19. Das neue Zuhause

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„Es ist nicht besonders groß, aber es ist ein Zuhause", erklärt die sympathische Mrs. Foreman. „Hinter dem Haus können Sie Ihr Auto parken und wenn es Ihnen nichts ausmacht, dass es am Wochenende manchmal etwas lauter ist, würden wir uns freuen, Sie bei uns aufzunehmen, Adam."

Ich stehe mit einem breiten Lächeln in einer kleinen Einliegerwohnung in einem Vorort von Houston und kann mein Glück kaum fassen.

Zwar ist die Wohnung nur minimal größer als mein Motelzimmer in Hempstead, aber ich habe einen eigenen Eingang, der über eine Treppe hinter dem Haus erreicht wird, und eine deutlich komfortablere und gemütlichere Unterkunft.

Die Wohnung hat alles, was ich brauche: ein eigenes Badezimmer, einen liebevoll eingerichteten Wohn- und Schlafbereich und sogar eine kleine Küchenzeile.

Mrs. Foreman und ihr Mann hatten die Wohnungsanzeige erst gestern Abend durch einen ihrer drei Söhne schalten lassen und ich bin bereits der achte Interessent.

„Lauter?", wende ich mich ihr wieder zu. „Feiern Sie und Mr. Foreman etwa wilde Partys an den Wochenenden?"

Sie lacht laut und herzlich und legt sich dabei ihre Hand über ihren ausladenden Busen. „Unser Sohn Jamal kommt uns oft mit seiner Familie besuchen."

Interessiert hebe ich die Augenbrauen. „Sie haben schon Enkel?"

Ihr Lächeln wird so strahlend, dass ich beinahe geblendet werde. „Tia ist vier und Jamal jr. ist zwei. Und das Dritte ist unterwegs." Das letzte Wort singt sie sogar und hebt dankbar die Hände in Richtung Himmel.

Mrs. Foreman ist eine so herzliche Person, dass ich sie am liebsten nach jedem Satz umarmen würde. Sie strahlt eine solche Wärme und Fürsorge aus, dass ich mich augenblicklich geborgen bei ihr fühle.

„Das macht mir nicht das Geringste aus", lasse ich sie wissen. „Aber ... wollen Sie sich nicht lieber noch mit Mr. Foreman beraten, ob Sie nicht einen der anderen Bewerber nehmen wollen?"

Kopfschüttelnd winkt sie ab und hakt sich energisch bei mir unter, um mit mir die Wohnung zu verlassen. „Papperlapapp! Bei Ihnen hatte ich sofort ein gutes Gefühl. Sie ahnen gar nicht, was für merkwürdige Gestalten hier heute schon aufgetaucht sind."

Gemeinsam gehen wir die Treppe nach unten, doch statt mich zu meinem Mietwagen zu führen, dreht sie zur Vorderseite des Hauses ab, ihr Arm wie ein Schraubstock um meinen gewickelt.

„Ich habe gerade einen Apfelkuchen aus dem Ofen geholt, Sie essen noch ein Stück mit uns, ja?" Ihre Worte erlauben keine Widerrede und ich stimme lachend zu.

„Und wo kommen Sie ursprünglich her, Adam?", erkundigt sich Mr. Foreman wenig später und seine dunklen Augen betrachten mich prüfend über den Rand seiner Brille, während er sich von seiner Frau ein weiteres Stück Kuchen geben lässt.

„Aus Seattle, Sir", antworte ich ergeben und nehme einen Schluck aus der Kaffeetasse.

Dieser Kaffee schmeckt zwar nicht so kräftig und aromatisch wie der von Mariella an der Tankstelle, aber in Kombination mit der Heimeligkeit der Küche der Foremans und dem köstlichen Apfelkuchen lege ich ihn in meinem Kopf zu einer der schönsten Erfahrungen in meinem neuen Leben hier.

„Und warum sind Sie nach Texas gezogen?", fragt Mr. Foreman weiter.

Ich zucke lächelnd mit den Schultern. „Es war einfach Zeit für einen Neubeginn. Mein altes Leben ... hm ... passte offenbar nie so ganz richtig zu mir."

Mrs. Foreman tätschelt liebevoll meine Schulter und schenkt mir ganz selbstverständlich Kaffee nach. „Das ist sehr mutig von Ihnen, Adam. Und ich hoffe, Ihr neues Leben passt besser zu Ihnen."

„Und Ihre Familie?", bohrt ihr Mann weiter.

Er erinnert mich ein wenig an Eves Vater, der zwar ganz anders aussieht, aber immer die gleichen, neugierigen Vaterfragen gestellt hat.

Ich widme mich wieder dem letzten Teil meines Apfelkuchenstücks. „Ich bin bei meiner Mutter aufgewachsen, aber sie ist gestorben, als ich aufs College ging. Meinen Vater habe ich nie kennengelernt."

Mrs. Foreman schlägt sich mitfühlend die Hände an ihre vollen Wangen, ehe sie wieder dazu übergeht, meinen Arm zu tätscheln.

„Ich war verheiratet, aber wir haben uns letztes Jahr getrennt und sind seit kurz vor Weihnachten geschieden." Den Blicken der beiden entnehme ich, dass sich mit meiner Erzählung noch mehr Fragen auftun und darum rede ich gleich weiter: „Wir sind immer noch befreundet, Eve hat einen neuen Partner, Luke, der richtig gut zu ihr passt." Ich lache unbeholfen.

„Und was ist mit Ihnen?", will Mr. Foreman interessiert wissen.

Schulterzuckend lächle ich ihn an, während ich an den Traum – oder Nichttraum – mit dem hübschen Taxifahrer denke, der mir letztlich die Augen geöffnet hat. „Ich bin einfach für alles offen, schätze ich."

„Das ist gut", mischt Mrs. Foreman sich ein und nimmt meinen leeren Teller. „Noch ein Stück Apfelkuchen?"

Abwehrend schüttle ich den Kopf. „Danke, nein. Ich ... ich denke, ich fahre dann mal ins Motel zurück und–"

„Holen Ihre Sachen?" Sie streichelt mir liebevoll über die Schulter. „Machen Sie das, mein Junge."

Verblüfft reiße ich die Augen auf. „Aber sagten Sie nicht, die Wohnung wäre erst ab Montag verfügbar?"

Mr. Foreman lacht herzlich auf und schiebt seinen Stuhl quietschend nach hinten, ehe er aufsteht und ins nebenanliegende Wohnzimmer geht. Seine Hausschlappen machen dabei lustige, schlurfende Geräusche. „Sie haben sie doch gesehen, Adam. Sie ist frei. Holen Sie ihr Zeug und kommen Sie her. Ich mache solange den Vertrag fertig."

Ungläubig starre ich Mrs. Foreman an, die strahlend ihre Arme ausbreitet, und lasse mich wehrlos an sie ziehen.

„Willkommen im neuen Zuhause, Adam", lacht sie in mein Ohr.

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