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Das Erste, was er von Alice sah, waren ihre Beine. Die Waden waren leicht gebräunt und recht muskulös. Sie steckten in blauen, nicht sehr klobigen Wanderschuhen mit weißen Sportsocken. Oberhalb der Knie wurde Felix Blick bereits leicht unscharf, aber er erkannte noch die lockeren Shorts. Alles darüber war nur mehr zu erahnen. Die Frau auf der Brücke stand da in der Sonne und sobald Felix versuchte, auszumachen, wie sie oberhalb ihrer Kniescheiben aussah, wurde er geblendet. Er konnte noch nicht einmal sicher sein, ob sie ihn ebenfalls entdeckt hatte. Im Grunde war er auch nicht scharf darauf. Er war beim Angeln. Für seine Verhältnisse war er früh aufgestanden und er hoffte sehr, dass noch irgendein Fisch anbeißen würde. Die Chancen standen nicht allzu gut. Der Gebirgsbach führte wahrscheinlich zu wenig Wasser.
Als die Frau auf der Brücke sich bewegte, schaute Felix entgegen seiner Vorsätze doch wieder hin. Sie wandte sich ab, schaute auf der anderen Seite der Brücke hinunter, wie es schien. Felix zwang sich, wegzusehen. Angeln. Deswegen war er hier. Sein Blick fiel auf seine eigenen Hände, folgte der Angelrute und der Angelschnur. Er konzentrierte sich auf den Punkt, wo die Schnur im Wasser verschwand. Dann checkte er die unmittelbare Umgebung ab, versuchte, Bewegungen des Wassers auszumachen, die nicht von der Strömung her rührten. Einmal glaubte er, den weißlichen Körper eines Fisches ausgemacht zu haben. Aber der schwamm schnurstracks am Köder vorbei. Felix verfolgte ihn mit Blicken, bildete sich ein, das weißliche Glänzen noch weiter sehen zu können, unter der Brücke hindurch schwamm der Fisch, nun eher in Felix Einbildung. Und dann war da ein anderer Körper. Nicht der von einem Fisch. Die Frau stand flussabwärts in dem flachen Gewässer, hatte sich die Schuhe ausgezogen, die neben ihrem Rucksack am Ufer standen. Sie bückte sich und kurz dachte Felix, sie würde mit ihren bloßen Händen den Fisch fangen, der ihm eben noch entwischt war. Aber nein, sie schien sich lediglich die Hände waschen zu wollen, wedelte unter Wasser herum, ehe sie sich mit Schwung aufrichtete, dabei etwas Wasser nach oben schnellen ließ und sich dann mit den Händen über den Kopf strich. Lange Haare, zu einem Pferdeschwanz gebunden. Felix konnte die Farbe nicht genau bestimmen, die Sonne stand dafür weiterhin ungünstig. Er merkte, dass er starrte und befahl sich selbst, damit aufzuhören, bevor sie es bemerken konnte. Er wollte nicht der creepy Angelnerd sein, der eine allein wandernde Frau angaffte. Ein Glück hatte er weder einen dieser peinlo Anglerhüte auf, noch stand er in Anglerhosen im Bach. Aber das hier war definitiv nicht die richtige Situation, um irgendwelche Weiber anzuglotzen. Dafür war er auch nicht hier. Er war hier um zu entspannen. Angeln entspannte ihn. Es entspannte ihn auch, fließende Gewässer anzuschauen. Also tat er das wieder.
Als er das nächste Mal unter der Brücke hindurchschaute, war die fremde Frau verschwunden und er war wieder allein mit dieser atemberaubenden und beruhigenden Natur in den bayrischen Alpen.

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Who the Fuck is Alice?Where stories live. Discover now