Kapitel 41

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Maya
Natürlich hatte ich Recht. Der Krebs ist zurück. Inzwischen wieder im Norden sitze ich jetzt zusammen mit Mai hinten bei Tim im Auto auf dem Weg ins Krankenhaus. Wincent und er sitzen vorne. Es ist komplett still. Auch Mai merkt, dass die Stimmung bedrückt ist. Sie greift nach meiner Hand und lächelt mich aufmunternd an. Während ich mit dem Daumen über ihre kleine Hand streichle sehe ich nach vorne, wo die Stimmung auch ziemlich angespannt ist. Tim hat sich ins Lenkrad gekrallt und starrt auf die Straße. Wincent sieht aus dem Fenster und ist total in sich gekehrt. Nur wegen mir... Deswegen wollte ich mich anfangs nicht darauf einlassen. Es war so klar, dass mir nichts Gutes passieren kann! Zumindest nicht ohne Haken. Wincent zurück in meinem Leben und der Krebs direkt mit. Nachdem Tim geparkt hat, steigen wir aus und Wincent greift sofort nach meiner Hand. „Ich bin an deiner Seite, okay? Wenn du mich lässt." Mit geschlossenen Augen lehne ich mich an seine Brust. Wincent hält mich fest und gibt mir einen Kuss auf die Stirn. „Ich liebe dich" murmelt er. Ich ihn auch, aber ich kann es nicht erwidern... ich will ihn nicht verlieren, aber für den Fall der Fälle... ich will nicht, dass er leidet.

Wieder umhüllt mich dieser Geruch. Ich hasse ihn. Am liebsten würde ich wegrennen, aber das geht nicht. Die letzten Wochen war ich der Meinung, dass das alles einfach nur mal wieder eine Phase ist, in der ich schwächer bin, dass das vom Stress kommt... Aber spätestens jetzt, wo ich mich wieder innerhalb dieser vier Wände befinde, kann ich es nicht mehr leugnen. Ich habe Leukämie. Als es an der Tür klopft, hört Tim ENDLICH mal auf mit dem Gelaber, welches auch Mai langsam echt eingeschüchtert hat. Sie sitzt neben mir auf dem Bett, Wincent neben mir auf einem Stuhl, Tim lehnt an der Wand. Mein Blick gleitet zur Tür und reinkommen tut Konstantin. „Hey..." lächelt er leicht und lehnt sich an den Türrahmen „Ich hab deinen Namen im System gesehen... Maya, es tut mir so leid." „Schon gut" setze ich ein Lächeln auf. „Nicht nur, dass der Krebs zurück ist" senkt er den Kopf. „Schon gut, wirklich." „Ich muss weitermachen, aber ich komme nach meiner Schicht nochmal vorbei." „Okay" nicke ich nur, dann schließt er die Tür hinter sich. „Alter Bekannter" richte ich mich knapp an Wincent und konzentriere mich dann wieder auf Mai. „Maya?" richtet Tim sich dann in einem anderen Ton als vorher an mich. Er wirkt deutlich in sich gekehrt, irgendwie ängstlich... „Ja?" „Versprich mir, dass alles gut wird." Unsere Blicke treffen sich, ich weiß genau, woran er denkt. „So oder so, irgendwie wird immer alles gut, versprochen." „Stopp, sowas will ich nicht von dir hören." „Ich werde nicht einfach aufgeben, versprochen."

Tim und Mai mussten dann recht zeitnah aufbrechen, demnach sitze ich seit einiger Zeit mit Wincent alleine hier rum. „Ich hab Angst" breche ich irgendwann die Stille. „Ich auch" gibt er zu und greift nach meiner Hand „Aber du hast das schonmal überlebt, das..." „Ist nicht so einfach." „Ist mir klar, aber... Maya-" „Ich werde nicht einfach aufgeben, versprochen. Auch wenn es definitiv nicht leicht wird." „Lässt du mich an deiner Seite stehen?" Ich blicke auf unsere Hände. Wollen tu ich ihn an meiner Seite... Aber lasse ich ihn an meiner Seite? Kann ich zulassen, ihn vielleicht zu verletzen? Ihn zu brechen? Beas Tod hat Tim gebrochen und nur langsam hat er wieder zu sich selbst gefunden, auch wenn ihm immer ein kleiner Teil fehlen wird. Ich will nicht, dass das auch Wincent passiert... Aber ist es dafür vielleicht sowieso schon zu spät? „Und sag mir jetzt nicht, du hättest dich nie auf uns eingelassen sollen." Leicht erschrocken sehe ich wieder zu ihm auf. „Ich erkenne es an deinem Blick." „Aber verstehst du mich wenigstens? Ich hab gesehen, wie es den Partner zerbricht. Ich hab gesehen wie sehr es meine Großeltern zerbrochen hat. Ich hab selbst gespürt, wie sehr es einen zerreißt. Zu sehen, wie ein geliebter Mensch dem Tod so nahe ist, wie er sich ihm immer mehr nähert. Ich will nicht, dass es dich auch so zerreißt." „Es würde mich mehr kaputt machen, wenn ich nicht an deiner Seite sein könnte. Du willst nicht, dass ich kaputt gehe? Dass ich Schmerzen habe? Halte mich bitte nicht auf Abstand. Das würde mehr wehtun als alles andere." „Ich will nicht noch mehr Zeit mit dir verlieren" murmle ich. Sachte zieht er mich etwas an sich ran, um mich vorsichtig zu küssen. Er setzt sich dann zu mir aufs Bett und wir kuscheln noch etwas, bis er langsam los muss. Dann bin ich wieder alleine. Das Bett neben meinem ist leer, bis auf ein paar Gespräche draußen auf dem Flur ist es still. Ich verstehe nicht, was da draußen gelabert wird, trotzdem nervt es mich nicht gerade dezent. Ich setze mir einfach meine Kopfhörer auf und höre Musik, bis plötzlich Konstantin wieder in der Tür steht. Seufzend nehme ich mir meine Kopfhörer aus den Ohren, während er sich auf das andere Bett setzt. „Das war Wincent, oder?" „Hm..." „Ihr habt also doch wieder zueinander gefunden." „Ja, wir sind seit ein paar Monaten wieder zusammen." „Das freut mich für dich." „Was gibt's Neues bei dir?" „Ich hab auch jemanden gefunden, ist noch ganz frisch, aber entwickelt sich glaube wirklich gut." „Das ist toll." „Ja... Wie hast du es mitbekommen? Warum bist du nicht früher gekommen?" „Ich war ein bisschen schlapp, aber nicht deutlich schlimmer als wie es eben manchmal der Fall war. Außerdem hab ich mich trotz allem irgendwie stark gefühlt, durch Wincent." „Du hättest früher kommen sollen. Beim ersten kleinen Anzeichen. Es sei denn... es gab noch einen Grund, warum du nicht gekommen bist." „Der wäre?" „Wolltest du mir aus dem Weg gehen?" „Jetzt bilde dir hier mal nicht zu viel ein. Wir hatten zwei Dates in denen uns eindeutig klar geworden ist, dass wir definitiv nicht zusammen passen. Ich wollte dir nicht aus dem Weg gehen, ich war extrem glücklich mit Wincent." „Du warst?" „Wir wissen beide, dass es wohl eher nicht halten wird. Ich hänge hier fest, während er jobbedingt so viel unterwegs ist." „Das Eine hat doch aber mit dem Anderen nichts zutun." „Unsere Beziehung ist schonmal zerbrochen, weil ich lieber hierbleiben wollte. Jetzt bin ich wieder an dieses Krankenhaus gefesselt und wer weiß, ob mich diese Fesseln je wieder loswerde." „Glaubst du echt, dass du nicht wieder gesund wirst?" „Ich hab versprochen, nicht aufzugeben, aber wir wissen beide, dass man einen Rückfall seltener heilen kann. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Therapie nicht nochmal anschlägt ist hoch."

Vielleicht im nächsten LebenWhere stories live. Discover now