18. Der Tritt, den ich brauchte

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Mit einer neuen, wie ich hoffe nicht allzu uncoolen, Sonnenbrille und halbwegs koffeiniert verlasse ich wenig später wieder das Einkaufszentrum und blinzle nicht mehr ganz so stark im Licht der Mittagssonne. Mein Handy vibriert in meiner Hosentasche und ich fummle es umständlich heraus.

„Hey Eve", gehe ich ans Telefon und bewege mich ein wenig vom Ausgang weg, damit ich den anderen Einkäufern nicht allzu sehr im Weg stehe. „Was gibt's?"

„Weißt du, Adam, diese Anrufe fühlen sich für mich sehr einseitig an", meckert sie los. „Wann hattest du denn vor, dich mal von selbst bei mir zu melden?"

Ich stöhne genervt auf und lehne mich mit dem Rücken gegen die von der Sonne angewärmte Betonwand des riesigen Gebäudekomplexes, aus dem ich gerade gekommen bin. „Vielleicht morgen oder übermorgen. Habe ich irgendwo unterschrieben, dass ich mich täglich mehrfach bei dir melde?"

Sie schnappt entsetzt nach Luft und ich drücke vorsorglich auf die seitliche Taste meines Telefons, die die Lautstärke herunter regelt. „Zufällig hast du das bei unserer Hochzeit, Adam Carpenter! Es tut mir leid, wenn ich dir auf die Nerven gehe, aber ich mache mir immer noch Sorgen um dich! Was fällt dir eigentlich–"

„Eve!", gehe ich lauter dazwischen, als ich es eigentlich will und werde von einigen Leuten, die an mir vorbeigehen, empört angesehen. Müde schiebe ich meine neue Sonnenbrille etwas nach oben und massiere meine Nasenwurzel. „Eve", wiederhole ich nun etwas ruhiger. „Ich habe einen tierischen Kater. Ich habe noch keine Wohnung und ich habe noch kein Auto. Es gibt nichts zu berichten."

Außer, dass ich offenbar schwul bin und auf einen Taxifahrer stehe, der unauffindbar zu sein scheint. Oh, und der hat mir gestern Abend den heißesten Zwei-Sekunden-Blowjob meines Lebens verpasst, kann aber auch sein, dass ich das nur geträumt habe. Kannst du dir das vorstellen? Bei dir fand ich das immer nur so mittelmäßig und war froh, wenn wir endlich schlafen gegangen sind, plappert eine kleine Stimme in meinem Kopf und ich räuspere mich angestrengt, damit nicht eines der Worte – oder gleich alle – doch versehentlich meinen Mund verlässt.

„Du hast einen Kater?", wiederholt meine Ex-Frau ungläubig. „Du trinkst nicht, Adam."

Ich seufze. „Nun, vielleicht ja doch, Eve. Ich hatte einfach Lust dazu. Ich hatte einen schönen Abend und ich habe etwas getrunken. Und?"

„Du bist nur ... es ist nur ... ich mache mir nur Sorgen um dich." Jetzt klingt sie gar nicht mehr meckernd, sondern wieder wie Eve, meine beste Freundin.

Denn das war sie schon immer. Wir haben uns immer gut verstanden, auch wenn sie grundsätzlich den Ton angegeben hat, aber das war immer in Ordnung für mich.

„Es ist alles okay, Eve", verspreche ich ihr. „Sieh es als ... als eine Art Selbstfindung. Ich komme klar. Und wenn ich Hilfe brauche, rufe ich an."

„Nur wenn du Hilfe brauchst?"

Ich rolle mit den Augen und lasse die neue Brille zurück auf meine Nase rutschen. „Und wenn es was Neues zu berichten gibt. Ich melde mich spätestens morgen, okay?"

Sie seufzt am anderen Ende. „Und ich bemühe mich, auf deinen Anruf zu warten und nicht so kontrollierend zu sein."

Ich lächle und stoße mich von der Wand ab, dabei werde ich fast von einer Gruppe junger Männer umgerannt, die an mir vorbeigehen. „Ey, pass auf, wo du rumstehst, Alter!", motzt mich einer von ihnen an und ich erkenne den Typen in seinem Basketballtrikot wieder, der gestern beinahe eine Schlägerei im Einkaufszentrum angezettelt hat.

Manche Menschen scheinen wirklich keine anderen Hobbys zu haben.

„Adam?", ruft Eves Stimme aus meinem Telefon. „Ist alles okay?"

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