14. Kapitel

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Am nächsten Morgen werde ich von Sonnenstrahlen wach, die mich an der Nase kitzeln.

Verwirrt öffne ich meine Augen und stelle fest, dass es nicht die Sonnenstrahlen sind, die mich kitzeln, sondern der Zipfel meiner Decke, der nach oben gerutscht ist. Langsam ziehe ich die Decke nach unten und blicke auf die andere Seite des Bettes. Es ist leer.

Enttäuschung macht sich in mir breit, weil ich die kitschig romantische Hoffnung hatte, neben Adam aufzuwachen und in seine verschlafenen Augen sehen zu können. Stattdessen liegt neben mir nur der alte Lappen, den er gestern noch auf seiner Nase liegen hatte.

Seufzend schlage ich die Decke vollständig zurück und setze mich auf. Meine dunklen Haare stehen mir wirr um den Kopf herum und ich erinnere mich selbst an ein Vogelnest. Vielleicht ist es gar nicht schlecht, wenn Adam mich so nicht sieht. Aber wo ist er schon wieder?

Er hat ein grandioses Talent dafür, an jedem Morgen ohne Ankündigung zu verschwinden.

Mit tapsigen Schritten stehe ich auf und verlasse sein Zimmer. Da es in dieser Etage sehr still ist, laufe ich barfuß die Treppe nach unten.

Ein kalter Lufthauch streift meine nackten Beine und ich ziehe leicht fröstelnd das dünne Kleid enger um meinen Körper. Aus der Küche höre ich klappernde Geräusche und atme erleichtert auf, als ich Maria auf der Arbeitsplatte rumhantieren sehe.

Sie hat ihre lockigen Haare locker mit einem Band nach oben gebunden, aus dem sich mittlerweile aber schon einige Strähnen gelöst haben und lustig um ihren Kopf herumhüpfen. Sie steht mit dem Rücken zu mir und scheint mich noch nicht bemerkt zu haben.

Ich sehe mich etwas ratlos um, kann aber keinen Hinweis darauf entdecken, wo sich Adam aufhalten könnte. Daher widme ich ihr wieder meine Aufmerksamkeit.

„Guten Morgen", wünsche ich und bete dabei innerlich, dass sie mich in der letzten Nacht nicht bemerkt hat, wie ich an ihrer Zimmertür stand. Es ist schon unangenehm genug, wenn sie weiß, dass ich im Bett ihres Bruders geschlafen habe.

Maria dreht sich mit einem freundlichen Lächeln zu mir um. „Schon ausgeschlafen?" Besorgnis schwingt in ihrem Blick mit und ich nicke hastig, um nicht über gestern Abend reden zu müssen.

„Ja ich habe gut geschlafen." Den Grund dafür verschweige ich ihr lieber, da ich ihr nicht direkt auf die Nase binden will, dass es an Adam lag, dass ich überhaupt schlafen konnte.

Nickend legt Maria das Messer an die Seite und räumt das Obst weg, was sie bis zu diesem Zeitpunkt geschnitten hatte. Danach sieht sie mich an und zeigt entschlossen auf meine Haare. „Dagegen müssen wir etwas unternehmen. So lasse ich dich nicht mit Adam losziehen."

Überrascht ziehe ich meine Augenbrauen hoch und leiste keinen Widerstand, als sie mich auf einen der Küchenstühle herunterdrückt. Grinsend sucht sie eine Bürste heraus und stellt sich damit bewaffnet hinter mich. „Darf ich?"

Ich kneife meine Augen zusammen und bin mir nicht sicher, ob ich ihr diese Erlaubnis erteilen soll. Denn ich kann mich noch sehr gut an das unangenehme Gefühl erinnern, als meine Mutter mir die Haare gebürstet hatte. Es hat immer so stark geziept, dass ich am Ende verwundert war, dass sie mir nicht alle Haare rausgerissen hatte. Aber Maria ist ja nicht meine Mutter. Daher nicke ich mutig und atme erleichtert auf, als sie sanft anfängt, meine Haare zu entwirren.

„Adam hat mir davon erzählt, dass ihr jemanden sucht und an die Spree wollt", fängt sie dabei an zu sagen. Ich bin erstaunt darüber, wie selbstverständlich es für Adam ist, trotz der Geschehnisse von gestern Abend, dass wir heute zusammen an die Spree gehen, um nach Robert zu suchen. Ansonsten hätte er nicht seine Schwester bereits in diesen Plan eingeweiht.

Black TimeWhere stories live. Discover now