Kapitel 2

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„Diese Dinger bringen dich noch um", scherzte Curtis, nachdem Eliza ihre kurze Pause im Hof genutzt hatte, um sich mit Nikotin zu versorgen. Es war Samstagabend und die ganze Stadt hatte beschlossen, ihr hart verdientes Geld ausgerechnet hier auf den Kopf zu hauen. In den letzten drei Wochen hatte Eliza noch nicht so viele Gäste in dieser Bar gesehen, geschweige denn zur gleichen Zeit. Dennoch konnte sie sich nicht über das mehr als großzügige Trinkgeld beklagen, das mit steigendem Alkoholpegel weiter wuchs.
Sie war schon immer ein freundlicher, zu Scherzen aufgelegter Mensch gewesen und verstand es, mit ihren Gästen umzugehen. Zudem trat heute eine Band aus Denver auf, die zusätzlich Menschen aus der gesamten Umgebung anzog und so deren Geld aus den Taschen leierte.

„Heutzutage bringt einen alles um", antwortete sie Curtis und musste ihm beinahe ins Ohr schreien, um verstanden zu werden. Er schüttelte nur belustigt den Kopf, bevor er sich dem nächsten durstigen Gast widmete, der ungeduldig auf seinen alkoholischen Nachschub wartete. Schweißperlen tropften von seiner dunklen Stirn, als er billigen Whiskey ausschenkte und sich im Takt der Gitarrenklänge bewegte. Obwohl sie bis heute noch nie von dieser Band gehört hatte, verstand sie, weshalb sie so beliebt in dieser Ecke der Welt war.

Als die Hitze langsam unerträglich wurde, band sie schließlich ihr blondiertes Haar zu einem Dutt, nippte an ihrer mittlerweile lauwarmen Cola und reichte dem nächsten Gast sein bestelltes Bier. So verbrachte sie die nächste Stunde, in der die Band ihre größten Hits spielte und laut von der Menge bejubelt wurde.
Auch genoss sie die Musik, obwohl sie weder die Texte noch die Melodien kannte, und schließlich wippte auch sie im Takt der Klänge mit. Als die Band sich verabschiedete, stimmte sie in den Applaus mit ein und hätte ihnen beinahe sogar laut zugepfiffen.

Sie verspürte wahrhaftige Freude, obwohl sie nicht so ausgelassen wie die anderen Gäste feiern konnte und auch gar keine richtigen Freunde hier hatte. Dennoch hatte sich der Abend als ein voller Erfolg entpuppt und das nicht nur auf geschäftlicher Ebene. Als immer mehr Gäste volltrunken das Lokal verließen, atmete sie dennoch auf. Die große Menschenmenge hatte ihr heute einiges abverlangt, obwohl sie sich nichts hatte anmerken lassen. Eliza war auch dankbar darüber gewesen, dass sie den scheinbar sichersten Ort im Lokal hinter der Theke nicht verlassen musste und so mit niemandem wirklich in Berührung kam. Dennoch war ihr schwarzes T-Shirt vollkommen durchschwitzt, und sie freute sich schon sehnsüchtig auf die Dusche, die Zuhause auf sie wartete.

Mittlerweile waren nur noch wenige Gäste in der Bar zugegen, darunter eine kleine Gruppe junger Frauen, die sichtlich betrunken miteinander lachten und die nächste Runde Shots bei ihr bestellten. Eliza schmunzelte über ihre Ausgelassenheit und unterhielt sich gerade mit einer Rothaarigen, die ihr trotz des gesunkenen Lärmpegels immer noch ins Ohr schrie. Sie wollte Eliza zu einer Runde Shots einladen, als ein volltrunkener Gast sie unterbrach und sich neben die junge Frau stellte. Er roch stark nach Bier und sein kurz geschorener Bürstenhaarschnitt unterstrich seine autoritäre Haltung, die andere wohl einschüchtern sollte. Sein Bart jedoch war ungepflegt und in seinen Augen konnte die Barfrau das Begehren erkennen, das die rothaarige, zierliche Frau in ihm auslöste.

„Das nächste Getränk geht auf mich", sagte er an Eliza gerichtet, bevor er sich der Frau zuwandte, die sichtlich unwohl auf ihrem Hocker umher rutschte. Eliza konnte es ihr nicht verdenken. Es war nicht nur sein ungepflegtes Äußeres, das durch sein anstößiges, wohl scherzhaft gemeintes T-Shirt unterstrichen wurde, nein, seine Ausstrahlung ließ alle Alarmglocken in ihr auf schrillen.
Die Rothaarige bedankte sich höflich bei ihm, lehnte jedoch sein Angebot ab.
„Ach komm schon, ein kostenloser Drink schadet doch niemandem", versuchte er sie umzustimmen.
„Danke, aber ich glaube, für heute Abend habe ich genug getrunken", erwiderte die Frau bloß.
„Das klang aber bis jetzt noch ganz anders. Wolltest du nicht gerade bei der Barfrau etwas bestellen?", setzte er noch hinzu und offenbarte, dass er sein Objekt der Begierde wohl schon länger beobachtet hatte. Unbehagen breitete sich auf dem Gesicht der Frau aus, deren Ausgelassenheit schlagartig verschwunden war.

The BartenderWhere stories live. Discover now