17. Kapitel

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Ich kann es nicht glauben, dass ich meine Zukunft in den Händen halte. Wortwörtlich.

Niemals habe ich es für möglich gehalten, dass Robert wirklich die Lösung für die Zeitreise gefunden hat. Er muss auf dem gleichen Weg hierhergekommen sein wie ich. Das ist doch unglaublich.

Ist meine Zeitreise also pure Wissenschaft? Eine chemische Reaktion, mit deren Wissen er den Nobelpreis sicher in der Hand hätte?

Enttäuschung macht sich in mir breit. Irgendwie habe ich die ganze Zeit gedacht, dass etwas mehr dahintersteckt. Dass es Schicksal war oder meine Bestimmung, genau hier zu landen.

In der Pestpandemie. Bei Adam und Maria. Um hier etwas bewirken zu können. Aber scheinbar ist es nicht so.

Denn ansonsten macht es keinen Sinn, dass Robert diese Reagenzgläser bei sich herumstehen hat. Sie werden nicht durch pure Magie hier erschienen sein, als ich diesen Raum betreten habe.

Meine Gedanken überschlagen sich. Es ergeben sich so viele Möglichkeiten, die ich vorher gar nicht in Betracht gezogen habe.

Ich könnte die Flüssigkeiten vermischen und durch einen lauten Knall verschwinden. Mit viel Glück würde ich wieder bei mir im Labor landen und mein Leben weiterleben, als wäre nichts geschehen.
Ich würde Prüfungen schreiben, Bereitschaftsdienste schieben und meine wenige Freizeit damit verbringen, mir Serien auf Netflix anzuschauen.

Dabei würde ich wahrscheinlich immer an Adam denken und auch an Maria. An diese zwei unglaublichen Menschen, die mir ohne mit der Wimper zu zucken geholfen haben.
Die mir meine seltsame Geschichte geglaubt und mich nicht verurteilt haben.

Seufzend blicke ich auf die beiden Reagenzgläser in meinen Händen.
Die andere Möglichkeit wäre, diese Gläser zurückzustellen und hier zu bleiben.
Mich auf das Risiko einlassen und täglich die Gefahr im Nacken sitzen zu haben.

Hier herrscht die Pest, jeden Tag könnte es Adam erwischen. Oder mich selbst. Oder Maria.

Ich könnte ihnen nicht helfen, sie nicht mit Antibiotika heilen, sondern wäre gezwungen zusehen zu müssen, wie sie leiden.
Selbst, wenn sie sich nicht mit der Pest infizieren, gibt es noch so viele andere Erkrankungen, an denen sie sterben könnten.
Und dann wäre ich allein hier und ohne sie einfach aufgeschmissen.

Insgeheim weiß ich, dass es auch in meiner Zeit Krankheiten gibt, die unheilbar sind.
Aber da gibt es keine Personen, um die ich deswegen Angst habe. Hier schon.

Eine weitere, dritte Möglichkeit nimmt auf einmal vor meinem inneren Auge Gestalt an.

Ich könnte hierbleiben, solange wie ich möchte. Im Hinterkopf werde ich immer das Wissen haben, dass ich theoretisch in meine Zeit zurückkehren kann.
Ich wäre nicht gezwungen, für immer hier zu bleiben. Denn die Reagenzgläser in meiner Hand zeigen mir, dass nichts unmöglich ist.

Tief atme ich durch und schließe meine Augen. Ich weiß, dass die vernünftigste Entscheidung wäre, die Gläser umzukippen. Diese Möglichkeit zu nutzen, denn ich weiß nicht, ob sich mir diese Chance noch einmal bieten wird.

Auch wenn ich weiß, dass es theoretisch möglich ist. Ich werde nicht die Absicherung haben, dass ich nochmal dieses Glück haben werde und diese Flüssigkeiten sich vor mir befinden.

Vielleicht wird Robert sie selbst bald mischen und in unsere Zeit zurückkehren. Er würde all das Wissen über unsere Zeitreise mit sich nehmen und mich hier zurücklassen. Denn er weiß bisher ja noch nicht einmal, dass ich überhaupt existiere.

Ein neuer Gedanke drängt sich immer bewusster in mein Gedächtnis.
Es ist mir auf einmal sehr wichtig, dass er davon nichts erfährt.
Dass er nicht weiß, dass ich hier in seinem Zimmer stehe und seine Forschungen vor mir liegen.
Ich kenne ihn nicht und weiß nicht, wie er reagieren würde.

Black TimeWhere stories live. Discover now