Sobald ich meine Augen aufschlage, denke ich nur an etwas. Oder jemanden. Neteyam.
Seine Geschwister hatten gesehen, wie wir uns vorgestern verabschiedet hatten und machten sich jetzt über mich lustig. Kiri empfand besonders Gefallen daran, mich Mle Sully zu nennen. So als wären wir überhaupt irgendwas. Irgendwas mehr wie Freunde.
Denn das sind wir ja. Wir sind Freunde.
Am liebsten, würde ich wieder in meiner Traumwelt verschwinden, aber meine Mutter würde sich sonst Sorgen um mich machen.
Was mir aber Sorgen bereitet, ist dass selbst meine Eltern von den Gerüchten um mich und Neteyam hörten und mich darauf ansprachen.
Natürlich äusserst euphorisch, da er ja der Thronfolger ist.
Gähnend reibe ich mir die Augen, steige aus meiner Schlafoase und fahre mir durch die Locken. Heute ist wieder Zeit zum Trainieren. Gestern hatte Neytiri ihren Söhnen verboten, zu viel Sport zu treiben - zur Erholung. Was verständlich ist, da Lo'ak Neteyam in die Schulter gebissen hatte. Hoffentlich entzündet sich das nicht. Hoffentlich sehe ich ihn heute nicht. Oder Morgen.
Er kann ruhig in meinem Kopf bleiben, denn ich träume seit längerem von ihm. Aber mir gegenüber stehen, da wäre mir nicht wohl.
"Mle mein Kind. Die Kinder des Toruk Makto erwarten dich. Beeile dich, mein Kind und mach dich hübsch!" Ruft meine Mutter aus der Nähe, als ich zu meinen Eltern stosse.
"Wieso sollte ich mich hübsch machen?" Erwidere ich entsetzt und ernte einen warnenden Blick meines Vaters, welcher sich von mir abwandte und stattdessen nur flüsterte, "Der Thronfolger hat Interesse an dir, sorge dafür, dass er dies nicht vergisst!"
Verstört blicke ich meinen Vater an und wasche mir anschliessend das Gesicht, in Hoffnung aus diesem Albtraum aufzuwachen. Als ich aber nichts als Kälte nach dem Wasser verspüre, erlischt mein Funken Hoffnung.
Schnell strecke ich mich und massiere meine Handgelenke und verabschiede mich rasch von meinen Eltern.
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"Lo'ak was genau meinst du? Deine Beschreibungen sind verwirrend. Zeig es mir doch einfach." Entgegne ich dem Jungen, nachdem er mir das Bogenschiessen erklärt, was aber schwer zu verstehen ist, mit seinem armseligen Vokabular. Gelangweilt steht er neben mich und deutet mir an, ihm den Pfeil und Bogen zu überreichen.
"Guck mal, bro. Zuerst ziehst du hier, dann spannt es da und dann triffst du. Mach es mir einfach nach." Erklärt er und gähnt dabei doppelt, was mich dazu bringt, ihn amüsiert zu beobachten. In Zeitlupe drückt er die Waffe in meine Hand und reibt sich das Auge, weshalb ich lachend meinen Kopf schüttele.
"Du bist der schlechteste Lehrer überhaupt." Kommt es von Neteyam, welcher sich in mein Blickfeld schleicht. Leicht lächele ich und versuche meinen Blick von seinen Augen zu entfernen, was sich als ausgesprochen schwer herausstellt.
Er scheint meinen Blick bemerkt zu haben und zwinkert mir frech zu. Kurz fragt er nach Erlaubnis mit einem kleinen, "darf ich?" und nimmt den Pfeil und Bogen sanft aus meinen Händen. Dabei senkt er seinen Kopf leicht, um mir direkt in die Augen sehen zu können und streicht mir für einen kurzen Moment über die Hand, bevor er die Waffe fest umpackt und auf einen Vogel zielt, welcher direkt zu Boden fällt.
"Super, Loverboy. Deine Schwester wird nicht erfreut sein, dass du dieses Leben umsonst beendet hast." Murmelt Lo'ak leise und schlurft anschliessend auf das tote Tier zu.
"Loverboy?" Frage ich witzelnd und grinse als Neteyam seine Augen verdreht.
"Hi." Flüstert er und lächelt mich neckend an, was ich mit einem "Hi." erwidere. "Wie geht's deiner Schulter, darf ich mal sehen?" Fahr ich fort und erhalte ein Nicken seinerseits. Langsam dreht er sich um, sodass ich einen kurzen Blick auf die Wunde werfen kann. Die Wunde verheilt hervorragend, könnte aber noch besser aussehen. Besorgt ergreife ich das Wort, "Wie geht's dir sonst? Hast du vielleicht Entzündungssymptome? Übelkeit? Schwindel? Fieber? Gleichgewichtsprobleme? Sinnesverluste?"
