Kapitel 57

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Maya
Die Wochen und Monate verstreichen, Wincent hat inzwischen schon all seine Sommershows gespielt. Ich hab's auch tatsächlich zu zwei Konzerten geschafft, wobei ich beide nicht ganz durchgehalten habe. Heute kommt er wieder, aber ich sehe uns den Abend noch nicht so ganz richtig genießen. Ich bin schon mit starken Schmerzen in den Knochen aufgewacht. Inzwischen habe ich auch extreme Bauchschmerzen, sodass mein Opa kurzerhand beschlossen hat, mich in die Notaufnahme zu bringen. Sofort steht Konstantin mir bei den Untersuchungen zur Seite. „Keine Angst, alles wird gut" lächelt er mich an und drückt meine Hand. „Du wirst mich für komplett verrückt halten... aber ich hab keine Angst. Es ist nicht wie damals." Ich hab mich damit abgefunden, niemals all das erleben zu können, was ich mir wünsche. Dank Wincent hab ich mir in den letzten Wochen ein paar kleine Träume erfüllen können. „Wann kommt er? Weiß er schon, dass du hier bist?" „Nein, er kommt erst in ner Stunde oder so. Entweder bin ich bis dahin hier raus oder der Abend mit ihm ist sowieso hinüber." „Aber du sagst ihm noch, dass du hier bist oder warst oder wie auch immer?" „Natürlich!" „Okay... wollte nur sichergehen." Vorsichtig zieht er mich in seine Arme und hält mich einfach fest und während des Gesprächs mit dem Arzt hält er, wie auch mein Opa, meine Hand. „Unsere Befürchtungen sind leider wahr geworden... der Krebs hat weiter gestreut." Ich weiß, ich hab gesagt, dass ich keine Angst habe... tja, so schnell kann's gehen. Ich habe eine scheiß große Angst! „Ohne Therapie, wie viel Zeit denken Sie, hab ich noch." Er sieht mich mit großen Augen an, genau wie mein Opa und Konstantin. „Ich rate Ihnen wirklich davon ab, die Therapie abzubrechen." „Wie viel Zeit?" „Kann man nicht genau sagen. Ein paar Monate, ein halbes Jahr... Maya, wollen Sie das wirklich?" „Bitte denk da noch einmal drüber nach" kommt es eindringlich von meinem Opa. Ich sehe ihn an. „Ich bin erschöpft. Wenn der Krebs es nicht tut, bringt mich die Behandlung um. Ich will die Zeit, die ich noch habe, genießen. Ich will mit Wincent etwas erleben." „Wenn du noch etwas durchhältst, habt ihr noch euer ganzes Leben Zeit." „Damit der Krebs in ein paar Jahren wiederkommt? Opa, ich kann nicht mehr." „Entschuldigt mich, bitte." Konstantin springt auf und verlässt fluchtartig den Raum. „Ich rufe deine Oma an, damit sie auch herkommt." Auch Opa verlässt das Zimmer und somit sitze ich jetzt alleine hier mit dem Arzt, der mir schon mit 18 damals die Diagnose gestellt hat. „Ich kann Ihre Entscheidung verstehen, aber denken Sie nochmal genau darüber nach. Besprechen Sie es mit ihrem Freund und Ihren Großeltern. Es ist keine Entscheidung, die von heute auf morgen getroffen werden kann." „Das mag sich vielleicht komisch anhören, aber ich weiß schon eine ganze Weile, dass ich den Kampf verlieren werde."

Nachdem ich Wincent hierher bestellt und meine Großeltern nach Hause geschickt habe, mache ich mich auf die Suche nach Konstantin. „Hier bist du" schmunzle ich, als ich ihn schließlich gefunden habe. „Bist du zur Besinnung gekommen?" „Ja, aber meine Meinung ist die Selbe wie vorhin auch." „Maya, du könntest noch Jahre haben, oder mit Glück ein langes Leben." „Wir wissen beide, dass das mit vielen Schmerzen verbunden wäre. Sowohl physisch, als auch psychisch." „Aber Monate? Maya, das geht nicht. Ich bin noch nicht dazu bereit, dich endgültig loszulassen." „Komm her" murmle ich und schlinge meine Arme um ihn „Es ist das Richtige, das weiß ich... und irgendwann werdet ihr das auch verstehen. Ich bin am Ende mit meinen Kräften. Seit über einem Jahr kämpfe ich jetzt gegen Goliat, aber ich bin nunmal nicht David. Ja, ihr steht alle an meiner Seite. Vor allem du müsstest das nicht tun. Aber ich weiß schon lange, dass ich diesen Kampf nicht gewinnen werde." „Dann erklär das mal deinem Freund, der kommt da grade... Wir sehen uns."
Ich drehe mich um und sehe Wincent auf mich zukommen. Er weiß schon, dass etwas ganz und gar nicht stimmt, das sehe ich an seinem Blick. „Maya?" „Können wir erstmal hier weg? Bitte?" „Kannst du mir erst sagen, was los ist? Ich kann sonst nicht fahren wahrscheinlich." „Komm mit" seufze ich und ziehe ihn in eine ruhigere Ecke. „Also?" „Der Krebs hat weiter gestreut." Augenblicklich verfestigt er seinen Griff um meine Hand. „Und was bedeutet das? Aggressivere Therapie?" „Gar keine Therapie. Alles was mir die noch bringen würde, wäre etwas mehr Zeit, die umso qualvoller wäre. Ich weiß, dass ich versprochen habe zu kämpfen... aber es geht nicht mehr. Ich habe verloren." Er schweigt, ich sehe, wie es in ihm arbeitet. „Wie viel Zeit haben wir noch?" „Ein paar Monate... vielleicht ein halbes Jahr." Er schließt seine Augen... eine ganze Weile sagt keiner von uns beiden ein Wort. „Dann bleibt uns also ein halbes Jahr, um ein ganzes Leben zu führen" murmelt er irgendwann.

Vielleicht im nächsten LebenOnde histórias criam vida. Descubra agora