6. Kapitel

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Frustriert stelle ich fest, dass nicht die anstehende Befragung nach dem Frühstück das Problem sein wird, sondern meine Kleidung.

Ich stehe nur noch in Unterhose und BH vor meinem Bett und starre das Kleid an, was ich ordentlich darauf ausgebreitet habe. Dabei warte ich auf ein Wunder, dass es sich wie von selbst in die Luft erhebt und um meinen Körper schwingt.

Überfordert hebe ich es hoch und drehe es unschlüssig in der Luft. Zum Glück hat es kein Korsett zum Schnüren, sondern nur einen einfachen Ausschnitt. Es ist braun, an den langen Ärmeln sind hellere Enden und auch der Rock ist zweifarbig. Es dauert etwas, bis ich verstehe, dass der helle Stoff zu einem Unterkleid gehört.

Umständlich fummle ich die beiden Kleider auseinander und ziehe mir dann als erstes das Unterkleid über. Prüfend positioniere ich es so über meiner Brust, dass der BH bedeckt ist. Ich weiß, dass ich ihn eigentlich ausziehen müsste, aber der Gedanke widerstrebt mir. In Kleidern fühle ich mich generell nicht wohl. Ich komme mir darin immer nackt vor, sobald ich kalte Luft an meinen Beinen oder dem Dekolleté spüre. Daher ist der BH eine kleine Sicherheit für mich und es ist irgendwie auch eine Angewohnheit, einen zu tragen, sobald man die Wohnung verlässt und unter andere Menschen tritt.

Der Stoff des Kleides ist fein verarbeitet und kratzt kein bisschen. Er schmiegt sich an meine Haut, als hätte er schon immer dahin gehört. Es wundert mich, dass mir die Größe so gut passt. Den Gedanken, von wem das Kleid eigentlich ist, schiebe ich in meinem Kopf ganz nach hinten.

Zwar ist es selbsterklärend, dass Adam nicht in Kleidern herumrennt. Aber es kann ja auch von einer Bediensteten, seiner Schwester oder einer Bekannten stammen. Es muss ja nicht unbedingt von seiner Frau sein. Er hat schließlich auch keinen Ring getragen.

Ich runzle meine Stirn. Hat man in dieser Zeit überhaupt schon Eheringe getragen? Ich hätte damals in Geschichte eindeutig mehr aufpassen müssen. Dann könnte ich vielleicht sogar anhand von dem Kleidungsstil oder der Architektur ausmachen, in welchem Jahr ich mich befinde. Aktuell habe ich leider keinen Anhaltspunkt, um das Zeitalter richtig einordnen zu können. 

Seufzend nehme ich das andere Kleid in die Hand und ziehe es mir umständlich über. Es sitzt komplett schief und ich zupfe ungeduldig daran herum, bis es einigermaßen sitzt. Zumindest hoffe ich es, da ich keinen Spiegel habe, in dem ich mein Werk begutachten kann.

Aus Mangel an Alternativen schlüpfe ich wieder in meine Turnschuhe, um nicht auf nackten Füßen durch das Haus laufen zu müssen. Ein bisschen traurig klopfe ich den gröbsten, angetrockneten Dreck von den Schuhen. Immerhin haben sie sich farblich an die aktuelle Zeit angepasst, da die weiße, neue Farbe einem schlammigen Braunton gewichen ist.

Bevor ich das Zimmer verlasse, fahre ich mir mit den Fingern durch meine Haare, um die gröbsten Knoten zu entfernen. Danach fühle ich mich einigermaßen vorzeigbar.

Ein letztes Mal atme ich tief durch, dann öffne ich die Tür und blicke direkt auf eine steile, enge Treppe aus Holz. Meine Hochachtung vor Adam steigt gewaltig und ich frage mich, wie er es geschafft hat, mich hier nach oben unter das Dach zu bekommen, ohne uns beiden das Genick zu brechen.

Die Holzstufe knarzt leicht, als ich meinen Fuß daraufsetze. Ich halte mich mit der rechten Hand an der Wand fest, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Mit der linken halte ich den Stoff meines Kleides hoch, um mich nicht darin zu verheddern und diese Treppe hinunterzustürzen. Links neben mir befindet sich ein schlichtes, hölzernes Treppengeländer, dessen Handlauf schon abgenutzt aussieht. 

Angespannt steige ich eine Stufe nach der anderen hinab. Nach einem Treppenabsatz werden die Stufen etwas breiter. Kurz blicke ich mich vom Flur aus in der anderen Etage um, kann außer geschlossenen Zimmertüren aber nichts erkennen. Es fällt nur durch ein kleines Fenster an der Treppe etwas Licht herein, sodass ich ausmachen kann, dass der Fußboden aus einfachem Holz ist.

Black TimeWhere stories live. Discover now