31. Die holprige Offenbarung

1.3K 273 61
                                    

„Bist du nervös?", will Valentino neben mir wissen und stupst mich mit seiner Schulter an.

Ich atme einmal tief durch und greife nach seiner Hand. „Ein bisschen vielleicht. Und du?"

„Eine große bisschen", erwidert er lächelnd und seine Finger drücken meine.

Die Anzeigetafel vor uns sortiert sich neu und der Flug aus Seattle, auf dessen Ankunft wir warten, wird als gelandet markiert.

„Noch können wir abhauen", schlage ich mit einem halben Grinsen vor, doch Valentino schüttelt entschlossen den Kopf.

„Nein, ich schaffe das."

Ich nicke und schaue suchend durch die Glastüren, die den Wartebereich von der Ankunftshalle trennen.

Eigentlich galt mein Vorschlag auch eher mir als ihm, aber wenn Valentino sagt, er schafft das, schaffe ich es auch.

Es dauert nicht lange und die automatischen Türen öffnen sich, als die ersten Fluggäste die Halle mit ihrem Gepäck verlassen. Der Blick hindurch zu dem grauen Transportband mit den vielen Gepäckstücken erinnert mich an meine eigene Ankunft hier, die inzwischen ein paar Monate zurückliegt.

Lächelnd sehe ich zu dem hübschen Mann neben mir, denn kurz darauf bin ich ihm zum ersten Mal begegnet.

Als ich wieder zur Halle sehe, entdecke ich den fast zwei Meter großen Luke und daneben Eves blonden Zopf.

Unwillkürlich beschleunigt sich mein Herzschlag, als ich meine Hand aus Valentinos Griff löse, mich auf die Zehenspitzen stelle und den beiden zuwinke.

Eves Gesicht verwandelt sich in ein Strahlen und sie rennt aufgeregt durch die Halle auf uns zu, dicht gefolgt von ihrem Freund, der einen großen, silbernen Koffer hinter sich herzieht.

„Hey!", ruft sie glücklich. Ihre schlanken Arme schlingen sich um meinen Oberkörper, als sie mich erreicht und ich fühle mich unmittelbar zurück in meine Jugend zurückversetzt, als ihr Parfum in meine Nase steigt.

Ich drücke ihren zarten Körper an mich, der sich zwar vertraut, aber dennoch nicht richtig für mich anfühlt. Und endlich weiß ich auch wieso.

Lächelnd löse ich mich von ihr, nur um sogleich von Luke in eine viel zu starke Umarmung gezogen zu werden. „Hey Adam, schön dich zu sehen", brummt seine tiefe Stimme.

„Schön, dass ihr endlich da seid", erwidere ich und ziehe mein T-Shirt gerade, nachdem Eves großer Freund von mir abgelassen hat.

Meine Ex-Frau blickt sich suchend um. „Also? Fahren wir erst ins Hotel und dann was essen? Ich verhungere, aber ich würde mich auch gern umziehen. Und wann lernen wir deine Freundin kennen?"

Ich straffe meine Schultern und blicke zu Valentino, der mit etwas Abstand neben uns steht und gequält lächelt. Ich trete einen Schritt an ihn heran, greife nach seiner Hand und blicke ihm tief in die Augen, ehe ich mich Eve und Luke zuwende. „Eve, Luke, das ist Valentino", sage ich. „Mein fester Freund."

Während Eves Mund zu einem überraschten O geformt ist, grinst Luke übers ganze Gesicht.

Ich sehe zwischen beiden hin und her und mit jeder schweigsamen Sekunde, die verstreicht, werde ich angespannter.

War das Ganze doch keine so gute Idee?

Irgendwie hatte es sich bei unseren Telefonaten in den letzten drei Wochen nicht ergeben, ihr zu erzählen, dass Valentino mein Date war und wir jetzt zusammen sind. So richtig zusammen.

Ich fand es unpassend, ihr solch eine Information nicht persönlich mitzuteilen.

Mein hübscher Freund rettet mich, indem er sich als Erster aus unserer Starre löst und beide mit seinem betont fröhlichen „Ciao!" begrüßt. Er reicht Eve die Hand und als sie sie ihm mit großen Augen reicht, küsst er charmant ihren Handrücken. „Freut mich sehr," erklärt er, ehe er sich Luke zuwendet und sich mit diesem fast schon selbstverständlich die Hände schüttelt. „Wie war eure Reise?"

„Äh ... ganz gut", erwidert Eve und sieht noch immer verdattert zwischen uns hin und her, ehe ihr Blick auf mir hängenbleibt.

Ich zwinge mir ein Lächeln aufs Gesicht und drücke Valentinos Hand in meiner noch ein wenig fester, um mich zu vergewissern, dass er nicht von meiner Seite weichen wird. „Ich wollte es dir gern persönlich sagen."

Eve räuspert sich verhalten, während Luke seinen Arm um ihre Schultern legt und uns breit angrinst. „Es ist etwas überraschend, aber wir freuen uns und sind gespannt auf eure Kennenlerngeschichte. Nicht wahr, Liebling?"

Sie nickt lediglich und glotzt uns noch immer mit großen Augen an.

„Möchtet ihr erst in die Hotel oder essen?", ergreift Valentino wieder das Wort. „Wir wissen die perfekte Ort für leckere Essen und leckere Vino."

„Wein ist gut", ist alles, was Eve hervorpresst und sie lässt sich widerstandslos von Luke hinter Valentino und mir nach draußen führen.

Der Vorteil, wenn man mit einem Taxifahrer zusammen ist: Man bekommt immer die besten Parkplätze.

So müssen wir keine fünfzig Meter gehen, ehe wir an Valentinos Auto ankommen und er Luke ganz selbstverständlich den großen Koffer abnimmt.

„Wo habt ihr das denn ausgeborgt?" fragt der große Mann lachend. „Und warum bin ich noch nie auf diese Idee gekommen?"

Eve starrt uns weiterhin wortlos an.

Allmählich finde ich das beunruhigend.

„Valentino ist Taxifahrer", erkläre ich und öffne eine der hinteren Türen, damit Luke und Eve auf die Rücksitzbank klettern können.

Ich selbst steige vorn auf der Beifahrerseite ein, immerhin bin ich schon lange kein normaler Fahrgast mehr.

„Vielleicht fahren wir euch erst zum Hotel, dann könnt ihr euch kurz frisch machen", schlage ich vor und zwinkere Valentino zu.

Mein hübscher Freund nickt zustimmend, schaltet seine Playlist ein und zu „Good Life" von OneRepublic rollen wir vom Flughafengelände.

Richtungswechsel | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt