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Die Totenwache für Quarzstein und Blaubeerzweig war eine angespannte Affäre, wie Silberstern feststellte.

Niemand wagte es, ein Wort zu miauen, ja, selbst die Schüler hielten ihre geschwätzigen Mäuler fest geschlossen. Blaubeerpfote war überhaupt nicht aufgetaucht und die Krieger warfen sich immer wieder verunsicherte Blicke zu.

Die braunfellige Kriegerin spürte, es lag etwas in der Luft. Sie wartete unruhig, unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen.

Krabbenohr, eine gerade erst dem Schüleralter entwachsene Kätzin, presste ihre Nase in Blaubeerzweigs Pelz und stumme Schluchzer schüttelten ihren Körper. Die ältere Kriegerin hatte sie aufgezogen.

Muscheltaucher, ein junger Kater und der beste Freund der Kriegerin, strich ihr beruhigend über den Rücken und schmiegte sich an sie. Silberstern vermisste eben das, das friedliche Beisammensein mit ihren Liebsten, ihren Jungen, ihrem Gefährten.

Finkenpelz war auch nicht mehr der, den sie einst geliebt hatte. Klar, sie hatten immer noch ihre schönen Momente, doch die Beziehung der Braunen zu ihm war bereits lange in die Brüche gegangen.

Ihr Herz war von Liebe erfüllt, wenn sie an ihn dachte, er aber distanzierte sich langsam von ihr.

„Silberstern?"

Endlich, jemand brach die Stille. Ausgerechnet Jasminhimmel, die neue Kätzin, die sie so unvorteilhaft benannt hatte.

„Gäbe es eine Möglichkeit, in Frieden leben zu können?"

Apfelwolke sprach leise, Silberstern konnte ihn fast nicht verstehen. Kein Wunder, hielt er doch gerade Totenwache für seine Gefährtin.

Nun sahen auch die anderen Krieger auf und Mottenfluch nickte, den Worten des Hellorangenen zustimmend.

„Wir werden ständig vom DonnerClan angegriffen, wir haben nicht genug Frischbeute, das würde ich nicht als Frieden bezeichnen."

Die Anführerin schüttelte benommen den Kopf. Wie konnten sie sie anzweifeln? Sie gab doch ihr Bestes, um den feindlichen Clan aus ihrem Territorium fernzuhalten.

„Ich weiß, dass ihr alle gestresst, hungrig und wütend auf den DonnerClan seid. Aber sagt mir, was soll ich eurer Meinung nach tun? Finsterstern freundlich darum bitten, seine Angriffe sein zu lassen? Oder gleich Zedernglut in den FlussClan einladen?"

Die Wut, die heiß in ihr brannte, hatte sich entladen und schamerfüllt wichen ihre Clanmitglieder ihrem Blick aus. Die Braune schnaubte. Keiner von ihnen wusste, was sie täglich leistete. Sie alle waren nur ein Haufen verräterischer Nichtsnutze.

Sie trottete hinüber zu Quarzsteins kaltem Körper und grub ihre Nase in sein Fell. Der Krieger hatte ihr treu gedient und dafür sein Leben gelassen. Dieses Opfer würde sie ihm nicht vergessen.

„Vielen Dank, mein Freund. Danke, dass du mich nicht verraten hast, wie der Rest dieser nutzlosen Bande. Ich ehre dein Opfer mit jeder Faser meines Herzens."

Ihre Worte waren nur ein Hauch in das dunkelgraue Fell. Schneehummel hatte ihren Kopf an den ihres toten Gefährten gelegt und wimmerte leise vor sich hin. Ihre Jungen, nur knapp zwei Monde alt, verstanden noch nicht, was mit ihrem Vater passiert war und blickten sich mit großen Augen um.

Silberstern rutschte hinüber zu der hellgrauen Königin und legte ihr den Schwanz auf den Rücken.

„Glaub mir, er wacht über dich und deine Jungen. Jetzt gerade ist er im SternenClan und trauert ebenso wie du, Schneehummel."

Sie glaubte nicht daran, dass der SternenClan sie noch beobachtete. Sonst hätten sie sicher schon geholfen, den DonnerClan zu besiegen, aber das würde die braunfellige Kriegerin der anderen Kätzin nicht sagen.

Verschwunden war das Licht und die Hoffnung aus den dunkelblauen Augen, die zu ihr hochsahen. Sie wirkten fast schwarz und die Trauer erfüllte sie in jedem Winkel.

„Es wird nicht besser werden, aber du wirst lernen, mit dem Verlust umzugehen."

Schneehummel fauchte, doch ihre Wut verblasste schnell.

„Ich möchte aber nicht damit umgehen müssen, Silberstern. Ich will einfach wieder mit Quarzstein zusammen sein. Es kann nicht sein, dass er mich einfach im Stich lässt!"

Die Braune seufzte erschöpft und müde auf. Was konnte sie nur machen, um der hellgrauen Kätzin ihren Lebenswillen zurückzugeben? Obwohl, warum kümmerte sie sich überhaupt noch? Sollte die Kätzin einer verlorenen Liebe hinterhertrauern, Silberstern interessierte es nicht.

Als die Sonne den Himmel verließ und in ihr Wassernest zurückkehrte, waren nur noch Krabbenohr, Apfelwolke, Schneehummel und Muscheltaucher um ihre Liebsten geschart. Und natürlich Silberstern selbst. Wie gerne wäre sie jetzt in ihr warmes Nest eingekehrt, vielleicht mit einer leckeren Forelle, und hätte den Tag abgeschlossen.

Aber nein, das ging nicht, sie musste ja Präsenz zeigen für den Clan, Mitgefühl über den Verlust, den sie erlitten hatten. Gerne würde sie einfach ihre Position aufgeben und eine Älteste werden. Keine Pflichten, keine Sorgen, keine Patrouillen, nichts.

Sie lebte sowieso ihr letztes Leben, was betrafen sie die Clanangelegenheiten also noch?

Das konnte sie Weißmeer aber nicht antun. Eine der wenigen Katzen, um die sie sich in diesem sternenclanverdammten Clan noch sorgte, sollte nicht eine solche Aufgabe aufgehalst bekommen. Vor allem jetzt nicht, da die Kätzin und ihr Gefährte Stachelfluss endlich Eltern werden würden.

Von den beiden hatte sie nie erwartet, sie einmal zusammen zu sehen. So oft, wie sie sich stritten, hatte es für Außenstehende schon etwas von einer zwanghaften Beziehung.

Silberstern wusste jedoch, sie liebten sich trotzdem.

Müde streckte sie sich. Ihre Muskeln quälten sie, da sie zu lange in der selben Position verharrt hatte. Die Anführerin drehte sich auf die Seite und reckte sich kurz, bevor sie ihre vorherige Stellung wieder einnahm. Sie wusste, morgen früh würde sie es bereuen, dennoch blieb sie bis Sonnenaufgang und hielt Totenwache.

Die Jasmin-Chroniken: Teil 1 - 4 [MMFF]Where stories live. Discover now