Kapitel 26

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Dass er die Badezimmertür schließt und kurz darauf die Dusche angeht, nehme ich unterbewusst wahr, da ich mich darauf konzentriere, alle Seiten der Geheimhaltungsvereinbarung gut lesbar abzufotografieren. Ich unterschreibe ungern etwas, indem ein Haken drin sein könnte oder was ich mir vorher nicht durchgelesen habe. Hoffentlich hat Alex Verständnis dafür. Ich muss halt darauf achten, dass sich nichts negativ auf meine Berufe als Schriftstellerin und Journalistin auswirkt. Das Dokument könnte auch eine Klausel enthalten, die es mir verbietet, einen Laptop zu den Sets mitzunehmen, sodass ich nicht arbeiten könnte.
Vicky: Guten Abend Dad, wie geht es dir? Prüfst du bitte kurz diese Geheimhaltungsvereinbarung?
Nachdem ich diese Nachricht abgeschickt habe, schreibe ich noch kurz Mum, Emma und Liam, dass ich gut angekommen war.
Nun begebe ich mich zu meinen Koffern, rolle den einen zu einem Stuhl und hieve ihn dadrauf, um mir Kleidung für morgen rauszusuchen, die ich dann auf den Schreibtisch lege. In diesem Koffer befinden sich weder eine meiner langen Pyjamahosen noch mein Kulturbeutel. Also hebe ich den anderen Koffer hoch und werde in ihm fündig.
Mein Handy vibriert und ich nehme es zur Hand, um zu sehen, wer mir geschrieben hat.
Dad: Mir geht es gut. Und wie geht es dir? Warum musst du eine Geheimhaltungsvereinbarung unterschreiben?
Vicky: Mir geht es auch gut. Mein Freund dreht gerade einen Film und um mit ihm aufs Set zu dürfen, muss ich diese Vereinbarung unterzeichnen.
Dad: Seit wann hast du einen Freund und wie heißt er?
Ich seufze kurz auf. Dass solche Fragen kommen würden, habe ich geahnt. Obwohl sich Dad von Mum scheiden ließ und uns verlassen hatte, haben Liam und ich ein gutes Verhältnis zu ihm. Mein Vater ist kein schlechter Mensch und er interessiert sich für uns. Mein Bruder und ich besuchen ihn ab und zu oder er uns. Es hat ihn sicherlich sehr überrascht, dass ich plötzlich einen Freund habe, da ich noch keine Gelegenheit gehabt hatte, es ihm zu erzählen. Es gab Zeiten, da hatte er nach Jungs gefragt, aber weil meine Antwort immer gleich ausgefallen war, hatte er irgendwann damit aufgehört. Wie jeder Vater wünscht auch er sich für seine Tochter einen Mann, der sie gut behandelt und ein anständiger Kerl ist.
Vicky: Ich bin seit ungefähr zwei Monaten mit dem Musiker und Schauspieler Alexander Black zusammen. Kann ich die Geheimhaltungsvereinbarung ohne Bedenken unterschreiben?
Dad: Meine Tochter hat seit zwei Monaten einen Freund und ich erfahre es erst jetzt und noch dazu auf diesem Weg. Sollte ich beleidigt sein? Wenn du nicht vorhast, über das zu reden oder zu schreiben, was du bei den Sets siehst und auch keine Fotos auf soziale Netzwerke hochlädst, kannst du die Vereinbarung ruhig unterzeichnen. Falls du dagegen verstoßen solltest, verklagen sie dich auf 200.000 $.
Vicky: Dad, ich hab dich lieb und hätte es dir gern persönlich erzählt. Glaub mir, Mum wüsste auch nichts davon, wenn Anne sich nicht verquatscht hätte. Vielen Dank für deine Hilfe. Ich wünsche dir eine gute Nacht.
Ich hole aus meiner Handtasche, die hinterm Rollstuhl hängt, einen Kugelschreiber heraus und setze meine schwungvolle Unterschrift auf die letzte Seite der Geheimhaltungsvereinbarung.
Die Badezimmertür öffnet sich und Alex kommt mit feuchten Haaren und nur mit einer Boxershorts bekleidet raus. Mein Blick heftet sich an seinen makellosen Körper. Er hat einen durchtrainierten Oberkörper und einen flachen Bauch. Ich bin nicht enttäuscht, dass er kein Sixpack hat, denn darauf lege ich keinen Wert. Seine Arm- und Schultermuskulatur ist ausgeprägt, aber nicht zu sehr. Seine Waden sind ziemlich kräftig, was, wie ich vermute, vom Joggen kommt. Ich habe ja seine echte Haarfarbe noch nicht wirklich gesehen, aber jetzt kann ich mir sie ungefähr vorstellen, denn er hat ein paar hellblonde Haare rund um den Bauchnabel. Diese ziehen sich bis zum Boxershortsbund und verschwinden darunter. Zum Glück ist seine Brust nicht behaart, denn ich stelle es mir viel angenehmer vor meinen Kopf auf eine glatte Männerbrust zu legen, als auf eine behaarte.
Ich löse meinen Blick von ihm und sehe, wie er mich selbstzufrieden anschaut. Mit hochrotem Gesicht wende ich mich wieder meinen Koffern zu.
„Gefällt dir, was du siehst?", fragt er und wirft sich in eine Modelpose. Er stemmt die Hände in die Hüften, streckt die Brust raus, legt den Kopf schräg und macht ein Duckface.
Bei diesem Anblick kann ich nicht anders und fange an zu lachen. In dieser Körperhaltung und mit dem Gesichtsausdruck sieht er einfach lächerlich aus. Natürlich habe ich schon Models in so ähnlichen Posen gesehen und bei manchen schaut das vielleicht gut aus, aber bei ihm nicht.
„Alex, dass du einen Hammer Körper hast, haben dir doch bestimmt schon viele gesagt und daher brauchst du meine Bestätigung sicherlich nicht. Aber damit du es weißt, ja, mir gefällt das, was ich sehe." Bevor ich wieder rot anlaufe, nehme ich mein Schlafoutfit sowie den Kulturbeutel und verschwinde im Bad.
Das Badezimmer ist nicht so groß wie meins zu Hause, aber dennoch werde ich hier gut zurechtkommen. Dadurch, dass Alex gerade geduscht hat, ist es schön warm hier. In der ebenerdigen Dusche steht ein Plastikstuhl, den er auf meine Bitte hin besorgt hatte, damit ich mich ohne fremde Hilfe waschen kann, da ich meinen Duschrollstuhl nicht habe mitnehmen können. Auf nassen Untergründen ist die Gefahr für mich zu groß auszurutschen und mir wehzutun.
Da es mittlerweile einfach schon zu spät ist und ich zu kaputt bin, um zu duschen, entscheide ich mich, es auf morgen früh zu verschieben. Das wird für mich bedeuten, früher aufzustehen, aber das macht mir nichts aus. Also putze ich mir die Zähne, wasche mir das Gesicht und ziehe mich um. Weil der Spiegel recht hoch hängt, muss ich kurz aufstehen, um zu schauen, ob nicht irgendwo noch Zahnpastareste kleben.
Ich zupfe noch etwas an der hellvioletten, langen Pyjamahose und einem weißen T-Shirt, das einige Nummern zu groß ist, herum. Zu Hause schlafe ich in einer Hotpant, doch da ich Alex meine verunstalteten Beine noch nicht zeigen will, habe ich zwei lange Pyjamahosen mitgenommen.
Bevor ich das Bad verlasse, halte ich kurz inne. Ich werde heute Nacht das erste Mal mit einem Mann, mit dem ich nicht verwandt bin, im selben Bett schlafen. Als mein Bruder und ich noch klein waren, hatten wir uns im Urlaub auch mal ein Bett geteilt und wenn Emma und ich gemeinsam wegfuhren, war es auch schon vorgekommen, dass wir das machen mussten, weil die Schlafcouch einfach zu unbequem gewesen war.
In meiner ersten Beziehung war es gar nicht so weit gekommen. Hätte ich mit Felix im gleichen Bett geschlafen, wäre es unweigerlich zum Sex gekommen. Er hatte es zwar gewollt, aber ich nicht, weil ich damals noch nicht bereit für mein erstes Mal war. Auch jetzt gerade bin ich noch nicht bereit, mit Alex zu schlafen, aber er würde das auch nicht von mir verlangen.
Plötzlich steigt Angst in mir auf. Was, wenn er es gleich würde tun wollen? Was sollte ich dann machen? Zwar hat er mir nie das Gefühl gegeben, es eilig zu haben oder mich zu etwas zu drängen, aber trotzdem werde ich bei dem Gedanken, mir mit ihm das Bett zu teilen, etwas nervös. Das liegt höchstwahrscheinlich nur daran, dass dies die erste Nacht in meinem Leben sein wird, in der ich neben einen Mann, den ich sehr lieb habe und äußerst attraktiv finde, schlafen werde.
Ich kann mich ja schlecht bis zum Morgen im Badezimmer einschließen, also mache ich kurzerhand die Tür auf und fahre langsam mit meinen schmutzigen Sachen auf dem Schoß zu Alex. Dieser hat es sich auf dem Bett gemütlich gemacht und hält Blätter in der Hand, die von einem Heftstreifen zusammengehalten werden. Das ist wahrscheinlich sein Text. Er liegt auf der Decke, aber auf der anderen Bettseite hat er die Decke schon zur Seite geschlagen. Als ich mich zögerlich nähre, sieht er von den Blättern auf, legt sie weg und lächelt mich an. Ich stelle wieder einmal fest, wie gut aussehend mein Freund ist. Alles an ihm scheint perfekt zu sein. In diesem Moment komme ich mir nicht gut genug für ihn vor.
„Sind das deine schmutzigen Sachen?", fragt er und reißt mich damit aus den negativen Gedanken.
„Hm, ja, ich wusste nicht, wohin damit."
„Im Bad steht ein Wäschekorb. Jeden zweiten Tag wird die Wäsche abgeholt, gewaschen sowie gebügelt und wieder aufs Zimmer gebracht."
Ich nicke und will gerade wieder ins Bad fahren, um die Sachen dort rein zu tun, aber als Alex aufsteht, halte ich inne.
„Vicky, lass mich das machen, dann kannst du dich schon hinlegen." Er nimmt mir die Kleidung ab und geht ins Badezimmer.
Während er nicht im Raum ist, fahre ich zuerst rasch zum Schreibtisch, um mir mein Smartphone zu schnappen und dann zum Bett, in das ich mich hineinlege. Bevor er ins Zimmer kommt, decke ich mich schnell halb zu. Meinen Handywecker stelle ich auf 4:15 am. So würde ich genug Zeit haben, um zu duschen und mich zurechtzumachen.
„Machst du das kleine Licht an, dann kann ich das große ausmachen."
Alex schaltet das Deckenlicht aus und kommt dann im Halbdunkeln aufs Bett zu. Er wirkt wie ein Löwe, der sich an seine Beute anschleicht. Bei diesem Vergleich steigt Panik in mir auf. Wie hypnotisiert beobachte ich jede seiner Bewegungen. Er schlägt die Decke auf seiner Seite zurück und legt sich hin.
„Es ist so schön, dass du hier bist." Er dreht sich zu mir um und gibt mir einen liebevollen Kuss.
„Ich bin froh, hier bei dir zu sein. Danke für den Stuhl in der Dusche."
Alex rückt näher, nimmt mich in den Arm und drückt mich an seine Brust. „Für dich mach ich doch alles", flüstert er in mein Haar.
Ich kuschele mich an ihm, er legt einen Arm um mich und gibt mir einen Kuss auf die Stirn.
„Lass uns jetzt schlafen, denn wir müssen morgen früh raus", sagt er und gähnt.
Ich taste nach dem Nachtlicht, um es auszuschalten, ohne dass er mich loslassen muss und lege meinen Kopf auf seine Brust.
„Gute Nacht, meine liebe Victoria."
Er hält an unserem Ritual fest, stelle ich schmunzelnd fest.
Das leichte Heben und Senken seiner Brust und sein regelmäßiger Herzschlag wirken beruhigend und so gleite ich schnell ins Land der Träume.

Liebe auf wackligen BeinenWhere stories live. Discover now