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Also, ich fasse das Ganze mal zusammen. Er küsst mich, deutet mir an, er würde mehr wollen und zieht sich dann zurück wie eine jämmerliche Memme.

Seit fünf Minuten sitze ich nun auf dem Baumstamm und beäuge, wie er meine Kräuter wäscht. Offensichtlich versteht er nicht, dass er sich genauso verhält, wie er mein Verhalten beschreibt.

Denn er war es, der mich aufhielt. Und anstatt Mann zu sein, wendet er sich von mir ab und findet plötzlich Gefallen an stinknormalen Pflanzen.

Da mein Ego verletzt ist - und meine Kräuter bereits behandelt werden - bin ich zum Entschluss gekommen, hier hocken zu bleiben und auf die Eigeninitiative eines Schissers zu warten.

Ich frage mich, ob er weiss, dass meine Eltern bald nach Hause kommen könnten. Ausserdem frage ich mich, ob seine Eltern wissen, dass er sich bei dem Familienfeind - nun, ich und sein Vater sind sozusagen Feinde geworden - aufhält. Und nicht nur das, nein. Er hält sich nicht nur bei mir auf, sondern beinahe in mir.

Nun denn, darüber werde ich schon hinwegkommen. Glaube ich jedenfalls.

Was mich aber wirklich stutzig macht, ist, dass er wortwörtlich davon träumte aber es nicht hinter sich brachte.
Was ein Frauenheld.

Genervt verschränke ich die Arme.

Zieht daraus aber keine falschen Schlüsse; ich bin nicht wütend, weil wir es nicht taten. Wohl eher verärgert es mich, dass er jetzt nicht mal mehr in meine Richtung sehen kann.

Empört lache ich falsch auf, als sich Casanova dazu entschließt, die Kräuter auszulegen. So als hätte er irgendeine Ahnung, was er da tut.
Ich werde nicht aufstehen.

Obwohl er wahrscheinlich alle meine heutigen Funde verschwendet oder unverwendbar macht.

Hibbelig wippe ich mein Bein hoch und runter, während der möchtegern Charismatiker unwissend in den Gewürzen wühlt. Als er beinahe einen der Behälter umschmeisst, richte ich mich auf und laufe in seine Richtung, weshalb er leise eine Entschuldigung vor sich hin murmelt.

"Für was?! Für was entschuldigst du dich?" Rufe ich aus und fluche auf, als ich erkenne, welch' eine Sauerei er verursacht hatte. Schluckend tretet er einen Schritt zur Seite und räuspert sich kurz, was mich denken lässt, dass er das Wort ergreifen wird.

Tja, falsch gedacht. Vielleicht erwarte ich auch zu viel von ihm. Hatte eigentlich immer das Gefühl, er wäre reif genug dazu. Reif genug, um seine gottserbärmliche Meinung zu äussern.

Still beobachtet er, wie ich die Kräuter abtupfe und schliesslich schneide. "Willst du nichts sagen?" Wiederhole ich und breite die nächste Portion Kräuter aus.

"Worüber?" Fragt er unwissend, was mich zur Weißglut bringt.

"Hör mal zu, Gigolo. Wenn du nichts zu sagen hast, dann besitzt du weniger Frauenkenntnisse, wie ein Neugeborenes. Welches, nebenbei betrachtet, schonmal eine Brust zu Gesicht bekommen hat." Sage ich hartnäckig und fokussiere mich auf die Blätter.

"Ich-" Fängt er an und bricht dann erneut ab. "Ich war überfordert. Nimm' das nicht persönlich, aber wie wäre es, wenn wir es langsamer angehen?"

Blinzelnd drehe ich mich zu ihm um. "Sagt der derjenige, der bei mir zuhause aufkreuzt und über mich herfällt?" Entgegne ich und lasse ihn dadurch die Hände über das Gesicht fahren.

"Hör' auf die Schuld auf mich zu schieben! Guck mal, wenigstens mache ich mir die Mühe und versuche, dich an meine Seite zu gewinnen-"

"Dein Vater hat mir den Kontakt zu euch verboten! Wie soll das überhaupt funktionieren?" Unterbreche ich ihn und blicke wieder zu meinen Kräutern.
"Lass' das meine Sorge sein." Gibt er Schulter zuckend von sich.

"Deine Sorge?! Neteyam. Ich weiss nicht, wer dir ins Gehirn geschissen hat, aber ich werde keine heimliche Beziehung führen!"

"Beziehung?" Erwidert er lässig und lässt mich meinen Blick heben und verletzt zu ihm sehen. Ahnungslos verzieht er das Gesicht und bringt mich dazu, die Augen zu schließen.

"Raus mit dir, Neteyam."

"Was? Aber-"

"Verschwinde." Zische ich ihm zu und halte meine Tränen zurück. Was bin ich denn für ihn? Ich verstehe gar nichts mehr.

"Nein. Was hab ich jetzt schon wieder gemacht?"

"Nichts! Das ist der Punkt! Du machst nichts! Sagst nichts, tust nichts und denkst, wir wären nichts! Was sind wir denn? Wie stellst du dir uns vor? Weisst du was, ich will es nicht hören. Belästige mich nicht und geh." Sage ich und knirsche dabei mit meinen Zähnen.

Beunruhigt merke ich, wie sich eine Träne durch meine Wimpern bahnt und meine Wange entlang läuft. Genervt wische ich diese weg und hoffe inständig, er bemerkt es nicht.

"Du willst wissen, was wir sind?! Ich hab keinen blassen Schimmer. Ich weiss nur, dass ich an nichts anderes mehr denken kann. Du bist in meinem Kopf und blendest mein Urteilsvermögen, meine Balance, mein Familienverhältnis. Die ganze Zeit will ich in deine Nähe, deine Hände auf mir spüren, dich spüren. Du weisst nicht, was du mit mir anstellst. Mit meinem Kopf, meinem Herzen, meinem Körper. Ich verzweifle jedes Mal, wenn du auch nur in die Richtung Lo'aks siehst. Denn auch nur der Gedanke, dich in den Armen eines anderen zu sehen, vergiftet mich." Ruft er aus und schlägt dabei auf das Holzbrett vor mir.

"Und du tust so, als würdest du meine Blicke auf dir nicht spüren. Du machst mich fertig, Mle. Mit deiner Art, deinem Temperament, deinem Körper. Denkst du tatsächlich, ich wusste damals nicht, wie alt du warst? Ich wusste es schon immer. Denn mein Blick wich niemals von dir."

Mit geweiteten Augen sehe ich ihn an und will etwas erwidern, als er mir andeutet, er sei nicht fertig.

"Ich hatte dich schon immer im Auge, im Kopf. Doch ich wusste nicht, wie ich dich erreichen kann. Ich traute mich nicht, dir in die Nähe zu treten, denn dein freches Mundwerk machte mir schon immer Angst. Ich bin nicht Lo'ak. Ich weiss nicht, wie ich auf deine Sticheleien antworten kann. Ich weiss nicht, wie ich mich verhalten soll, wenn du anwesend bist. Du ziehst mich in deinen Bann, seit Jahren schon. Was denkst du, wieso meine Mutter dich plötzlich zum Training schicken wollte? Ich wollte es so. Denn mir war bewusst, dass ich dich nur dadurch in meiner Nähe haben konnte. Und am ersten Trainingstag? Da besass ich nicht die Eier dazu, dich von anfang an zu unterrichten."

"Neteyam."

"Auch das macht mich kaputt. Alleine schon wie du meinen Namen sagst, bringt mich zum durchdrehen. Das was ich für dich empfinde, ist unbeschreiblich und so schrill, dass mich unsere Unterhaltungen und Berührungen minutiös dazu veranlassen, meinen Verstand zu verlieren. Und ich werde auch weiterhin deinen Schritten folgen, auch wenn das bedeutet, dass ich mich stets vergesse. Denn ich sehe deine Schönheit, deine Weisheit, deine Art, ich- ich sehe dich."

Überwältigt sehe ich in seine gekränkten Augen und verarbeite, was er gerade von sich gegeben hatte.

"Ich- ich weiss nicht, was ich sagen soll." Entgegne ich, während er seufzt und sich langsam von mir entfernt. "Neteyam. Neteyam, warte!" Rufe ich ihm nach, als er mit gesenktem Kopf an mir vorbei strömt.

Genau in diesem Moment treten meine Eltern in die Unterkunft und blicken verwirrt den Jungen an, welcher seinen Ikran herbeiruft und, ohne zu zögern, losfliegt.

AVATAR - What is this weird feeling? (Neteyam×oc)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt