Das Geheimnis der Schriftrolle

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Jisungs Pov: 

Ausgeruht und voller Tatendrang schritt ich die Gänge der Universität entlang. Zu dieser frühen Stunde waren die Flure noch deutlich leerer und die Hitze des Tages war noch längst nicht so drückend wie am Nachmittag. Außerdem hielten die dicken Kalksteinmauern zuverlässig die Wärme ab.

Ich griff fester nach dem Gurt meiner Umhängetasche, damit sie nicht von der Schulter rutschte, während ich mit der anderen Hand die Krawatte lockerte, die ich zu meinem dunkelblauen Hemd und den beigen Hosen trug. Man bestand zwar nicht auf eine piekfeine Kleidung an dieser Uni, dennoch machte ich mich an den Tagen gerne schick, die ich tatsächlich noch in den Gebäuden der wissenschaftlichen Fakultät verbrachte. Draußen im Sand der Wüste konnte ich weder ein Hemd noch teure Lederschuhe tragen, aber hier konnte ich zeigen, dass mein Sinn für guten Geschmack nicht vollkommen verlorenging, während ich in längst vergessen geglaubten Ruinen nach antiken Artefakten grub.

Jedenfalls lief ich zielstrebig auf den hinteren Gebäudeteil zu, da dort die Labore für die Altertumsforschung untergebracht waren, zu denen ich nun unbedingt wollte. Ich hatte gute zwei Stunden Zeit, bis ich gemeinsam mit Yeosang zu einem Seminar gehen musste und nach der Mittagspause würde ich selbst ein Tutorium für einen Kurs geben, der erst in diesem Semester mit dem Studium der Ägyptologie begonnen hatte.

Es machte mir Spaß, mein Wissen auch an andere weiterzugehen und da meine Dozenten mich als engagierten und wissbegierigen jungen Mann kannten, hatten sie mir die Möglichkeit angeboten, selbst diese Übungsstunden zu unterrichten. Diesem glücklichen Umstand hatte ich es ebenfalls zu verdanken, dass ich einen Schlüssel zu den Laboren besaß und mich selbst einlassen durfte. Gerade jetzt machte sich diese Tatsache sehr bezahlt.

Als ich vor der richtigen Tür ankam, sah ich mich beinahe verstohlen um, bevor ich den Schlüssel ins Schloss schob und dann zweimal nach links drehte, bis ein leises Klicken mir verriet, dass ich nun eintreten konnte.

Beinahe hastig schlüpfte ich in den Raum und schloss die Tür hinter mir wieder ab. Sonst war ich wirklich nicht so geheimniskrämerisch, doch wenn ich darüber nachdachte, was ich momentan in meiner Tasche transportierte und was es auslösen könnte, wenn jemand anderes den Gegenstand zu Gesicht bekam, erschien mir meine Vorsicht nicht mehr übertrieben.

Behutsam stellte ich meine Tasche auf einem Stuhl ab und holte den Beutel mit der hölzernen Röhre hervor. Nach einem tiefen Luftholen legte ich diese auf den Tisch und schaltete das künstliche Licht an, um alles möglichst gut auszuleuchten, dann streifte ich mir Sicherheitshandschuhe über und begab mich wieder zu dem Tisch. Kurz betrachtete ich den Beutel und überlegte, ob ich den Inhalt zunächst noch chemisch behandelt musste, entschied mich dann aber dagegen, da hier eine klinische Sauberkeit herrschte und die Luftfeuchtigkeit ebenso gering gehalten wurde. Sicherheitshalber setzte ich mir dennoch eine medizinische Maske auf und öffnete dann langsam und immer noch etwas nervös den Aufbewahrungsbeutel.

Ich wartete sogar noch ein oder zwei Minuten, um sicherzugehen, dass sich das alte Holz an die neuen Bedingungen gewöhnen konnte, bevor ich es erneut berührte und aus dem Beutel holte. Die Röhre lag leicht und dennoch solide in meiner Hand und ich konnte ähnlich wie gestern die Pflanzenfasern zur Seite biegen und die Verschlusskappe lösen.

Neugierig starrte ich auf das Stück Leder, das noch ebenso unberührt dalag, wie das letzte Mal, als ich es gesehen hatte. Kurz überlegte ich, ob ich es mit einer Pinzette hervorziehen sollte, aber dann versuchte ich doch die einfachste aller Varianten und drehte das Gefäß langsam einmal um und hielt die andere Hand schützend unter die Öffnung. Tatsächlich löste sich das alte Schriftstück ohne langes Bitten oder ein sanftes Schütteln vom Boden und rutschte in meine Handfläche, wo ich es so vorsichtig wie möglich ergriff.

God-king of Egypt | MinsungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt