Kapitel 33

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Superfood Goji-Beere
Models schwören auf die kleine schrumpelige rote Frucht aus China, die man hierzulande fast ausschließlich in getrockneter Form erhält, da sie einem beim Abnehmen helfen soll. Man schreibt ihr zu, dass sie die Produktion der menschlichen Wachstumshormone ankurbelt, Schlafprobleme lindert, das Immunsystem stärkt, den Augen guttut und gegen Stress sowie Erschöpfung hilft. Man kann sie zum Frühstück ...
Das Klingeln eines Handys lässt mich im Schreiben innehalten. Gedankenverloren greife ich nach dem Smartphone, das auf dem Tisch liegt, um ranzugehen.
„Ich habe das Foto von deiner und Victorias Hand gesehen, also hat der Regisseur es nicht verhindern können, dass sie kommt", meint eine Frauenstimme am anderen Ende der Leitung, ehe ich etwas sagen kann.
Erst jetzt merke ich, dass ich gedankenverloren, weil ich so in den Artikel vertieft gewesen bin, an das Mobiltelefon von Alex rangegangen bin. Mein und sein Smartphone hatten nebeneinander auf dem Tisch gelegen.
Wer ist die Frau am anderen Ende der Leitung und woher weiß sie von mir? Hat Alex etwa eine Affäre? Betrog er mich?
„Alex, bist du noch dran?"
„Hier ist Victoria. Soll ich Alex etwas ausrichten?", frage ich ein wenig unsicher.
„Oh." Kurz ist ein Rauschen zu hören, so als ob sie sich den Hörer gegen die Brust drückt. „Alex dreht gerade stimmt's?", fügt sie noch nach einer winzigen Pause hinzu.
„Ja."
„Dann haben wir ja Zeit, uns etwas zu unterhalten. Ich bin übrigens Jennifer Alex's jüngere Schwester. Hattest du eine angenehme Reise?"
Aus Scham, weil ich allen Ernstes für einen Augenblick gedacht habe Alex könnte mich betrügen, laufe ich heute schon zum dritten Mal so rot an wie eine Tomate. Ich darf nicht immer davon ausgehen, von einem Mann hintergangen zu werden, sondern ich muss unbedingt anfangen, Alex zu vertrauen, ansonsten würde unsere Beziehung nicht lange halten.
„Ja, die hatte ich."
Alex hat ein sehr gutes Verhältnis zu seinen Geschwistern, obwohl er sich mit seiner jüngeren Schwester vielleicht besser versteht, weil er häufiger mit ihr telefoniert.
„Ich hoffe, du langweilst dich nicht zu sehr am Set. Es kann ziemlich eintönig sein, den ganzen Tag den Schauspielern beim Drehen zuzuschauen."
„Langweilig wird mir schon nicht werden, denn ich habe mir ja Arbeit mitgenommen."
„Ach stimmt, er hat erwähnt, dass du für eine kleine, britische Frauenzeitschrift schreibst und somit einen Job hast, bei dem du von überall auf der Welt arbeiten kannst. Das ist, wenn man meinen Bruder als Freund hat sehr praktisch, da du ihn, falls du möchtest, zu Filmdrehs und auf Tourneen begleiten kannst."
„Hat Alex dich schon einmal auf ein Set mitgenommen?"
„Ja und nach vier Stunden habe ich mich tierisch gelangweilt."
Den ganzen Tag den Schauspielern beim Spielen zuzugucken ist bestimmt sehr eintönig. Was Greg jetzt wohl macht? Ob er auch von hier aus arbeiten kann? Wenn ich mit Jennifer zu Ende geredet habe, werde ich mal schauen, was er so tat und ihm ein wenig Gesellschaft leisten, sollte er allein herumsitzen. Hätte ich nicht von hier aus arbeiten können, wäre ich wahrscheinlich nur ein paar Tage in Irland geblieben, weil ich mir nicht so kurzfristig zwei Wochen Urlaub hätte nehmen können.
„Alex sagte, du willst nicht im Rampenlicht stehen, da du nicht von Paparazzi verfolgt werden willst. Hat sich daran etwas geändert oder warum hat er ein Foto gepostet? Du weißt von dem Bild von euren Händen, oder?"
„Ja, ich weiß von dem Foto, das er gepostet hat und nein, an meiner Meinung dazu von Fotografen gejagt zu werden, hat sich nichts geändert. Wir haben das Bild online gestellt, um dem ganzen Gerede, das über seine Sexualität im Umlauf ist, endlich ein Ende zu machen."
„Das Gerücht, er wäre schwul, ist absurd, aber es hält sich hartnäckig und hat ihm zeitweise ganz schön zu schaffen gemacht."
Wie es scheint, bin ich die einzige, die nicht gewusst hatte, wie sehr ihm die Spekulationen darüber, er könnte auf Männer stehen zugesetzt haben.
„Manchmal lese und höre ich Dinge über meinen Bruder, die mich zum Lachen bringen, weil sie einfach nur lächerlich sind. Oder kannst du dir vorstellen, dass Alex Carter einen Zungenkuss gibt?„
Ich fange ungewollt an zu lachen, da sich vor meinem inneren Auge das von ihr beschriebene Szenario abspielt. Jennifer am anderen Ende der Leitung kichert.
