Kapitel 12

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Drei Jahre zuvor in L.A.

Ein Mann Mitte 20, dessen Augenlider fest geschlossen sind, liegt in einem Krankenhausbett. Er ist an viele Geräte angeschlossen. Ein Elektrokardiogramm überwacht seine Herztätigkeit, an seinem linken Mittelfinger ist ein Pulsoximeter mit Lichtsensor angebracht, der die Sauerstoffsättigung in seinem Blut misst, eine Blutdruckmanschette an seinem rechten Oberarm misst die Pumpleistung des Herzens und in seiner linken Armbeuge steckt ein Zugang. Außerdem hängt am Bett ein Urinbeutel und seine rechte Hand ist bandagiert.
Die Tür öffnet sich und eine junge dunkelhaarige Frau betritt mit einem Infusionsbehälter mit durchsichtigem Inhalt das Zimmer, in welchem sich außer dem Patienten auch fünf Erwachsene und zwei Kinder befinden. Einer der vier Männer setzt seine Sonnenbrille hastig auf, als er sie sieht und ein anderer dreht ihr den Rücken zu. Die Krankenschwester hängt die Flasche in die dafür vorgesehene Vorrichtung und schließt diese mit einem Infusionsschlauch an dem Zugang an. Nachdem dies getan ist, verlässt sie schnell den Raum.
Ein paar Minuten ist nur das stetige Tropfen der Kochsalzlösung im Tropf zu hören, bis ein etwa vierjähriges Mädchen am Hosenbein eines mittelblonden Mannes zieht und fragt: „Daddy, wird Onkel Alex wieder gesund?"
„Ja, Schätzchen, er wird wieder gesund werden", sagt ihr Vater liebevoll und streicht seiner Tochter übers blonde Haar.
„Hat er Krebs wie Mama?" Alle Anwesenden sehen die Kleine etwas geschockt an.
„Nein", antwortet der Vater des Kindes schnell.
Die Frau, die eine dunkelgrüne Strickmütze trägt, sieht das Mädchen einen Augenblick traurig an. Sie ist sehr blass, hat dunkle Augenringe und der beige Pullover, den sie an hat, ist ihr ein paar Nummern zu groß.
„Wie konnte so etwas nur passieren?", fragt ein korpulenter Mann mit schon ein paar grauen Strähnen im Haar in die Runde.
„Sophie, möchtest du Gummibärchen oder einen Schokoriegel aus dem Automaten haben?"
„Ja", ruft diese mit glockenheller Stimme.
„Dann lass uns gehen." Die Kleine strahlt ihre Mutter an. Mit dem Mädchen an der Hand und einem Buggy, in dem ein vielleicht einjähriger Junge schläft, vor sich herschiebend, verlässt die Frau mit der Mütze das Zimmer.
Sobald die Tür hinter den dreien ins Schloss fällt, ergreift der Kerl, der sich vorhin die Sonnenbrille aufgesetzt hatte und neben dem Bett auf einem Stuhl sitzt, das Wort. „Er griff immer häufiger zum Alkohol und dass er ein Problem hatte, das wussten wir alle. In letzter Zeit war er oft betrunken oder erschien mit einer Fahne zu Dreharbeiten oder privaten Treffen."
„Im vergangenen Jahr habe ich ihn zwar nicht oft gesehen, aber wenn, dann sah er nicht gut aus und roch nicht selten nach Alkohol. Daher gebe ich Carter recht. Mit ihm stimmte etwas nicht und das hat jeder von uns mitbekommen." Der Mann, dessen Frau mit den Kindern den Raum verlassen hat, tritt näher an das Bett heran.
„Wer hätte ahnen können, dass es so weit kommt." Der schwarzhaarige Typ dreht sich vom Fenster weg und betrachtet den Kranken. Seine Arme zieren unzählige Tattoos.
„Wir, denn wir sind schließlich seine Freunde und Bandkollegen." Carter nimmt die Sonnenbrille ab und reibt sich die Augen.
„In welchem Zustand hast du in denn genau gefunden?" Der Tattoovierte lehnt sich an die Wand und holt ein Smartphone aus seiner Hosentasche, auf dem er kurz herumtippt.
„Ich fand ihn bewusstlos im Flur. Eine große Scherbe des Spiegels, den er zerschlagen hatte, lag neben ihm. Nicht weit von ihm entfernt befanden sich auch noch Splitter einer Flasche und dem Geruch zu urteilen eine Whisky-Pfütze."
„Hast du einen Krankenwagen gerufen?"
Carter springt vom Stuhl auf. „River, machst du dir jetzt wirklich Sorgen darum, dass die Presse davon erfahren könnte. Wenn du es genau wissen willst, wir haben versucht, ihn wach zu bekommen, und als das nicht klappte, wickelten wir ein Tuch um seine verletzte Hand, schafften es zusammen, ihn in mein Auto zu befördern, und ich fuhr dann mit ihm hierher in die Notaufnahme."
„Jungs, hier ist weder der richtige Ort noch die richtige Zeit, um zu streiten. Er braucht uns im Moment als Einheit." Der älteste der vier Männer legt Carter eine Hand auf die Schulter, um ihn daran zu hindern, auf den Schwarzhaarigen loszugehen.
„Simon hat recht. Einander anzuschreien und uns gegenseitig Vorwürfe zu machen, bringt uns nicht weiter. Wir müssen jetzt eine geschlossene Front bilden, damit wir ihn dazu bringen, sich in Therapie zu begeben", sagt der mittelblonde Kerl ernst und steckt die Hände in die Taschen.
„Jamie, du klingst ja schon fast wie ein Psychologe." River stößt sich von der Wand ab und macht zwei Schritte nach vorn auf das Bett zu. „Ach, und was heißt eigentlich wir?"
„Hätte Alex gestern nicht ein Fotoshooting für die Filmplakate von Uni LA 2 gehabt, zu dem er nicht aufgetaucht war, lege er bestimmt immer noch in seinem Flur. Als er nicht erschien und Alice in auch nicht auf dem Handy erreichen konnte, machte sie sich Sorgen und fuhr zu ihm. Als er ihr nicht die Tür öffnete, obwohl sein Auto in der Einfahrt stand, rief sie mich an. Sie erzählte mir, dass sie die Befürchtung habe, ihm sei etwas passiert. Sie hat nämlich gesehen, wie er am Abend zuvor schwankend in seinen Wagen gestiegen und losgefahren war. Und bevor ihr fragt, sie hat mir versprochen, niemandem davon zu erzählen."
„Sind die beiden etwa zusammen?"
„Nein, soweit ich weiß, hat sie einen Freund", sagt Carter und fährt sich durch die Haare.
„War er schon wach?" River geht ein bisschen zurück und lehnt sich wieder gegen die Wand.
„Die Schwester sagte mir, er war in der Nacht ein paarmal wach. Er wollte wohl aufstehen und gehen, daher haben die ihm etwas zu Beruhigung gegeben und deswegen schläft er noch. Was hast du in der Notaufnahme gesagt, als sie von dir wissen wollten, was passiert ist?" Simon durchquert den Raum und versucht das Fenster zu öffnen, doch da es abgeschlossen ist, bekommt er es nicht auf.
„Ich habe ihnen erzählt, er habe sich besoffen mit einem anderen Kerl geprügelt."
„Das Krankenhauspersonal, das ihn erkannt hat, zum Schweigen zu bringen, wird nicht einfach werden, aber das kriege ich irgendwie schon hin. Ich habe vor, ein Statement herauszugeben, in dem ich erkläre, dass er ziemlich blöd ausgerutscht ist."
Die Augenlider von Alex öffnen sich flatternd. „Wo bin ich?", bringt er krächzend hervor und fängt an zu husten.
Jamie geht auf den Tisch zu, der in einer Ecke des Zimmers steht, gießt Wasser in eine Tasse und geht damit zu den anderen, die sich um das Bett versammelt haben. Er schiebt wortlos Carter zur Seite, hilft Alex gekonnt ein wenig auf und gibt ihm etwas zu trinken. Der Kranke leert die Tasse in vier Zügen, woraufhin Jamie sie River reicht, der ihm gegenüber auf der anderen Seite des Bettes steht.
„Wo bin ich?", fragt Alex erneut mit kratzender und sehr rauer Stimme, während Jamie ihn wieder vorsichtig hinlegt und das Kopfteil ein bisschen hochfährt.
„Du bist im Krankenhaus", antwortet River und stellt die Tasse auf den Krankenhausbeistelltisch.
„Und warum bin ich hier? Was ist überhaupt passiert?"
„Du lagst bewusstlos und blutend in deinem Flur." Alex sieht Carter einen kurzen Moment verwirrt an, bevor er die Augen erschrocken aufreißt. Er scheint sich an seinen Unfall zu erinnern, auch wenn die Erinnerung sicherlich verschwommen und vom Alkohol getrübt ist.
„Ich gehe mal und sag einer Schwester Bescheid, dass er wach ist", meint Simon und verlässt fluchtartig den Raum.
Carter, Jamie und River sehen sich an. Ihre Blicke machen deutlich, dass sie nicht wissen, wie sie am besten das Thema Therapie und Entzug ansprechen sollen.
„Leute, was ist los?"
„Alex, du hast ein Alkohol Problem. Wir denken ...", ergreift River als erster das Wort.
„Du musst dich in Therapie begeben", führt Carter weiter aus.
„Ich weiß." In seinem Gesichtsausdruck ist Scham und Angst zu sehen.
„Wir werden dir beistehen, egal was kommt", sichert ihm Jamie zu.

Liebe auf wackligen BeinenHikayelerin yaşadığı yer. Şimdi keşfedin