Nacht 24 - Nergals Handel

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Mein Traum begann ähnlich wie die Anderen, als Nergal mich "besuchte". Erst schien alles normal und ruhig zu sein, als ich über eine von Sonnenstrahlen erleuchtete Wiese schritt und auf einmal alles schlagartig dunkel wurde. Soll das vielleicht eine Art Einschüchterungstaktik von Nergal zu sein?

Grünes Licht erhellte meine Umgebung, und ich befand mich in einem Raum, der aus Steinziegeln erbaut wurde. Ich befand mich wieder in Nergals Büro, zumindest vermute ich, dass es sich darum handelt. Es ist der gleiche Ort, den wir auch am Anfang kurz aufsuchten, als wir durch das leuchtende Portal im Tempel von Goldaín schritten, bevor wir weitergezogen/weitergeworfen wurden. Doch diesesmal saß ich auf einem unbequemen, knarzenden Stuhl. Mir gegenüber, an seinem großen Tisch aus schwarzem Obsidian, saß auch mein "Gastgeber", hämisch grinsend.

"Hallo, schön das du hier bist, ich glaube, wir haben etwas zu bereden", eröffnete er das Gespräch, seine Stimme war kühl und übertrieben freundlich zugleich. "Was willst du von mir? Warum suchst du nach mir?", ich würde mich nicht auf sein Spiel einlassen, nein, aber vielleicht könnte ich ihm ja Antworten entlocken. Das dachte, beziehungsweise erhoffte, ich mir. Doch mein Gegenüber lächelte nur und entblößte dabei seine spitzen Zähne. "Nun, du gehört nicht hierher, dennoch bist du hier? Das weckt mein Interesse."

"Es war auch keine Absicht, dass ich hier gelandet bin." "Davon ist auszugehen, denn du hast das sicherlich nicht ohne Hilfe geschafft, oder?", die Art, wie er das "oder" betonte, machte mich etwas stutzig. Er weiß etwas über unsere Anreise in dieses Land, das hat er mir damit klar verraten und dass er seine Finger nicht im Spiel hatte dabei. Sind wir nur durch Zufall in dieser Welt gelandet, oder steckt da etwas anderes dahinter... hat Goldaín uns in diese Welt gerufen?

"Nicht, dass ich wüsste." "VERARSCH MICH NICHT, SPLITTER!", er wurde deutlich zornig. Das ist gut zu wissen, dass er durchaus reizbar ist und man auch gegen seine kalkulierende, kontrollierende Weise vorgehen kann. Allerdings wurde mir das erst hinterher wirklich bewusst, denn in dem Moment war ich zu sehr von etwas anderem überrascht: "Woher kennst du meinen Namen?"

Daraufhin musste er lachen, bevor er mich wieder hämisch grinsend anblickte. "Wie wärs, wenn du mir etwas verrätst, was ich wissen will und ich verrate dir, woher ich deinen Namen weiß?" "Und warum sollte ich darauf vertrauen können, dass du auch antwortest, sollte ich dir verraten, was du wissen willst? Du bist ein Dämon, so jemanden wie dir kann man nicht vertrauen! Und... was willst du überhaupt?" "Nun, Splitter, ich würde gerne wissen, wo du dich gerade befindest, beziehungsweise mehr noch: wo sich die goldene Statue, die ihr mit euch führt, gerade befindet."

Geht es ihm nur darum, um die goldene Statue? Ich versuchte mich aus dem Stuhl zu erheben, doch es gelang mir nicht. Eine magische Kraft hatte meinen Körper gelähmt, sodass ich mich nicht bewegen konnte. Nur mein Kopf schien von diesem Effekt verschont geblieben zu sein, damit ich sprechen kann. Allerdings konnte ich dadurch meinen Kopf auch etwas drehen und mich in dem Raum umsehen. Es gab keine Fenster oder andere Öffnungen in den Steinwänden, durch die man erkennen hätte können, wo sich das Büro befindet. Ich würde vermuten, dass es sich unter der Erde befindet, vielleicht in einem Keller, da die Kreaturen der Dunkelheit ja gerne mal die Sonne meiden. Ich konnte allerdings ebenfalls keine Tür ausmachen, was mich etwas stutzig machte. Vielleicht befinde ich mich gar nicht wirklich in diesem Raum? Ich meine, natürlich nicht, es passiert ja alles in einem Traum beziehungsweise in meinen Gedanken. Was ich damit sagen will: mein Geist (Verstand? Unterbewusstsein? Seele? Was auch immer Nergal hier entführt) befindet sich vermutlich nicht in der materiellen Ebene, sondern vielleicht in einem Gedankenkonstrukt, das Nergal erschafft, wenn er mit mir Kontakt aufnehmen will, oder der ätherischen Ebene - also der Welt der Geister. Eventuell lässt sich mit diesem Gedanken später noch etwas anfangen. Oder aber natürlich, die Tür befindet sich in einem der dunklen Schatten, die nicht von den grünen Flammen erleuchtet werden. Oder Nergal teleportiert sich immer in diesen Raum hinein...

"Also hast du gar kein Interesse an mir, sondern hast es nur auf die Statue abgesehen? Ich muss zugeben, das verletzt mich jetzt etwas", versuchte ich so gelassen wie möglich, mit einer gespielten Verletztheit zu erwidern. "Oh, versteh mich bitte nicht falsch Splitter, ich habe durchaus ein Interesse an dir", wieder dieses Grinsen und diese spitzen Zähne. "Wie wärs, wenn du einfach dafür sorgst, dass die Statue zurückgelassen wird, wenn ihr das nächste Mal weiterzieht? Meine Diener werden sie dann schon finden und du musst dir deinen Kopf deswegen nicht mehr zerbrechen. Und du bist sehr gerne dazu eingeladen, mich hier in Heliopolis zu besuchen. Du könntest dich auch mir anschließen und ich erhebe dich in der Rangordnung direkt über alle Anderen. Nun, natürlich immer noch direkt unter mir versteht sich. Und ich kann dir Macht schenken, genügend, dass es niemand wagen wird, deine Position als meine rechte Hand anzuzweifeln. Und sollte doch jemand so dumm sein", er grinst wieder breit, "bin ich mir sicher, dass du dafür sorgen wirst, dass es das die letzte Tat war - abgesehen von den Schmerzensschreien natürlich. Das würde dir doch gefallen, oder?"

Ich zögerte mit meiner Antwort. Da war wieder dieses stark betonte oder... so schwer es mir auch fällt, es zuzugeben... er... er hat nicht ganz unrecht. Ich habe es die letzten Tage doch selbst an mir... in mir... gespürt... Eine kochende Wut, die bei jedem Kampf in aufstieg, ein brodelnder Zorn, mit dem ich meine Feinde quasi mit einem Fingerschnippen in Flammen aufgehen ließ. Und nur das Töten half, das zu beruhigen, was in mir schlummert, mein dämonisches Blut, das durch meine Adern fließt, abzukühlen. Es hilft kein Leugnen, es gefiel mir, als ich meinen ersten Blutfluch gegen den Riesenwolf einsetzte und er mit vor Angst aufgerissenen Augen kurz hilflos aufjaulte. Oder als ich den Speerkämpfer, der auch nur Befehlen folgt, um sein eigenes Leben und vermutlich das seiner Familie, zu retten, in Brand setzte und er panisch versuchte, die Flammen auszuschlagen. Oder als ich den Höllenhund abstach und spüren konnte, wie langsam sein Leben aus ihm wich. "Ich bin ein Monster", dachte ich, "ein Monster, das nur auf mehr Macht aus ist". Nergal hatte recht, ich will mehr Macht haben. Doch darf ich ihm das nicht zugestehen, ich kann mich nicht auf ihn einlassen. Es geht einfach nicht, weil...

"Du bist ein Dämon, eine Ausgeburt der Hölle! Natürlich überlasse ich dir ein magisches Artefakt einfach so und geh dann auch noch in deine Festung, in dem du mich dann hintergehen wirst und in deinen Kerker sperrst. Einer Ausgeburt der Hölle kann man nicht vertrauen." "Aber Splitter, wir sind doch quasi Verwandte und ich würde niemals meine Verwandtschaft hintergehen." Ich... ich soll mit ihm verwandt sein... "Ich sagte doch schon, ich kenne deinen Namen. Oh und ich kenne auch deine Mutter, ich war damals dabei, musst du wissen. Ich weiß auch, wer dein Vater ist - also, dein richtiger Vater." Ich musste ihn wohl offensichtlich mit großen Augen angestarrt haben, bei dieser Aussage, denn er lächelte wieder süffisant, "ich weiß über deine Herkunft Bescheid und ich bin sehr gerne bereit, mein Wissen mit dir zu teilen, wenn du das tust, worum ich dich gebeten habe."

"N-nein, einem Dämonen kann man nicht vertrauen", ich konnte nicht anders, meine Stimme zitterte und ich merkte selbst, wie unsicher ich mir mit meinen Worten bin. Nergal seufzte, "Ich seh schon, wir kommen hier nicht weiter. Was hältst du von folgendem Vorschlag: Ich gebe dir, hmmm sagen wir eine Woche Bedenkzeit, um über mein Angebot nachzudenken. Nach Ablauf der Woche werde ich mich wieder bei dir melden und wir unterhalten uns erneut. Ich verspreche dir auch, dass euch innerhalb der Woche keiner meiner Untergebenen angreifen wird." "Und... Wenn ich nach einer Woche mich wieder deinen Zugriffen entziehe?" "Nun, dann werde ich wohl ungemütlich werden müssen und härtere Maßnahmen aufziehen müssen." Sein ganzes Wesen änderte sich plötzlich. Vorher war er kühl und kalkulierend, jetzt wurde er finster und bedrohlich. Er zeigte wohl gerade sein wahres Gesicht, beziehungsweise zumindest einen Teil davon. Die grünen Flammen der Wandfackeln schrumpften, es wurde dunkler, während Nergal sich von seinem Stuhl hinter seinem Tisch erhob, sich aufrichtete und mich mit seinen leuchtend rot/orangen Augen anstarrte. Seine Stimme wurde ebenfalls dunkler, mit einem leichten Knurren und Grollen, das dabei mit bebte, "und glaub mir, Splitter, du willst nicht, dass ich ungemütlich werden muss! Und nun geh! Geh, und denk über mein Angebot nach!"

In Ignotis - Splitters TagebuchWhere stories live. Discover now