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Mein Herz machte einen idiotischen Hüpfer. „Elias", hauchte ich und freute mich so sehr, dass er mir nachgekommen war.

„Was machst du hier draußen?" Vorsichtig trat er einen Schritt näher, als hätte er Angst, dass ich davonlaufen würde.

„Fische Luffft." Ich verzog das Gesicht zu einem Grinsen oder zumindest zu etwas, das so ähnlich aussah. So ganz und gar hatte ich meine Gesichtszüge nämlich nicht unter Kontrolle.

„Du hast ganz schön viel getrunken, Süße." Sein Blick wurde mitleidig. „Alles okay bei dir?"

Nickend erwiderte ich: „Alles okee."

„Soll ich dir vielleicht ein Wasser organisieren?"

Das hörte sich wirklich lustig an, wenn man bedachte, dass ich die einzige Person auf dieser Party war, die ihn sehen konnte. Einen kurzen Augenblick war ich versucht herauszufinden, wie er das anstellen wollte, aber dann winkte ich ab. „Nope." Das Wort machte ein lustiges Geräusch auf meinen Lippen. „Pepp, pepp, pepp." Ich wandte den Blick wieder nach oben.

Elias hatte sich mittlerweile neben mich gesellt. Eine Weile standen wir schweigend nebeneinander und blickten in den Himmel. Was er wohl dort oben sah?

Nachdenklich wandte ich den Blick ab und sah stattdessen den Typen neben mir von der Seite an. Ich konnte es noch immer nicht glauben, dass mein absoluter Lieblings-Bookboyfriend tatsächlich hier stand. Das sollte überhaupt nicht möglich sein und ich zweifelte auch nach wie vor ein bisschen an meinem Verstand, aber da war er nun mal und hatte mich den ganzen Tag auf Trapp gehalten. Bei seinem Anblick wusste ich ganz genau, wieso ich mich in ihn verliebt hatte. In dieser Geschichte von Jen. Ich wusste auch, dass er absolut und unwiderruflich immer auf meiner Liste der heißesten Bookboyfriends einen Platz haben würde. Elias Winter war eben umwerfend und verdammt sexy. Fast so schön wie nicht von dieser Welt. Ein Engel mit tiefdunklen Augen, die dafür gemacht waren, mich anzusehen.

Gott, wie kitschig.

Als er seinen Blick vom Himmel abwandte und zu mir sah, schenkte er mir ein atemberaubenden Lächeln, das mein Herz sofort zum Hüpfen brachte. „Können wir reden?"

Ich schluckte. „Ich will nicht reden", presste ich hervor. Plötzlich drehte sich alles, und ein seltsames Gefühl machte sich in meiner Magengegend breit. Wie ätzende Säure schäumte der Alkohol in meinem Magen und brannte in meiner Speiseröhre. Wie von selbst fasste ich mir an die Schläfe.

„Diese Sache zwischen uns ...", fing er an, aber ich konnte ihm kaum zuhören. Mein ganzes Sein konzentrierte sich auf das aufkommende Gefühl von Übelkeit. Ich schluckte erneut und versuchte es zu verdrängen, aber der Alkohol bäumte sich auf. Mein Magen rebellierte. „Ich kann nicht ...", murmelte ich und unterbrach damit seine Erklärungen zu was-auch-immer. Das war gerade sowas von unwichtig. Ich hatte einen akuten Anfall von Kotzalarm und musste dringend verschwinden. Wahrscheinlich war ich schon ganz grün im Gesicht, als ich mir fahrig über die Stirn strich. Vehement vermied ich es, ihm vor die Füße zu spucken. Doch ich konnte nicht mehr länger. Die ätzende Alkoholsäure bahnte sich ihren Weg meine Speiseröhre hinauf. Ich schluckte verzweifelt dagegen an, aber sie ließ sich nicht aufhalten.

„Ich glaube, ich muss gleich kotzen", murmelte ich und schlug mir eine Hand vor den Mund. Hier und jetzt würde ich ihm auf den Boden brechen, wenn ich nicht noch schnell einen Baum fand, hinter dem ich verschwinden konnte. Suchend sah ich mich um.

Als ich spürte, wie die Säure fast meinen Mund erreicht hatte, verschwamm plötzlich alles vor meinen Augen in gleißenden Lichtern und Dunkelheit.


***


Als ich meine Augen öffnete, spürte ich einen wahnsinnigen Druck auf meinen Magen. Ich stöhnte gequält auf, versuchte tief durchzuatmen und den Würgereiz wegzuatmen, aber es half nichts. Gerade noch rechtzeitig konnte ich mich aus dem Bett beugen, bevor ich mich übergab. Als hätte er es gewusst, hatte sich genau dort ein Eimer vollkommen selbstständig platziert und fing meinen Mageninhalt mit einem ekelhaften Platschen auf.

Oh wow.

Nicht auszudenken, wenn das alles auf dem Boden gelandet wäre. Widerlich. Bei Gelegenheit sollte ich Mila dafür danken, dass sie gestern Nacht mitgedacht hatte.

Stöhnend legte ich mich zurück ins Bett und strich mir die schweißnassen Haare aus der Stirn. Mir war noch immer übel und ich wartete angespannt auf den nächsten Würgereiz. Es dauerte nur wenige Minuten. Dann beugte ich mich wieder aus dem Bett und würgte mehrmals, bis auch der Rest meines Mageninhalts mit einem Platschen im Eimer landete.

„Oh, Mann", ächzte ich und ließ mich zurückfallen.

Nie wieder Alkohol.

Nie wieder Club.

Nie wieder Geburtstag feiern. Nie wieder Irgendetwas.

Für den Rest meines Lebens würde ich in meinem Zimmer bleiben, lesen und zeichnen. Was anderes wollte ich sowieso nicht.

Auch nach weiteren Minuten war mir noch leicht schlecht, doch statt des fiesen Drucks auf den Magen, meldeten sich jetzt die Kopfschmerzen des Todes, so schlimm, wie ich sie noch niemals zuvor gehabt hatte.

Verdammter Alkohol.

Langsam prasselte eine Frage nach der anderen auf mich ein. Wo war ich? Erschrocken riss ich die Augen auf, um erleichtert festzustellen, dass ich mich in meinem Zimmer befand, in meinem Bett und allein, wie ich nach einem kurzen Blick zur Seite erkannte. Offenbar war ich meine Wahnvorstellung Elias Winter über Nacht mithilfe des Alkohols losgeworden. Gott sei Dank.

Damit drängte sich sofort die nächste Frage auf: Wie war ich wieder zurückgekommen? Ich konnte mich an nichts mehr erinnern, nur noch vage an die Tatsache, dass ich Elias fast vor die Füße gekotzt hätte, was total nebensächlich war, existierte der Typ ja nicht mal wirklich.

Also mussten Luca oder Mila mich nach Hause gebracht haben. Ich nahm mir vor, mich bei Gelegenheit bei meinem besten Freund zu melden. Doch zu viel Nachdenken machte aus der Migräne des Todes noch üblere Schmerzen, die kaum auszuhalten waren. Schnellstmöglich musste ich diese Kopfschmerzen loswerden, sonst würde ich noch auf die Idee kommen, mir den Schädel mit einem Beil abzuhacken, nur damit es endlich aufhörte. Stöhnend schlug ich die Bettdecke zurück und ließ meine nackten Füße auf flauschigen Teppich vor meinem Bett gleiten. Schwerfällig hievte ich mich hoch und stand auf. Nachdem ich sichergestellt hatte, dass ich stehen konnte, ohne dass mir sofort schwindelig wurde, schlurfte ich aus dem Zimmer, um hinunter in die Küche zu gehen. Dort würde ich sicher irgendwo ein Schmerzmittel finden.

Während ich die Treppe ins Erdgeschoss hinunterstieg, kam mir ein köstlicher Geruch nach frischem Kaffee und Aufbackbrötchen entgegen. Einen kurzen Moment wunderte ich mich, dass meine Familie erst jetzt frühstückte, es musste schließlich schon mittags sein, freute mich aber auch, dass sie offensichtlich meine Kater-Rettung war. Ich folgte dem aromatischen Duft in die Küche und motzte: „Ich gehe nie wieder in den Club. Und Geburtstag feiere ich auch nie wieder." Dabei machte ich bei dem Wort "Geburtstag" Gänsefüßchen in die Luft. Als ich den Blick hob, blieb ich entgeistert stehen.

Oh Gott.

Das waren NICHT meine Eltern. Auch nicht Mila oder eins meiner anderen Geschwister.


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1120 Wörter

What if ...Where stories live. Discover now