Kapitel 6

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Eliza wischte gelangweilt die Bartheke ab und lauschte den Nachrichten, die im Fernsehen liefen. Wie jeden Donnerstag waren Curtis und Donny zur Selbsthilfegruppe für Veteranen aufgebrochen, die ihr Chef leitete. Es war ein ruhiger Abend und bis auf einige Stammgäste und dem SEAL, der auf Curtis Rückkehr wartete, hatte sich keiner in der Bar verirrt.

Als die Nachrichtensprecherin gerade die Eilnachricht verkündete, dass ein US-Drohnenangriff den syrischen Anführer der Terrorzelle IS im Norden des Landes getötet hatte, hielt sie in der Bewegung inne und blickte auf. Wie in Trance griff sie nach der Fernbedienung und erhöhte die Lautstärke, um der Berichterstattung des CNN genauesten zu folgen.
Erst als ein Gast sie zum wiederholten Mal ansprach und ihren Arm antippte, konnte sie sich  von den Bildern fortreißen und wieder in der Realität ankommen.

„Sorry", sagte sie an den Gast gewandt und bat ihm, seine vorherigen Worte zu wiederholen.
„Ich hab' gefragt, ob du diesen Propagandascheiß abstellen kannst. Ich muss schon den ganzen Tag Fake News auf der Arbeit ertragen, da möchte ich wenigstens in meiner Stammkneipe meine Ruhe haben."
Eliza blinzelte kurz. Sie dachte schon, sie hätte sich verhört, doch schaute der Mann sie nur aus ernsten Augen an. Sein Kollege, der die gleiche Arbeitsuniform wie er trug, nickte bestätigend.
„Genau. So einen Mist brauchen wir nicht, wenn wir unseren Feierabend genießen."
Die beiden waren aufgestanden, zu ihr hinübergelaufen, nur um sich sodann über das TV-Programm zu beschweren.

„Ich stelle die Lautstärke runter und dann solltet ihr an eurem Tisch nichts mehr davon mitbekommen", antwortete sie lediglich.
„Das reicht nicht. Wir können trotzdem die Bilder sehen und jeder weiß doch, was für absoluten Mist uns die Regierung auftischt, vor allem über CNN. Darauf haben wir keinen Bock mehr. Wenn du weiterhin Lügen über sogenannten Terrororganisationen hören willst, dann mach das gefälligst daheim und zwing diese Propaganda nicht deinen zahlenden Kunden auf", erwiderte der Mann, der sie zuerst angesprochen hatte.

Ihre Augen weiteten sich vor Staunen. Beinahe hätte sie sich zu einer Diskussion verleiten lassen, doch hatte sie keinerlei Lust auf ein hitziges Gespräch, welches sowieso im Nichts verlaufen würde. Solche Menschen waren weder für Fakten, noch für unabstreitbare Beweise empfänglich. So schaltete sie kurzerhand einfach den TV aus.

Eliza dachte, die Situation hätte sich gelöst, als der andere Mann sagte: „Es ist echt bedauerlich, wie viele Leute so etwas einfach schlucken und nicht in Frage stellen. Ich hoffe, du wachst irgendwann auf und erkennst die Wahrheit. IS, Taliban, Al-Qaida - alles nur Erfindungen der Regierung, um uns in Angst zu halten, was sie ausnutzen. Recherchier mal ein bisschen. Wenn du willst, kann ich dir echt gute Seiten empfehlen."

„Nein, danke", antwortete sie bloß. „Kann ich euch noch etwas zu trinken bringen?"
„Wirklich Schade, dass du deine Augen vor der Wahrheit verschließt. Aber folg' der Propaganda ruhig weiter. Wir werden uns wohl eine andere Bar suchen müssen."
Eliza atmete ruhig aus und versuchte, sich wieder zu beruhigen. Sie hatte natürlich schon von all den Verschwörungen gehört, die im Netz kursierten und natürlich hatte sie auch schon mit solchen Anhängern agieren müssen. Für gewöhnlich ging sie solchen Diskussionen aus dem Weg, doch diesmal konnte sie es nicht auf sich beruhen lassen.

„Es tut mir Leid, dass unser TV-Programm euch so sehr stört. Doch wenn ihr euch so von den Nachrichten angegriffen fühlt, solltet ihr wohl tatsächlich ein anderes Lokal aufsuchen, in dem ihr innerhalb von Stunden lediglich zwei Getränke bestellt. Vielleicht gibt es dort auch Leute, die eure bescheuerten Ansichten teilen und euch gerne zuhören."
Nun schauten beide sie empört an.
„So eine unverschämte Antwort! Wir werden sichergehen, dass dein Chef erfährt, weshalb wir diese Bar nie wieder aufsuchen werden! Ich hoffe, du wirst gefeuert!"

