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"Sei doch nicht so unhöflich, Tochter!" Gibt mein Vater entrüstet von sich, sobald wir die letzte Treppenstufe geschafft haben. Kopfschüttelnd laufe ich in meine Ecke, winke mit meiner Hand und zeige somit mein Interesse, an diesem Thema.

Kurz seufzt er auf, um sich anschliessend auf den Baumstamm zu setzen, welcher sich in meiner Oase befindet. "Du kannst Ihnen nicht ewig böse sein."

"Ich bin Ihnen nicht böse." Entgegne ich auf seine Behauptung und setze mich neben ihn, weshalb er seinen Arm um meine Schultern legt. Müde lehne ich mich an seine Brust und atme tief ein.

Es stimmt. Ich bin Ihnen nicht böse. Ich bin einfach nur unzufrieden mit mir selber und meinen Leistungen. Jedenfalls glaube ich das.

"Betest du mit mir, Dad?" Frage ich zögernd und schenke ihm einen dankbaren Blick, als er meine Frage bejaht. Gemeinsam platzieren wir uns, im Schneidersitz, auf dem Boden und schliessen gleichzeitig die Augen.

Das mache ich jeden Abend, seit Mutters Beerdigung. Es lässt mich besser Ruhe finden und meine Gedanken klären. Schlafen kann ich aber stets nicht.

Ich hoffe, mein Vater findet genug Schlaf. Er und Ma' teilten sich, im Gegensatz zu den anderen Na'vi, öfters eine Schlafoase. Eigentlich sind diese zu schmal für zwei Personen, aber sie schafften es immer.

Konzentriert spreche ich in Gedanken zu Eywa und Mutter, als ich aufschrecke, da ein lauter Knall ertönt. Mein Vater lässt ebenfalls seinen Fokus fallen und blickt hinter mich, weshalb ich es ihm gleich tue.

"Was machst du hier?" Zische ich Neteyam zu, welcher urplötzlich in meiner Unterkunft steht und sich das Knie reibt. Ist der etwa in den Baumstamm gelaufen?

"Mle! Wo sind denn deine Mannieren?!" Ruft mein Vater aus und zwickt mir in die Seite, weshalb ich meinen Kopf einziehe und entschuldigend auf den Boden blicke. "Neteyam, womit verdienen wir uns die Ehre, dass du uns mit deiner Anwesenheit beglückst?" Fährt mein Vater fort und lässt mich somit die Augen verdrehen.

"Ich dachte, ich komme mal vorbei. Ihre Tochter hatte ich bis vorhin, schon lange nicht mehr gesehen und wollte ihr daher Besuch erstatten." Erwidert Neteyam respektvoll und bringt mich dabei innerlich zur Weißglut. Er unterbricht also meine Gebete, um mir einen Besuch zu erstatten?!

Dass ich nicht lache.

"Oh, das ist doch lieb von dir! Ich lasse euch Beide dann mal alleine. Ruft, falls ihr etwas braucht!" Antwortet mein Vater und verschwindet dann, bevor ich protestieren kann.

Na toll.

Aufschnaubend kehre ich in meine Position zurück und versuche meine Aufmerksamkeit wieder auf das Beten zu lenken. Dies ist aber überaus schwer, wenn ich weiss, dass er wahrscheinlich wieder an meinen Gewürzschränken steht und alles auf den Kopf stellt.

Genervt öffne ich die Augen und entdecke ihn, tatsächlich, suchend bei meiner Theke. "Was zur Hölle machst du da?" Kommt es absichtlich forsch von mir, was ihn aufschrecken lässt, sodass er sich mit der Hand an die Brust fasst.

"Ich habe mir das Knie gestoßen und suche nach Salbei." Entgegnet er und lässt mich falsch auflachen.

"Wieso bitte Salbei?!" Gebe ich von mir, stehe hastig auf und laufe auf ihn zu. Salbei wirkt nicht gegen Schmerzen. Was ein Skxwang.

"Weil, ich mir das Knie-"

"Halt die Fresse! Ich habs verstanden, aber Salbei hilft dabei nicht. Zeig mal her." Zische ich ihm zu und blicke dann auf sein aufgeschürftes Knie, was ich jetzt noch verarzten muss.

Der Typ raubt mir noch den letzten Nerv.

Ohne, dass ich ihn auffordern muss, setzt er sich auf den Baumstamm und blickt still auf das Holz. Fluchend, suche ich meine Desinfektionsmittel zusammen und packe mir ebenfalls eine Portion der Pilze - im Falle, dass er Schmerzen hat.

Ich kann nicht fassen, dass er schon wieder hier sitzt und sich von mir verarzten lässt. Genau aus diesem Grund, will ich keine Kinder haben.

"Hast du Schmerzen?" Frage ich, während ich ihm ohne Vorwarnung, die Minze auf die Wunde presse und er schmerzerfüllt auf das Holz schlägt. 

"Jetzt schon." Entgegnet er witzelnd, was mich den Kopf schütteln lässt.

"Hör' auf verdammte Witze zu reissen und sag mir, ob du Schmerzmittel brauchst!" Antworte ich und erhebe drohend meine Hand. Kurz verneint er, woraufhin ich die Pilze wieder versorge und mir die Hände wasche.

Was ein Deja Vu.

"Und, wie geht's dir so?" Kommt es fragend von ihm, weshalb ich genervt die Augen schliesse.
"Klappe."

"Ok."

Der traut sich wirklich was. Und mein Vater wird morgen auch was zu hören bekommen. Heute bin ich zu müde, um mich auch noch mit ihm zu streiten.

"Ich vermisse dich." Sagt Neteyam leise und lässt mich hektisch Inne halten. Gib' nicht nach, Mle. Du hast so viel durchgemacht und niemand war für dich da.

Gib' nicht nach, sobald der erste Mitgefühl zeigt.

"Du kannst gehen, wir sind fertig." Kommt es von mir, womit ich ihm signalisieren will, dass es Zeit wäre, für ihn zu verschwinden. Mein Gesprächspartner nimmt meine Andeutung allerdings nicht wahr - oder ignoriert sie absichtlich - da er sich neben mich stellt und seufzend die Hände über das Gesicht fahren lässt.

"Ich will mit dir Reden, bitte. Es tut mir leid."

"Was tut dir leid? Was?!" Entfährt es mir, weshalb er verblüfft die Augenbrauen hebt. Schluckend ergreift er aber das Wort und reisst sich zusammen. "Alles. Mein Verhalten, meine Worte, meine Taten. Es tut mir leid, dass du das alles erleben musstest. Es tut mir leid, was mein Vater dir vorgeworfen hatte, es tut mir leid, dass ich nicht für dich da war."

"Neteyam. Mir reichts. Jedes Mal folgt eine Entschuldigung deinerseits, ohne jegliche Veränderung. Und jedes Mal hoffe ich darauf, dich endlich aus meinem beschissenem Kopf zu löschen - doch ich kriege es nicht hin! Ich sollte hier um meine Mutter trauern und zu Eywa beten, stattdessen verarzte ich dich, da du dem Ebenbild eines 4-Jährigen Kindes entsprichst!" Rufe ich aufgebracht aus und fahre mir währenddessen durch die Locken.

"Es tut mir leid-"

"Sei still, verdammt nochmal! Hör' auf dich zu entschuldigen!" Unterbreche ich ihn und sehe, wie er verzweifelt die Arme erhebt und sie hinter seinem Nacken festlegt, um sie anschliessend wieder nach vorne zu bringen. Beinahe lasse ich mich von seinen Armmuskeln ablenken, weshalb ich den Blick hastig abwende.

"Mle. Was kann ich tun, damit du mir verzeihst?" Erklingt seine ruhige Stimme nach kurzer Stille und verursacht auf meinem Körper eine Gänsehaut. Ich darf nicht so fühlen.

Mom ist tot. Und es ist meine Schuld. Ich darf nicht fühlen.

"Verschwinde!"

"Lüg' mich nicht an! Ich bleibe so lange hier, bis du mir sagst, was ich machen soll." Wispert er mir forsch zu und lehnt sich dabei leicht zu mir runter.

Stockend sehe ich ihm direkt in die Augen und verdränge das Bedürfnis, mich gegen ihn zu pressen. Als sich aber seine Augen auf meinen Mund fokussieren, kann ich nicht anders und schliesse die Lücke zwischen unseren Lippen.

AVATAR - What is this weird feeling? (Neteyam×oc)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt