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Wie bereits vermutet, konnte ich die letzten Nächte kein Auge zudrücken. Ich meine, es war vollkommen vorhersehbar, aber irgendwie hatte ich doch Hoffnung gehabt.

Jedenfalls verbrachte ich die Tage damit, an den Kriegskleidern weiter zu arbeiten, Kinder zu trainieren oder mich sonstig abzulenken.
Wie dies ohne Schlaf möglich war, ist mir auch unklar.

Der Regen hatte abgenommen. Man könnte meinen, dieser trat ein, weil meine Mutter uns verließ - aber so funktioniert das Leben nicht.

Wäre das Leben wirklich so märchenhaft, dann wäre sie jetzt neben mir und würde mich auffordern, mir meine Hände zu verbinden, da diese beinahe komplett aufgeschürft sind.

Hör' auf an sie zu denken, Mle.

"Hast du Hunger?" Reisst mich die Stimme meines Vaters aus den Gedanken. "Nein." Antworte ich und ernte dafür einen entnervten Blick seinerseits.

"Nein? Du hast die letzten Tage nichts mehr gegessen, Mle."

Zur Entgegnung zucke ich mit den Schultern und wende mich ab.

"Wie dem auch sei, gehe ich jetzt Essen holen. Bleib bitte hier, ich will mir keine Sorgen um dich machen müssen."
Fährt mein Vater fort und lässt mich somit erschrocken zu ihm blicken.

"Nein! Ich gehe. Bleib du hier." Erwidere ich hastig und laufe los, bevor er mich aufhalten kann.

Ich will nicht, dass er geht. Sonst verlässt er mich, genauso wie Mom. Doch dieses Mal, würde ihn niemand vor meine Nase stellen. Zuerst würde er nicht auftauchen, dann würde ich mir Sorgen machen und schliesslich seinen leblosen Körper vor der Treppe, oder sonst irgendwo in diesem verdammt grossen Dorf vorfinden.

Kurz überlege ich, was Dad am liebsten isst. Ich glaube, das waren die Gelbfrüchte. Hoffentlich finde ich noch welche, diese sind nämlich sehr beliebt und blühen nur Mittags.

Und da wir beinahe Abend haben, wäre es gut möglich, dass ich mich nach anderen Mahlzeiten umsehen müsste.

Geduldig begebe ich mich zu den Sträuchen und erkenne eine Frucht am anderen Ende des Baumes. Die Arme ausstreckend, greife ich danach und übersehe dabei, wie eine andere Hand ebenfalls nach der Frucht greift.

Diese ist um einiges schneller wie ich, packt sich das Obst, weshalb ich verärgert meinen Blick zu der Person fahren und stockend meine genervte Visage fallen, lasse.

Neteyam starrt mir ebenfalls leicht überfordert zurück und schluckt schwer, als er bemerkt, dass er mir die Mahlzeit aus den Händen gezogen hatte. "Ähm- hier, nimm' du." Entgegnet er stotternd und drückt mir die Frucht in die Hand, welche ich, ohne mich zu bedanken, annehme.

Gerade als ich mich umdrehen will, hält er meinen Arm fest und bringt mich somit zum Inne halten.

"W-wie geht's dir?" Fragt er unsicher und lässt seine Hand von meinem Arm gleiten.
Zögernd antworte ich, "Ich bin okay. Hab' Hunger."
Kurz nickt er und bringt somit Stille zwischen uns.

"Iss doch mit uns? Wir haben mehr wie genug Essen zu Hause, kannst auch gerne deinen Vater mitbringen - meine Eltern wären sicherlich erfreut." Fährt er fort und sucht dabei nach meinem Blick, während ich dem seinem gekonnt ausweiche.

"Nein, danke. Ich hab jetzt ja auch etwas zu essen gefunden." Erwidere ich und erhebe dabei meine Hand, um die Mahlzeit zu präsentieren, welche er mir gegeben hatte.

"Oh. Na dann, man sieht sich! Ein Guten, wünsch' ich euch!" Ruft er mir nach, während ich mich bereits abgewendet und den Weg nach Hause begonnen hatte. Er sah echt gut aus.

Seine Muskelmasse hatte erneut zugenommen und die Gesichtszüge wirkten älter, männlicher. Doch dieses kleine Aufeinandertreffen, wird mich wohl kaum dazu aufbringen, mit ihnen zu Essen.
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Wisst ihr noch, als ich sagte, dass ich keines Falls mein Abendmahl mit den Sullys verbringen werde? Ja - ich hab die Rechnung ohne meinen Vater gemacht. Dieser war nämlich begeistert von der Idee und dachte, es würde unsere Familien wieder zusammenbringen.

Schliesslich hatte er für kurze Zeit in Jake einen Freund gefunden und freute sich, mit den anderen zu Essen.

Ich hingegen, sitze nur da und nippe an meinem Wasser. Ein Gespräch hatte sich bisher nur zwischen Dad und Jake gebildet, die Kinder brachten kein Wort heraus.

Bei meiner Ankunft setzte sich Tuk neben mich und empfing mich mit offenen Armen. Sie war die einzige der ganzen Runde, welche ich ohne nachzudenken, begrüßen konnte.

Lo'ak lächelt mir ab und zu zu, was ich zwar versuche zu erwidern, aber schlussendlich dann doch belasse. Kiri und Neteyam essen nur ihr Mahl und bleiben bei der Ruhe, was mir gerecht war.

"Also, Mle. Wie läuft das Training?" Kommt es von Neytiri, weshalb Lo'ak leicht schmunzeln muss und seinen Blick erneut in meine Richtung lenkt.

"Ganz in Ordnung, die Kinder sind nicht leicht zu bändigen - aber im grossen Ganzen, lernen sie schnell und effizient." Antworte ich und spüre, wie auch die anderen ihre Augen zu mir schwenken.

"Ja, oder? Vor allem, der eine- wie heisst der nochmal? Erike? Nein- nicht so-" Bringt sich Lo'ak in die Unterhaltung ein und lässt mich wissend Nicken.

"Erey. Erey ist sein Name. Ja, vor allem er ist ein aufwendiger Bursche. Aber damit komme ich schon klar." Erwidere ich und sehe, wie sich Lo'ak an meiner Antwort erfreut. "Erey! Genau!"

"Was ist mit dem?" Fragt jetzt auch Neteyam und sieht angespannt zu mir, weshalb Lo'ak ihm antwortet. "Bro, das ist so ein kleiner Knirps. Höchstens 7 Jahre alt. Chill' mal ne Runde."

Ertapp, verpasst Neteyam seinem Bruder einen Schlag auf den Nacken und sieht anschliessend prüfend zu mir, als würde er wissen wollen, wie ich auf sein Verhalten reagiere.

Unbeirrt nehme ich einen Schluck von meinem Wasser und presse meine Lippen zu einer Linie. Kiri kichert leise vor sich hin, woraufhin Neteyam ihr warnend den Finger entgegenstreckt und anschliessend sein Mahl weiter bearbeitet, als wäre nichts geschehen.

Peinlich.

"Also, ich denke, wir gehen langsam wieder heim. Wir sind euch sehr dankbar für die Einladung! Gute Nacht, euch allen!" Unterbricht mein Vater die Stille und lässt mich meine Erleichterung verbergen.

"Das ist doch selbstverständlich. Ihr seid immer willkommen!" Antwortet Jake und lässt mich kurz falsch auflachen, wobei ich hoffe, dass es niemanden aufgefallen ist.

Immer willkommen? Bis vor ein paar Wochen, sah das aber ganz anders aus.

Ein letztes Mal blicke ich auf die Familie zurück, winke dabei den Kindern zu und ignoriere extra die Eltern.

Ihr könnt mich mal.

AVATAR - What is this weird feeling? (Neteyam×oc)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt