8. Kapitel

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Meine Kehle ist staubtrocken, während in meinem Kopf das reinste Chaos herrscht.

Ich kann keinen klaren Gedanken fassen, ich weiß nicht, auf was ich mich als erstes konzentrieren soll.

Alles in mir schreit danach, von hier zu verschwinden. Möglichst viel Abstand zwischen mich und die infizierten Menschen zu bringen, um mich selbst zu retten. Dann aber fällt mir ein, dass ich im Dorf bestimmt schon ganz vielen anderen erkrankten Menschen begegnet bin, es nur nicht gemerkt habe. Jetzt würden sie mir wahrscheinlich auffallen. Aber vorhin habe ich nicht darauf geachtet, sondern mich richtig sicher gefühlt. Wie naiv ich doch war.

Gleichzeitig möchte ich Adam von den Kranken wegziehen, weil ich nicht möchte, dass er sich selbst gefährdet.

Und dann brennt sich der Stacheldraht immer tiefer in meine Gedanken ein. Er hat hier nichts zu suchen, da bin ich mir inzwischen sehr sicher. Warum ist er also quer über den Weg gespannt? Entweder wussten die Menschen in dieser Zeit noch nicht, dass sie einen Stacheldraht erst einige hundert Jahre später erfinden dürfen, oder aber ich bin nicht die einzige Person aus der Zukunft, die hier gestrandet ist.

Diese Möglichkeit beschleunigt sofort meinen Herzschlag. Aus irgendeinem Grund wittere ich die Hoffnung, dass es vielleicht doch eine Chance geben wird, dass ich zurück nach Hause kann. Wenn ich kein Einzelfall bin, dem dieser Zeitsprung passiert ist, könnte es eine Erklärung dafür geben. Oder ich spinne mir hier gerade etwas zusammen und schmeiße alles durcheinander.

Ich weiß es nicht. Ich weiß absolut nicht mehr, was ich noch glauben soll.

Ich muss meine Gedanken sortieren und eine Sache nach der anderen angehen. Und dabei sollte ich mit Adam anfangen.

Stolz auf mich selbst, da ich nun endlich weiß, was ich tun kann, mache ich einen Schritt auf die mit der Pest infizierten Menschen zu.

„Adam!" Meine Stimme klingt fester, als ich es mir in dieser Situation zugetraut habe. Der Angesprochene zuckt zusammen und fährt zu mir herum. Noch immer hält er den Becher mit Wasser in der Hand. Durch die ruckartige Bewegung schwappt etwas von der kostbaren Flüssigkeit über den Rand und läuft ihm über die Haut.

Seine Augen weiten sich, als er mich erkennt und er stellt sich gerade hin.

„Elaine!" Erschrocken stößt er meinen Namen aus und ich kann sehen, wie die Farbe aus seinem Gesicht weicht, als würde er gerade einen Geist sehen. Ich scheine ihn komplett auf dem falschen Fuß erwischt zu haben. Anders kann ich mir seine Reaktion nicht erklären.

„Was machst du hier?" Langsam kommt er auf mich zu. Den Becher hält er weiter in der Hand, er umgreift ihn so fest, dass seine Knöchel weiß durch die Haut hindurchschimmern. Den Korb mit Brot hat er bei den Kranken stehen gelassen.

Provokant ziehe ich meine Augenbrauen nach oben und zeige auf den Becher in seiner Hand. „Das Gleiche könnte ich dich fragen."

Adam folgt meinem Blick und drückt den Becher schnell einem kleinen Jungen in die Hand, der sich dankbar daran festklammert. Dann stellt sich Adam vor mich und packt mich an den Schultern.

Sofort schießt mir durch den Kopf, wie viele Bakterien und Keime er gerade auf mir verteilt und wie dumm es ist, jetzt von ihm berührt zu werden. Aber er gibt mir durch diese Berührung gerade ein bisschen Halt, ich spüre erst jetzt, wie stark meine Knie zittern. Ich dachte erst, mein Zeitsprung in die Vergangenheit würde mich überfordern. Aber das war nichts im Vergleich zu jetzt, wo ich weiß, wo ich wirklich gelandet bin.

„Es ist verboten hier zu sein!" Aufgebracht herrscht Adam mich an und sieht mich aus funkelnden Augen an. Störrisch erwidere ich seinen Blick und versuche, weiter stark zu wirken. Und so, als würde ich wissen, was ich hier überhaupt tue. Manchmal muss man sich ja nur gut verkaufen und selbstbewusst wirken, dann wird es einem geglaubt.

Black TimeWhere stories live. Discover now