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Blitze zuckten durch die Nacht, Schreie von Verletzten mischten sich unter die Klagen der Sterbenden.

Silberstern war das Herz zerrissen worden, ihre Hoffnung zerstört, jeglicher Lebenssinn gestohlen.

Schilfjunges und Eichenjunges waren fort, ihre winzigen Körper kalt.

Die Schlacht tobte nicht mehr und der sonst so tröstliche Regen färbte nun wie ein grausamer Feind den Fluss blutrot.

Ein einziger Fellball hatte sich in der Höhle verkrochen, die eisigen Leichen seiner Geschwister um sich geschart und wimmerte leise nach der warmen Kinderstube.

Silberstern beachtete das Junge nicht, sie starrte einer Statue gleich über die tobenden Fluten hinweg auf den dichten Wald am anderen Ufer.

Ihr braunes Fell klebte an ihrer Gestalt und lange Krallenspuren verunstalteten ihren Körper. Das Blut sickerte in ihren Pelz, gab ihr ein bedrohliches Aussehen.

Die Klageschreie verstummten mit dem letzten Donner und nur der Regen fiel unbarmherzig auf die zusammengekauerten Katzen im Lager.

Sie hatten Angst, Sorgen und trauerten um ihre Verlorenen, Silberstern spürte all ihre Gefühle stärker als je zuvor.

Das war die Schwäche eines jeden FlussClan-Anführers. Sie spürten, wie die Wogen der Gefühle im Clan auf- und abrauschten, wie der Wind Blätter in dieses zeitlose Mühlwerk trieb und den Kreislauf stocken ließen.

Die silbernen Augen blitzten und sie wandte sich zurück zu ihren Anvertrauten. Sie würde sie beschützen, koste es, was es wolle.

Silberstern schreckte auf. Erneut hatte sie von der schicksalhaften Nacht geträumt, die ihr ihre Jungen genommen hatte.

Finkenpelz war noch da, sagte sie sich. Er ist nicht fort. Er lebt.

Ein kleiner Kopf tauchte im Eingang ihres Baus auf und sie fauchte.

„Blaubeerpfote. Ich bin noch nicht fertig. Du kannst nachher meinen Bau ausmisten."

Ihre nichtsnutzige Tochter. Das dritte Junge. Sie hätte sterben sollen, dann hätten ihre Brüder überlebt.

Zedernglut hatte Recht gehabt. Den Zweien waren große Schicksale vorhergesagt worden, während die graugetigerte Kätzin es noch nicht einmal schaffte, eine einfache Elritze zwischen ihre Krallen zu bekommen.

Wieder fauchte sie und endlich zog Blaubeerpfote ihren Kopf zurück.

Silberstern putzte sich gründlich und verließ dann ihr Nest, um den Clan zu begrüßen und vielleicht Wellenlied oder Sturmblatt um dieses Kraut zu bitten, das ihre Träume unterdrückte.

Seit jener Nacht träumte sie immer wieder davon und selbst der neueste Kampf um den WolkenClan hatte ihr Gedächtnis nicht lösen können.

Jedes Mondhoch war sie in der selben Schleife gefangen und es gab keinen Weg, dem Tod ihrer Jungen zu entkommen.

Sie trat hinaus, blickte auf den sandigen Boden und schluckte schwer. Quarzstein und  Blaubeerzweig hatten die Nacht nicht überlebt, Gewittermond war schwer verwundet und Federsee hatte die Hälfte ihres Vorderbeins durch die mörderischen Krallen des DonnerClan-Anführers verloren.

Quarzstein war doch gerade erst Vater geworden. Was würde geschehen, wenn Schneehummel von seinem Tod erfuhr? Noch schlief die Königin ruhig mit ihren Jungen in ihrem Nest, ahnte nichts von dem zerstörerischen Kampf, der in der Nacht stattgefunden hatte.

Es hätte alles verhindert werden können. Es war die Schuld ihrer nichtsnutzigen Tochter, ein Ergebnis aus einer verbotenen Verbindung. Blaubeerpfote hätte nie existieren dürfen.

Die Jasmin-Chroniken: Teil 1 - 4 [MMFF]Opowieści tętniące życiem. Odkryj je teraz