4. Kekse backen

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Am nächsten Morgen wachte ich so müde auf, als hätte ich kaum geschlafen.
Der Tag war dunkel und grau, fast so wie meine Laune.
Doch wenn ich ehrlich war, war ich nun fast über die gestrige Begegnung hinweg.
Es war doch klar gewesen, das ich Kalle irgendwann durch Zufall wiedertreffen würde und wenn ich es überdachte, war auch klar gewesen, dass er dann versuchen würde, mich von einer absoluten Wesensänderung zu überzeugen.

Dass dieser Zufall sein kleiner Bruder sein würde, der versuchte mein Fahrrad zu stehlen, hätte ich nicht erwartet, aber es kam wie es kam.

Ich hatte allerdings auch nicht erwartet, das Kalle Geschwister hatte, da er ja seit dem Tod seiner Eltern bei seinem Onkel lebte. Allerdings schloss sich ja beides nicht aus, da Kalles Eltern soweit ich mich an Deans Erzählung zurückerinnerte, gestorben waren, als Kalle 12 war und mehr als 12 Jahre waren die beiden sicherlich nicht auseinander gewesen, ganz im Gegenteil.

Theo sah eher aus, als wäre er selbst schon älter als 12, aber es viel mir schwer, ihn wirklich einzuschätzen, da er ähnlich wie sein Bruder in jungem Alter schon ziemlich groß war.

Endlich schob ich den Gedanken an Familie Karlsen beseite und fing nach dem Frühstück an, meine Unterlagen aus der Schule zu sortieren.
Unter der Woche hatte ich nun im letzten Schuljahr nicht mehr allzu viel Zeit, da zu dem vielen Unterricht auch noch viele Hausaufgaben und das Lernen kamen.

Der Gedanke daran, dass dies mein letztes Schuljahr war, war gruselig genug. Danach oder besser schon jetzt musste ich mich entschieden haben, was ich einmal machen wollte, womit ich möglichst den Rest meines arbeitsfähigen Lebens verbringen wollte und konnte und der Gedanke daran machte mir noch mehr Angst als Kalle.

Gegen Mittag kam ich zum Ende und nach dem Mittagessen lag ich schließlich auf dem Bett und grübelte. Mir war da noch ein ganz anderer Gedanken gekommen, der zum Problem werden könnte.
Was sollte ich Jonathan zu Weihnachten schenken?

Vor allem da Jonathan in den letzten Wochen bereits angedeutet hatte, dass er schon wusste, was er mir schenken würde.
Da würde ich in nächster Zeit definitiv die Augen offen halten müssen.

Ich drehte mich seufzend auf den Bauch und fühlte mich wie ein Walfisch. Das Mittagessen war zu viel gewesen, da ich mit meiner Mutter gerechnet hatte, diese aber kurzfristig abgesagt hatte. Und wenn ich ehrlich war, hatte ich danach aus Frust alles alleine gegessen.

Ich warf einen Blick auf die Uhr und rollte mich vom Bett. Ich hatte Pami versprochen heute vorbeizukommen, um mit ihr und Jonathan Kekse zu backen.
Vor dem Rausgehen zog ich erst einen warmen Pulli an und meine dicke Jacke darüber, sogar meine Mütze setzte ich auf, denn das Thermometer zeigte 3°C.

Bei Jonathan angekommen, schloss ich mein Fahrrad an. Mein Blick ruhte länger als gewöhnlich auf meinem Fahrradschloss, aber dieses Mal war ich sicher, dass es ganz zu war. Dann klingelte ich.
Die Tür flog auf und ein grüner Pulli mit etwas Pami flog mir entgegen.

Ich schob sie etwas von mir weg und sah, dass sie einen viel zu großen, giftgrünen Pulli mit Rentieraufdruck trug.
,,Jonathan wollte ihn nicht mehr", verkündigte sie stolz.
,,Das kann ich irgendwie verstehen", murmelte ich.

Ich machte einen Schritt über die Schwelle und schloss die Tür hinter mir.
In der Küche wartete Jonathan bereits auf uns. An seiner grauen Jacke klebte bereits Mehl. Dieses war augenscheinlich beim Holen aus dem Schrank auf ihn heruntergerieselt, denn seine braunen Haare besaßen ebenfalls weiße Strähnen.

Ich holte eine Tafel Schokolade und eine Packung Zucker aus meiner Umhängetasche und stellte sie neben das Mehl auf die Theke.
Daneben legte ich das Rezept, dass ich ausgedruckt hatte.
,,Schoko - Plätzchen", las Jonathan, ,,klingt gut."

Ich nickte. ,,Und eigentlich sind sie ganz einfach zu machen."
Den Teig rührte ich zusammen mit Pami an, während Jonathan die Schokolade schmolz. Dabei hatte er eigentlich nichts zu tun außer Warten und ich alle Hände voll zu tun damit zu rühren und gleichzeitig Pami davon abzuhalten, jetzt schon den ganzen Teig aus der Schüssel zu naschen.

Schließlich war die Schokolade geschmolzen und wir konnten sie untermischen.
Jonathan hielt Pami die Schüssel mit den Schokoladenresten hin und sie stürzte sich darauf wie ein hungriger Wolf.

Während sie mit dem Gesicht in der Schüssel abtauchte, hatten Jonathan und ich Zeit, aus dem Teig Kugeln zu formen, die Pami dann vorsichtig aufs Blech legte und gleich darauf mit der flachen Hand draufklatschte, um sie in die richtige Form zu bringen. Ich musste lächeln.

Mittlerweile war es draußen dunkel geworden und Jonathan, Pami und ich saßen um den Tisch herum und warteten bis die Zeit auf der Uhr über dem Ofen ablief.

Die einzigen Lichtquellen  im Raum waren der Ofen und ein kleines Teelicht auf dem Tisch.
Die Stimmung war schön, fast schon weihnachtlich, obwohl am Sonntag erst der zweite Advent war.

Als wir die Kekse aus dem Ofen holten, verbrannte Pami sich aus Gier die Finger und hüpfte zum Wasserhahn, um sie zu kühlen, während Jonathan und ich das Blech auf den befliesten Boden stellten, wo es keinen Schaden mehr anrichten konnte.

Dann setzten wir uns aufs Sofa um abzuwarten, bis die Plätzchen endlich abgekühlt waren.

Jonathan sagte als Erster wieder etwas, aber das war ja typisch für ihn.
,,Was hast du an Weihnachten vor, Liz?"
Er hatte seinen Arm um mich gelegt und seine Hand spielte mit meinen Haaren.

,,Weiß ich noch nicht. Wahrscheinlich nicht viel."
,,Willst du nicht mit uns zum Gottesdienst kommen?", fragte er.
Ich sah weiter geradeaus auf die Kerze, die auf dem Tisch ihr einsames Licht leuchtete.
,,Liz?"
,,Darüber haben wir doch schon geredet", seufzte ich.
,,Ich finde einfach nichts an Kirche und Religion und Gott und dem allen. Das ist einfach nicht meine Welt."

,,Aber wenigstens zu Weihnachten..."
Ich drückte sanft seine andere Hand, die auf meinem Schoß lag.
,,Lass uns schauen, ja? Vielleicht."

Das schien ihn fürs Erste zu beruhigen und ich war froh, denn ich wollte ihn nicht verletzen.

Als die Plätzchen schließlich abgekühlt waren, aßen wir. Mittendrin kamen Jonathans und Pamis Eltern heim und setzten sich zu uns und bevor ich nach Hause ging, packte mir ihre Mutter auch noch eine Packung Kekse ein, die ich dankbar annahm.
Wir waren zuhause noch nicht zum Plätzchen backen gekommen und wer wusste, ob es überhaupt etwas werden würde.

Zuhause angekommen war meine Mutter noch nicht zuhause. Ich kippte die Box in einen Teller und stellte ihn auf den Küchentisch.
Dann ging ich in mein Zimmer und fing an mich bettfertig zu machen.

WeihnachtswunderWhere stories live. Discover now