Eliza lächelte auf.
„Beschwerden könnt ihr gerne in unserer Kiste für Anregungen und Kommentare einwerfen. Sie steht dort hinten", und sie zeigte auf den Mülleimer, der neben dem Ausgang stand. „Ich denke aber, dass in einer Bar, die von Veteranen gegründet wurde, eure Meinungen nicht viel Gewicht haben werden. Ihr solltet wohl einfach verschwinden."
Entgegen ihrer Befürchtung erwiderten die beiden Männer nichts mehr, sondern stürmten lediglich zornig in die kalte Nacht hinaus.

„Idioten", murmelte Eliza leise vor sich her, als der SEAL, der die ganze Zeit stumm an der Bar gesessen und vertieft in seinen Laptop gestarrt hatte, plötzlich auflachte.
„Kiste für Anregungen und Kommentare?", wiederholte er Elizas Worte und schmunzelte.
„Mir ist nichts besseres in diesem Moment eingefallen", antwortete sie und zuckte mit den Schultern. „Beinahe hätte ich auf die Toilette gezeigt, aber diesen Wink hätten sie sicher nicht verstanden."
Er lachte wieder auf und diesmal stimmte Eliza mit ein. Als sich beide wieder beruhigt hatten, fragte Eliza: „Wie konntest du so ruhig bleiben? Regt es dich nicht auf, wenn solche Volltrottel deine Arbeit in den Schmutz ziehen? Ich dachte, du hörst nicht zu..."

Er schien kurz seine Antwort abzuwägen, bevor er erwiderte: „Bei solchen Leuten ist es mir die Zeit nicht wert, die ich verschwenden würde, nur um gegen eine Wand zu reden. Außerdem ist es mir eigentlich egal, was sie denken." Dann zuckte auch er mit den Schultern. „Deine Reaktion war aber echt mein heutiges Highlight. Danke." Er lächelte sie freundlich, aber verspielt an.
„Ich bin übrigens James. Ich glaube, wir wurden uns noch nicht richtig vorgestellt. Du heißt Eliza, oder?"
Sie nickte. Tatsächlich hatte sie ihn bis jetzt nur als Froschmann vor Tagen kurz kennengelernt, bevor er mit Curtis wieder verschwunden war.

„Wie lange kennst du Curtis eigentlich schon?", fragte er unverblümt.
„Welches Datum ist heute?"
„Der 15. März."
„Dann seit genau einem Monat." Sie lächelte. Wie schnell die Zeit selbst an diesem Ort mitten im Nirgendwo verging.
„Und du?"
„Puh... Bestimmt schon fünf Jahre, obwohl wir nicht so viel Kontakt in letzter Zeit hatten."

Sie wollte noch weitere Fragen stellen, als Curtis und Donny die Bar betraten.
Donny ließ seinen Blick kurz über James schweifen, der seinen Laptop nun zuklappte und Curtis herbeiwinkte. Er wirkte alles andere als angetan von der Anwesenheit des Mannes, der vor Tagen einfach hier aufgetaucht war und seiner Meinung nach nur Ärger bedeuten konnte.
Weder James noch Curtis schienen davon jedoch Notiz zu nehmen, als der SEAL seinem Freund von der Auseinandersetzung erzählte und auch Curtis loslachte.

„Eliza, erinner mich daran, ein Schild über dem Abfall aufzuhängen. Diese Idee gefällt mir" und wieder prustete er los.
Dann plötzlich wurde er ernst, als er an den eigentlichen Auslöser dieser Auseinandersetzung dachte.

„Was hältst du davon, James?", fragte er seinen Freund.
Er zuckte mit den Schultern.
„Werden wir noch sehen. Vielleicht verzögert das ihre Pläne, vielleicht sitzt morgen bereits ein anderer Anführer an seiner Stelle. Schwer zu sagen." Plötzlich verdunkelte sich sein Gesicht und ein unergründlicher Ausdruck breitete sich auf seinen Zügen aus.

„Ich werde ihm jedenfalls keine Träne nachweinen."

Etwas an seiner Tonlage verkündete, dass dieses Gespräch nun beendet sei. Eliza hatte keine Zeit, um sich weitere Gedanken darüber zu machen, da eine Gruppe Frauen mittleren Alters gerade die Bar betrat und auf sie zustürmte.

Als sie die durstigen Frauen bedient hatte, war er bereits verschwunden, ohne dass Eliza etwas davon mitbekommen hatte. Sie schaute Curtis fragend an, der nur mit den Schultern zuckte und sich sodann auf den Weg ins Lager machte.
Sie schüttelte ihre Verwunderung ab und holte den Lappen hervor, mit dem sie die Bar wieder abwischte.

Heute Nacht begleitete Donny sie abermals zu ihren Wagen und Eliza schätzte seine Fürsorge sehr, insbesondere, da sie ein Händchen dafür entwickelt hatte, den falschen Männern auf die Füße zu treten.

The BartenderWhere stories live. Discover now