Kapitel 3

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Sternchen tanzten vor ihren Augen, als der heftige Schlag sie mitten im Gesicht traf. Sie spürte, wie das Bewusstsein ihr entgleiten wollte, und kämpfte heftig dagegen an. In dieser Situation konnte jede Sekunde über ihr Schicksal entscheiden und sie würde verdammt sein, wenn nach all den Jahren dieser Kerl nun ihr Leben in der Hand halten würde.
Angestrengt versuchte sie den Nebel aus ihrem Kopf zu vertreiben, merkte jedoch, wie sie zu scheitern drohte. Eliza taumelte nach hinten und stieß gegen ihr Auto, das ihr den Fluchtweg versperrte. Aber vermutlich wäre sie sowieso nicht in der Lage gewesen, wegzurennen.

Der Kerl hingegen hatte sich bereits von ihrem Tritt erholt und stürzte sich auf sie. „Dafür wirst du bezahlen", brüllte er auf und holte ein weiteres Mal zu einem Schlag aus, als sie all ihre verbliebene Kraft aufbrachte, um das Pfefferspray aus ihrer Tasche zu zerren und ihm entgegen zu sprühen.
Schmerzverzerrt schrie er auf, schnellte zurück und stolperte bei dem Versuch, von ihr wegzukommen. Als er schließlich wehrlos am Boden lag, drückte sie nochmals ihren Finger auf den Auslöser und leerte den restlichen Inhalt des kleinen Gefäßes in sein Gesicht.

„Wenn ich dich hier nochmal sehe, zeige ich den Cops das Überwachungsvideo und werde dafür sorgen, dass du in den Knast wanderst, verstanden?" Ihre Stimme klang kalt und völlig frei von jeglichen Emotionen. Der Mann jammerte nur auf. Daraufhin trat sie ihm nochmals in seine Kronjuwelen und wiederholte sich. „Hast du verstanden?", fragte sie diesmal lauter. Schließlich nickte er kleinlaut und sie schritt selbstbewusst, aber hastig zu ihrem Wagen.

Erst als sie zuhause angekommen war, die dreifache Verriegelung ihrer Haustür wieder abgeschlossen und sich versichert hatte, dass jedes Fenster auch wirklich verschlossen war, entspannte sie sich ein wenig. Ihr Gesicht schmerzte und schwoll bereits an, weshalb sie in ihrem Gefrierschrank nach einer Packung Tiefkühlkost griff, das sie behutsam auf ihre blutende Lippe drückte. Verdammter Mistkerl, dachte sie und holte außerdem eine Flasche Whiskey aus dem Fach, bevor sie es wieder zuwarf. Dann setzte sie an und trank direkt aus der Flasche. Warum auch ein Glas verschwenden?
Sie fluchte wieder still, als sie aus Gewohnheit die Flasche ansetzte und der Schmerz sie durchfuhr.

Mit der kalten Packung Erbsen in der einen und dem Whiskey in der anderen Hand setzte sie sich auf das Sofa. Sie hatte noch mal Glück gehabt. Trotz all ihrer Vorsicht und Paranoia wäre sie beinahe wieder ein Opfer geworden. Missmutig atmete sie aus und trank einen weiteren, jedoch vorsichtigeren Schluck. Innerlich dankte sie dem Universum dafür, dass der Kerl ihren Bluff nicht durchschaut hatte. Es gab nämlich überhaupt keine Überwachungskameras auf dem Parkplatz und zudem hätte sie auch die Polizei nicht rufen können. Sie war zwar überzeugt davon, dass ihre Identität den üblichen Kontrollen standhalten würde, doch ein Vorfall wie dieser würde zu viele neugierige Augen in ihre Richtung lenken.

Drei Schlucke später stellte sie die Flasche ab, stand auf und lief in ihr Schlafzimmer, während sie gewissenhaft jeglichen Spiegel mied, der das wahre Ausmaß ihrer Verletzungen offenbaren könnte. Sie dankte dem Schicksal außerdem dafür, dass sie in den nächsten zwei Tagen nicht arbeiten musste, bevor sie die Vorhänge im Schlafzimmer zuzog und sich hinlegte. Im Morgengrauen schlummerte sie schließlich ein und träumte von grünen Augen, die sie verfolgten.

Heute Nacht war ihr der dunkle SUV wieder nicht aufgefallen, der ihr nachgestellt hatte.

- - -

„Du bist wirklich ein Tollpatsch", hatte Curtis Elizas Ausrede für die angeschwollene Lippe kommentiert. Es war Dienstag und trotz all ihrer Bemühungen hatte sie es nicht vollkommen geschafft, die Wunde zu verdecken. Da sie ihrem Chef weder von dem Vorfall erzählen, noch eine Geschichte auftischen wollte, in dem Alkohol involviert gewesen wäre, hatte sie sich letztendlich entschlossen, ihre zwei linken Beine dafür verantwortlich zu machen. Da sie wirklich manchmal äußerst ungeschickt war, was Curtis auch öfters selbst bezeugen konnte, hatte er ihr die Geschichte sofort abgenommen. Schon früher war sie davon überrascht gewesen, wie rasch manche Menschen eine halbwegs plausible Erklärung blindlings akzeptieren. Lediglich Donny schien nicht ganz davon überzeugt gewesen zu sein, wenngleich er sich nichts hatte anmerken lassen. Als Curtis jedoch verschwand, lief Donny schnurstracks auf Eliza zu.

„So, jetzt nochmal. Was ist passiert?", fragte er sie. Seine haselnussbraunen Augen blickten besorgt auf sie hinab.
„Ich bin hingefallen", antwortete sie bloß.
Donny schüttelte den Kopf. „Nicht dieser Bullshit. Sag mir, was passiert ist."
Eliza seufzte auf. Sie wollte ihm vertrauen, doch wusste sie, dass selbst der beschützerische Riese ihr Geheimnis entlarven konnte, sollte er nur tief genug danach graben. Ihre Handhabung der gesamten Situation und das fehlende Einschalten der Polizei würde zu viele Fragen aufwerfen.
„Okay. Du hast mich ertappt. Am Samstag habe ich zu Hause etwas zu tief ins Glas geschaut und bin betrunken hingefallen. Ich wollte das bloß nicht vor Curtis erwähnen", antwortete sie ihm stattdessen. Eine weitere Lüge würde nun auch keinen Unterschied mehr machen. Er wirkte immer noch nicht überzeugt, ließ die Sache jedoch auf sich beruhen.

Um Donnys bohrenden Blick zu entgehen, beschloss sie, den einzigen Gast in der Bar aufzusuchen, dessen Getränk leer vor ihm prangte.
„Hey. Kann ich dir noch was bringen?", fragte sie den Mann und lächelte ihn freundlich an.
„Habt ihr guten Whiskey?", antwortete er knapp.
„Nein, aber Starken." Sie wollte nicht schon wieder lügen, auch wenn er nur ein Gast war.
Der Mann lächelte nun auch. „Den nehme ich. Danke."
Als sie wenig später die klare braune Flüssigkeit vor ihm abstellte, bedankte sich der Gast nochmal, bevor er einen Schluck nahm. Beinahe dachte sie, er würde wie all ihre anderen Kunden, die das brennende Getränk bestellten, um Eliza ihre Trinkfestigkeit zu beweisen, einen Hustenanfall erleiden, doch nippte er nur daran und seufzte auf.
„Noch etwas anderes?", fragte sie ihn.

„Danke, das wär's erstmal. Habt ihr Wlan?"
„Ja, Buffalo Creek ist der Routername und das Passwort lautet Semper fidelis."
Eliza wollte gerade zur Bar zurückkehren, um Gläser für später zu reinigen, als seine dunklen Augen sie musterten. „Ist Curtis hier?", fragte er.
„Der ist gerade hinten im Lager. Er sollte aber bald zurückkehren."

„Ich hätte noch eine Bitte. Wenn es dir keine Umstände macht, könntest du ihm bitte ausrichten, dass der Froschmann hier auf ihn wartet?"
„Gerne. Aber hast du auch einen Namen, falls ihm das nichts sagen sollte?", fragte sie verwirrt.

„Wilson! Du Mistkerl! Was hat deinen Arsch hierher befördert?", erklang plötzlich Curtis Stimme hinter ihr.
„Es ist auch schön, dich zu sehen", und wieder lächelte der Fremde, bevor er seine dunkelgrüne Kappe vom Kopf nahm, aufstand und Curtis entgegenlief. Jetzt erst bemerkte sie, wie groß er war. Zwar reichte er nicht an Donny heran und war auch nicht so stämmig wie dieser, aber sie konnte seine sich unter dem T-Shirt abzeichnende Rückenmuskulatur erkennen, als er Curtis umarmte.
„Ich brauch' deine Hilfe."
„Dann hat sich wohl nichts geändert. Eliza, bring uns bitte Whiskey. Aber den Guten, den ich im Schrank versteckt habe. Für den Froschmann, der mein Leben gerettet hat, gibt es nämlich nur das gute Zeug", sagte er an sie gerichtet.
Beide setzten sich an den Tisch und Eliza kehrte zur Bar zurück.

The BartenderWhere stories live. Discover now