03.12 adriansmoon

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-tw character deaths

-angst

-no „happy end"


bokuaka - falling star


Bokutos Mutter hatte ihm früher erklärt, dass, wenn immer er eine Sternschuppe über den Nachthimmel blitzen sieht, die Toten vom Himmel herab auf ihn schauen und ihm damit zeigen wollen, dass sie über ihn wachen.

Sie weinen vor Freude oder vor Trauer, je nachdem wie das Leben des Menschen, über den sie wachen, verläuft. Ihre glitzernden Tränen sind dann das, was wir Sterbliche als Sternschnuppen mit hellem Schweif in der Dunkelheit erkennen.


Er hatte von anderen gehört, dass man sich etwas wünschen darf, wenn man eine entdeckt, aber er hatte sich das nie getraut.

War es nicht ziemlich unverschämt, sich etwas zu wünschen, wenn die im Himmel schon so nett waren, über einen zu wachen?


Einige Jahre später hatte er in der Schule gelernt, was Sternschnuppen wirklich sind; Gesteinsbrocken, die in die Erdatmosphäre eintreten und verglühen.


Zwar hatte diese Erkenntnis seine Begeisterung etwas gehemmt, aber trotzdem verzeichnete er sich jede Sternschnuppennacht im Kalender.

Seine Mutter schaute sich die Sternschnuppen jedes Mal aufs Neue mit ihm zusammen an und erzählte ihm währenddessen die verschiedensten Geschichten, die sie in ihrem bisherigen Leben so aufgeschnappt hatte. Er liebte diese Nächte.

Andere Eltern hätten das gar nicht erlaubt, schließlich war am nächsten Tag Schule, aber seine Mutter selbst genoss diese Zeit mindestens genauso sehr wie ihr Sohn.


Bokuto wünschte sich nie etwas, wenn er eine Sternschnuppe sah, aber wenn er einen Wunsch frei gehabt hätte, dann hätte er gewollt, dass diese Zeit nie zu Ende geht.


Aber das tat sie auf brutalste Weise.

Vom einen auf den anderen Tag veränderte sich Bokutos Leben schlagartig. Seine Mutter erlitt einen Schlaganfall.

Es war schrecklich.

Sein Vater war schon lange nicht mehr bei ihnen und so lebte der vierzehnjährige Bokuto allein mit seiner nun auf Hilfe angewiesenen Mutter.

Er tat sein bestes, er pflegte sie, half ihr wo auch immer er konnte und lernte zu kochen.


Er versuchte auch, ihr das Sprechen wieder beizubringen, aber große Fortschritte ließen lange auf sich warten.

Weil sie nicht nur mit Sprach- sondern auch mit Gedächtnisstörungen zu kämpfen hatte, war Bokuto nun derjenige, der bei ihren Sternschnuppennächten die Geschichten erzählte.


Sie setzten sich auf den Balkon, im Sommer mit einem Eis, im Winter mit einer dampfenden Tasse Tee und unzähligen dicken Wolldecken. Sie legten sich Seite an Seite auf den Boden und betrachteten den riesigen weiten Nachthimmel.

Bokuto erzählte seine Geschichten, meistens waren es nur zusammenhangslose Bruchteile von denen, die seine Mutter ihm damals geschildert hatte, aber das störte keinen der beiden.

Der Junge redete einfach so lange weiter, bis er das regelmäßige tiefe Atmen seiner Mutter neben sich hörte. Dann deckte er sie mit einer weiteren Decke zu und gab ihr einen Kuss auf die Stirn.

Er hatte jedes Mal, wenn sie einschlief, Angst, dass es das letzte Mal sein würde.


Wenn er sich nun etwas von den Leuten im Himmel wünschen würde, dann wahrscheinlich, dass seine Mutter wieder gesund wird.

Anime Kalender 2022Where stories live. Discover now