3. Kapitel

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Atmen.
Elaine, du musst atmen.

Immer wieder wiederhole ich diesen Satz in meinem Kopf, bis mir mein Körper endlich gehorcht und sich meine Lunge stockend mit Luft füllt.

Der neue Sauerstoff führt leider nicht dazu, dass ich besser in der Lage bin zu denken. Der Typ vor mir bringt mich völlig aus dem Konzept.

Seine skeptisch zusammengekniffenen Augen wandern über meinen Körper. Es fühlt sich an, als würde sein Blick sich wie ein Laserstrahl durch meine Kleidung brennen und meine Haut zum Glühen bringen.
Wie schafft er das nur?

Ich presse meine Lippen zusammen und mustere ihn ebenfalls. Er scheint nur ein paar Jahre älter als ich zu sein. Seine braunen Haare fallen ihm leicht in die Stirn, ein leichter Bart umgrenzt sein markantes Kinn.

Er trägt ein helles, einfarbiges Oberteil aus Leinen, dass viel zu viel von seiner durchtrainierten Brust blicken lässt.
Das flackernde Feuer wirft Schatten auf sein Schlüsselbein und ich bekomme das Bedürfnis, ihm das Oberteil nach oben zu ziehen. Vielleicht kann ich dann wieder besser denken, wenn ich nicht so viel von seiner nackten Haut sehe.
Es sollte verboten sein, so gut auszusehen.

Mein Gegenüber scheint damit fertig zu sein, meine skurrile Kleidung zu mustern, da seine Augen sich jetzt an mein Gesicht heften. Sofort schießt mir das Blut hinein und ich bete, dass er aufgrund der dunklen Lichtverhältnisse nicht sieht, dass ich glühe wie eine Tomate.

Es ist mir unangenehm, so hilflos vor ihm zu stehen. Nervös stecke ich die Hände in meine Kitteltasche und spiele mit den Sachen herum, die sich darin befinden.

„Von woher kommst du?"

Seine Stimme klingt warm und rau, aber ich kann auch Verunsicherung daraus erkennen. Was in seiner Situation völlig verständlich ist, ich wäre an seiner Stelle vermutlich einfach rückwärts umgekippt.

„Von...weit weg." Ich räuspere mich, damit ich mehr als ein leises Krächzen über die Lippen bringe. Es ist vermutlich keine gute Idee, ihm direkt zu sagen, dass ich scheinbar aus der Zukunft komme. Mir brennt es unter den Nägeln ihn zu fragen, in welchem Jahr ich mich überhaupt befinde. Aber auch das ist für den Anfang eine sehr bedenkliche Frage, die ich deswegen auf später schiebe.

„Und was kann ich für dich tun?" Er verschränkt die Arme vor seiner Brust und geht damit in eine Abwehrhaltung, die mich irgendwie mehr trifft, als ich zugeben möchte.

Hastig streiche ich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht, nehme all meinem Mut zusammen und sehe ihm fest in seine dunklen Augen.

„Ich brauche einen Platz zum Schlafen und neue Kleidung."

Ein amüsierter Ausdruck zuckt kurz über sein Gesicht und er zieht eine Augenbraue nach oben.
„Sehe ich aus wie ein Gasthaus oder Schneider?"

Mit diesem Satz schafft er es, all meine Hoffnung zu zertrümmern, dass ich hier wirklich Hilfe bekommen würde.
Ich ärgere mich darüber, überhaupt so naiv gewesen zu sein und diese Kneipe betreten zu haben. Warum habe ich mich nicht einfach in einer einsamen Gasse versteckt und darauf gewartet, dass ich wieder zurück in meine Zeit komme? Oder dass mich irgendein betrunkener Kerl überfällt und dann hat sich sowieso alles erledigt?

Siedendheiß fällt mir ein, dass ich wahrscheinlich gar nicht so einfach wieder zurück komme. Wenn die Ursache für meine ungewollte Zeitreise wirklich die Explosion war, die ich durch das Zusammenmischen von zwei Substanzen herbeigeführt habe, habe ich ein sehr großes Problem.
Ich weiß nämlich nicht, was ich da zusammengemischt habe.

Mir schießen Tränen in die Augen und ich schäme mich dafür. Aber ich kann sie nicht mehr zurückhalten, sodass sie über meine Wangen laufen. Ich schmecke ihren salzigen Geschmack auf den Lippen.

Black TimeWhere stories live. Discover now