In der Grabkammer

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Triggerwarnung für dieses Kapitel: Klaustrophobie

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Jisungs Pov:

„Sieh mal."

Ich folgte mit den Augen seinem ausgestreckten Finger und dann starrten wir beide ehrfürchtig auf die kunstvolle Bemalung der Decke. Dunkle Blautöne, die beinahe ins Schwarz übergingen, wechselten sich ab mit kräftigem Rot und ockerfarbenen Akzenten. Allein die Farbpalette war ein Schauspiel an sich und der gute Zustand und die Leuchtkraft der Malereien ließ darauf schließen, dass kaum Feuchtigkeit in die Grabkammer gelangt war. Dies bedeutete im Umkehrschluss, dass wahrscheinlich niemand vor uns hier gewesen war.

Als ich den Blick wieder nach vorn richtete, erkannte ich die in den Stein gemeißelten, reliefartigen Darstellungen weiterer Szenen, die höchstwahrscheinlich das Leben des hier Begrabenen darstellten. Auch einige Hieroglyphen waren zu erkennen und ich trat näher an die Wand rechts von mir. Routiniert suchte ich nach einem Vogel, der im Schriftsystem der Ägypter häufig einen Satzanfang markierte. Als ich ihn fand, blickte dieser Vogel nach links und verriet mir damit, dass ich von rechts nach links lesen sollte, um die Symbole zu verstehen. Da mich die Schrift der Ägypter schon immer fasziniert hatte, dauerte es gar nicht so lange, bis ich die wenigen Zeilen zumindest sinngemäß übersetzen konnte.

„Dieses steinerne Grabmal schützt den sterblichen Körper des Pharaos und bewahrt dessen Liebe über alle Zeiten hinweg. Ewiger Frieden und-" Ich stockte kurz, weil mir das folgende Wort undeutlich erschien. „und Gnade für die Liebenden." Ich runzelte die Stirn und konnte nicht ganz glauben, was ich da las.

„Heißt das, das ist ein Pharaonengrab?", fragte Yeosang aufgeregt. Dann hielt er in seinem Übermut inne, so als würde er sich des Ausmaßes der Worte bewusstwerden. „Weißt du, was das für eine Entdeckung wäre?", hauchte er und leuchtete ehrfürchtig den Gang entlang, bis seine Taschenlampe auf eine weitere Mauer traf.

„Ja, das ist mir bewusst. Wir sind wirklich die ersten, die das hier sehen dürfen." Auch mich überkam eine Welle der Überwältigung und Ehrfurcht und dennoch passte etwas nicht wirklich ins Bild, ich konnte nur nicht benennen, was es war. Langsam beinahe unsicher lief ich an der Wand entlang, versuchte den Darstellungen weitere Informationen zu entlocken und meine Neugierde zu befriedigen.

„Um welchen Herrscher soll es sich denn handeln?", hakte mein Begleiter nach, aber stiefelte schon den Gang entlang auf die Mauer zu, die sicher unser letztes Hindernis vor der Grabkammer darstellte.

Ich wandte mich erneut um, leuchtete auf die Hieroglyphen und verstand nun endlich, was mir so seltsam vorkam.

„Das steht da nicht", murmelte ich. „Das ist sehr komisch." Zwar kam es ab und an vor, dass Namen nicht explizit erwähnt wurden und man erst in den Kartuschen der Grabkammer die Titel des Herrschers fand, dennoch gab es meist vorher Hinweise oder zumindest Erwähnungen anderer wichtiger Persönlichkeiten, sodass man eine zeitliche Einordnung treffen konnte. Doch ich tat diesen Umstand als Nebensächlichkeit ab und folgte lieber Yeosang, der nun vor einem besonders schmalen Durchgang in der Wand stehenblieb.

„Lass mich raten... wir müssen da durch, um in die Grabkammer zu kommen", seufzte ich und war überrascht, als Yeosang mir nicht einmal antwortete, bevor er sich durch die Öffnung zwängte. Offensichtlich hatte ihn das Entdeckerfieber ebenso gepackt wie mich und nach einigen weiteren Sekunden hörte ich seine Antwort gedämpft von der anderen Seite.

„Natürlich und ich kann dir garantieren, dass es sich für den Anblick lohnt." Dann blieb es einen Moment lang still und nur die Schritte des Älteren waren im nächsten Raum zu hören. „Was ist jetzt? Kommst du, oder willst du dort drüben Wurzeln schlagen?"

God-king of Egypt | MinsungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt