Kapitel 10

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Wie jeden Sonntag war die Bar heute geschlossen. Eliza dachte an den letzten Abend und daran, wie ausgelassen sie sich zum ersten Mal seit einen schieren Ewigkeit gefühlt hatte, trotz des Damoklesschwertes, das über ihr schwebte. James hatte sie aus der Dunkelheit befreit, auch wenn es nur für einen kurzen Moment war. Dennoch hatte sie gelacht, ihre Seele aus dem Leib gesungen und war sogar auf die Tanzfläche getreten. Sie beide tanzten und belustigten sich gegenseitig mit ihren grotesken Körperbewegungen, bis Curtis die Bar geschlossen und sie nachhause gefahren hatte.

Letztendlich war sie völlig erschöpft in ihrem Bett eingeschlafen und war heute mittag erst wieder aufgewacht. Zu ihrer Überraschung hatten sie diesmal aber keine Alpträume geplagt. Auch wenn ihre Erinnerungen nicht so lückenlos waren, wie sie sich gewünscht hätte, wusste sie noch, dass sie sich mit James im Hof darüber unterhalten hatte, Curtis von ihrer Verletzung zu erzählen. Schließlich musste er ja auch erfahren, wieso sie nun jede Woche beinahe einen gesamten Tag ausfallen würde, da sie zu ihren Check-Up nach Denver fahren musste. Oder wieso er sich vielleicht bald eine neue Barkeeperin suchen musste...

Das waren zumindest Elizas Argumente. James hingegen versuchte sie davon zu überzeugen, dass Curtis ihr eine große Hilfe sein könnte, und das nicht nur auf der Arbeit, wenn sie ihren Rücken schonen musste. Nein, Curtis war mitfühlend und half den zig Veteranen in seiner Selbsthilfegruppe, wieder im zivilen Leben Fuß zu fassen, ganz gleich was ihnen im Krieg widerfahren war, oder sie gar dort verloren hatten.

So saß sie nun in ihrem Auto, das sie vorhin geholt hatte und vor Curts Einfahrt parkte. Sie sprach sich den nötigen Mut zu, um die wenigen Meter zu seiner Haustür zu überbrücken. Am Liebsten hätte sie jedoch dem Drang nachgegeben und wäre einfach wieder nach Hause gefahren.
Sie sollte diesen Einfall begraben. Eine innere Stimme schrie sie förmlich an und ermahnte sie, dass sie viel zu viel Vertrauen in Fremde setzte. Dass sie nichts gelernt hatte und dabei war, die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen...

Doch selbst wenn sie jetzt hätte kneifen wollen, es wäre zu spät gewesen. Schließlich hatte sie ihn vorhin bereits angerufen und gefragt, ob sie vor dem Barbecue auftauchen könnte, um etwas wichtiges mit ihm zu besprechen. Später wäre nicht der geeignete Zeitpunkt für dieses ernste Gespräch, da er Freunde und Familie zu Ehren seiner Tochter Lisa eingeladen hatte, die diese Woche die Zusage ihrer Wahluniversität, der UCLA, erhalten hatte und Lisas Erfolg gebürtig gefeiert werden musste.

So atmete sie noch einmal ruhig ein- und wieder aus, bevor sie ausstieg und zu seiner Eingangstür lief. Ihr Finger verharrte kurz über der Klingel, bis sie sich schließlich zusammenriss und läutete.
„Brutus, sitz!", erklang seine tiefe Stimme aus dem Inneren, bevor er die Tür öffnete.
„Hi Eliza, komm doch rein", begrüßte er sie freundlich. Als sie eintrat, war sie nicht überrascht, wie sauber und lieblich sein Zuhause eingerichtet war. Dunkle Holzmöbel zierten das Wohnzimmer, die aufeinander abstimmt waren und mit zig Erinnerungsstücken aus seiner Zeit bei den Marines versehrt waren. An den Wänden hingen zig Familienfotos, die Lisas komplette Kindheit, seine Schwester und Eltern offenbarten und Eliza konnte selbst schwarzweiß Fotos entdecken, auf denen wohl seine Großeltern lächelnd in die Kamera blickten. Doch an einer Wand hingen nur Fotos aus seiner Marine Zeit, auf denen er in Uniform von seinen zahlreichen Brüdern umgeben war.

Bevor sie die Fotos noch genauer begutachten konnte, deutete er auf die dunkelgraue Couch, die vor dem großen LCD-Fernsehen aufgestellt war und sagte: „Setzen wir uns doch. Ich hab' schon Kaffee bereitgestellt. Den brauchst du bestimmt nach der langen Nacht." Er lächelte sie an und sie nahm dankend die Tasse entgegen, als sie sich beide gesetzt hatten.
„Wo ist Brutus?", fragte sie, um Zeit zu schinden. Sie wusste, dass er einen Hund besaß, hatte ihn aber noch nie gesehen.
„In der Küche. Er kann ziemlich aufdringlich sein und ich wusste nicht, ob du Angst vor Hunden hast."
„Ich liebe Hunde", erwiderte sie.
„Na, wenn das so ist. Brutus, HIER", rief er den Hund zu ihnen.

The BartenderWhere stories live. Discover now