitet werden und Paul nutzte diese Schwäche stets aus. Diejenigen, die am Meisten zu verlieren hatten, stellten für Paul ausgezeichnete Marionetten dar. Diese Lektion hatte ihm sein Vater erteilt, der sein millionenschweres Imperium auf dieser Philosophie gegründet hatte. Nun stand Paul kurz davor, sein Unternehmen auf die nächste Ebene zu befördern.
Ob sein alter Herr nun stolz auf ihn wäre?

Er vertrieb die Gedanken an seinen Vater und öffnete die Schublade seines massiven Schreibtisches, dessen Marmorplatte mehr gekostet hatte, als manch einer im Jahr verdiente. Gespannt zog er den braunen Umschlag heraus, der ihm bereits heute morgen zugestellt worden war, aber unberührt weggelegt wurde. Paul hätte ihn zwar nur zu gerne an Ort und Stelle aufgerissen, doch seine indoktrinierte Disziplin stellte das Geschäft immer an oberster Stelle.

Er griff nach dem antiken Brieföffner, den ihm sein Vater an seinem 18. Geburtstag geschenkt hatte und angeblich von Roosevelt persönlich während des zweiten Weltkrieges verwendet wurde, um Kriegsnachrichten aus Europa zu öffnen. Sein Vater überreichte ihm damals dieses Symbol seines goldenen Vermächtnisses, das auf Paul wartete, sollte er sich als würdig erweisen.

Als er die Fotos und Berichte betrachtete, spürte er, wie sich Zorn in ihm ausbreitete. Im Laufe seines doch sehr jungen Lebens hatte er es perfektioniert, kühl und kalkuliert sein Leben zu führen. Zumindest auf geschäftlicher Ebene.
Harsch rief er seinen Sicherheitschef herein, der wie üblich vor seinem Büro Stellung bezogen hatte.

„Wie schnell kannst du eine Nachricht an Harris übermitteln?", fragte Paul ohne Umschweife.
„Innerhalb weniger Stunden, Sir", antwortete sein überqualifizierter Leibwächter.
Dann zeigte Paul ihm das Foto, auf dem ein Mann gerade eine junge Frau auf einem schlecht beleuchtetem Parkplatz attackierte. Selbst im Angesicht der miserablen Lichtverhältnisse waren ihm seine wahren Absichten anzusehen, die gekonnt vom Fotografen eingefangen wurden.

„Ich möchte alles über diesen Mann wissen. Harris soll jegliches Detail seines jämmerlichen Lebens in Erfahrung bringen und weiterleiten. Vorstrafen, Arbeitsverhältnisse, ja selbst den Namen und Wohnort seiner Jugendliebe soll er herausfinden. Für diese außerordentliche Gründlichkeit wird er natürlich auch entlohnt. In zwei Wochen erwarte ich einen lückenlosen Bericht, verstanden?"

Der Sicherheitschef nickte unbeirrt und selbst wenn ihm diese Anfrage merkwürdig vorgekommen war, ließ er sich nichts anmerken.
„Was ist mit seiner eigentlichen Aufgabe?"
„Davon ist er befreit, bis er die Neue erledigt hat. Richte ihm außerdem aus, dass sich sein Lohn erhöht, sollte er früher fertig sein."
Für Menschen wie Jacob Harris stellte Geld die größte Motivation dar, was Paul nur zu gerne für seine Zwecke nutzte. 
„Außerdem soll er eine ausführliche Einschätzung abgeben, in der er die geeignetsten Zeitpunkte für ein Ergreifen der Zielperson  vorschlägt, die keinerlei Aufmerksamkeit der Behörden auf sich ziehen wird."
Unmerklich verlagerte der Leibwächter das Gewicht von den einem auf das andere Bein, bevor er antwortete: „Soll Harris das Problem beseitigen, Sir?"

„Nein, darum kümmere ich mich selbst. Dafür brauche ich aber alle nötigen Informationen."
Der Leibwächter nickte bestätigend und trat zugleich aus dem Raum, um den Kontakt zu dem technologiescheuen Harris herzustellen.

Paul legte das Foto wieder vor sich und betrachtete den Mann genauer, dessen triebgesteuertes Verhalten die falsche Frau ausgesucht und somit sein eigenes Grab geschaufelt hatte. Er fühlte jedoch keinerlei Mitleid für den Mann, im Gegenteil. Als er das angeschwollene Gesicht seiner Ehefrau auf dem nächsten Bild musterte, breitete sich abgrundtiefer Hass in ihm aus und er würde persönlich dafür sorgen, dass dieser Abschaum niemals wieder seine Hand, oder sonstiges gegen Jane, beziehungsweise Eliza, wie sie sich heute nannte, erheben würde.

The BartenderWhere stories live. Discover now