„Wenn du darüber lachen kannst, hast du Carter schon kennengelernt", meint sie glucksend. „Er ist eine gewöhnungsbedürftige Persönlichkeit, aber im Grunde ist er ganz nett. Ein kleiner Tipp von mir nimm nicht alles ernst, was er sagt. Ich kenne die besten Freunde meines Bruders sehr gut und weiß daher, wie nervig jeder einzelne von ihnen sein kann."
Da ich Carter erst seit gestern kenne, habe ich mir über ihn noch keine richtige Meinung gebildet und kann daher nicht beurteilen, wie nervig er ist. „Hat man so etwas in der Art schon mal behauptet? Ich meine, dass Alex und Carter ein Paar sind?"
„Nein, zum Glück nicht. Die beiden Chaoten hätten dieses Gerücht aus Spaß am Anfang noch angeheizt und wären es dann am Ende nicht mehr losgeworden."
„Carter, Alex, das ist nicht lustig! Bleibt sofort stehen und gibt mir mein Handy wieder!", höre ich Mia schreien.
„Erst wenn du uns sagst, mit wem du so vertieft geschrieben hast", ruft Carter.
Ich drehe mich mit dem Smartphone von Alex am Ohr zur offenen Tür um und sehe gerade noch, wie Carter Alex ein Handy zuwirft, das allen Anschein Mia gehört. So gekonnt wie mein Freund es fängt, macht er das mit Carter bestimmt häufiger. Die schwarzhaarige Schauspielerin, die den Keyboarder am Ärmel gepackt hat, lässt ihn los und geht wütend auf Alex zu, der sich umgedreht hat und auf mich zu rennt.
„Wenn es kaputt geht, werdet ihr mir ein neues kaufen", ruft sie Alex hinterher und betritt keine Minute nach ihm die Maske.
„Was ist denn bei dir los?"
„Äh  ..." Ich kann ihr ja schlecht sagen, was ihr großer Bruder und sein Kumpel hier gerade abziehen.
„Alex ist gerade in den Raum gekommen. Ich gebe ihn dir mal, dann kann er dir den Lärm erklären. Es war schön, mit dir gesprochen zu haben", sage ich und halte Alex, der, als ich seinen Namen genannt habe, zu mir geschaut hat und der jetzt neben mir steht, sein Handy hin.
Bevor er nach seinem Smartphone greift, wirft er Mias Handy noch Carter zu, der in der Tür steht.
„Alex, deine Schwester", füge ich auf seinen fragenden Blick hinzu.
„Hey Jenny, was gibt's?"
„Carter, jetzt gib es schon her!" Mia hat sich die Hände in die Hüften gestemmt, vor Carter aufgebaut und funkelt ihn böse an.
„Hier ist nichts los. ... Der Lärm kommt von Mia und Carter, die sich wegen irgendetwas streiten. ... Ich lüge nicht. ... Mir geht's gut. ... Nein, ich habe noch nicht nachgeschaut wieso?"
Der Keyboarder merkt, dass er Alex das Handy nicht mehr zu werfen kann, denn dieser achtet nicht mehr auf ihn und die schwarzhaarige Schauspielerin und wendet sich an mich. „Victoria, bist du gut im Fangen?"
„Zieh mich da nicht rein", sage ich und hebe abwehrend die Hände.
Erst jetzt fällt mir auf, dass alle drei keine Abendgarderobe mehr tragen. Mia hat eine verwaschene helle Jeans und einen roten Pullover an. Carter trägt eine schlichte dunkle Hose und ein weißes Hemd und Alex hat eine beige Hose und ein hellblaues Hemd an, bei dem die Ärmel bis zu den Ellbogen hochgekrempelt sind.
„Du bist eine Spielverderberin."
„Nein, das ist sie nicht, sondern anders zu dir benimmt sie sich ihrem Alter entsprechend."
„Dann können Alex, du und ich uns von ihr noch eine Scheibe abschneiden", meint er mit einem spitzbübischen Grinsen und macht einen Schritt zurück.
„Wenn du jetzt wegläufst, bringe ich dich eigenhändig um", droht Mia ihm.
„Nach dem Mord an mir wäre deine Karriere vorbei." Er geht noch einen Schritt nach hinten.
„Carter!" Mia sieht ihn bitterböse an.
„Hier hast du es wieder." Carter legt Mias Smartphone in ihre ausgestreckte rechte Hand. Sie dreht sich daraufhin um und lässt sich auf einem Stuhl am anderen Ende des Raumes nieder.
„Ich werde gleich nachschauen", sagt Alex zu Jennifer.
„Alex, grüß Jenny von mir."
„Ich soll dich von Carter grüßen. .. Ja, richte ich ihm aus. ... Okay, ciao."
„Carter, sie sagt, du solltest anstatt deine Kollegen ständig zu ärgern, mal deine Eltern anrufen oder mit deiner bildhübschen und bezaubernden Freundin telefonieren." Alex lehnt sich an den Tisch, auf dem mein Laptop steht und tippt auf seinem Handy herum.
„Stell mich nicht immer als den Bösen da. Du hast schließlich mitgemacht."

Liebe auf wackligen BeinenWhere stories live. Discover now