In dunkler Nacht

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„Harten Tag gehabt?", fragt Elonor und haucht gegen das Glas, das sie gerade poliert.

Ich stoße ein freudloses Schnauben aus und nippe an meinem Bier, bevor ich ein trockenes „Kann man wohl sagen" erwidere.

Über den Rand ihrer rechteckigen Brille hinweg sieht meine langjährige Freundin zu mir. Ich sitze auf einem der erhöhten Hocker direkt an der Bar, die Unterarme auf die dunkle Holzoberfläche gestützt.

Hinter mir sitzen weitere Kneipenbesucher, Menschen wie Fae, an einfachen Tischen auf ebenso einfachen Stühlen, in das schummrige Licht mehrerer Öllampen gehüllt. Stimmengemurmel tränkt die Luft, in welcher der Geruch nach Alkohol hängt.

„So schlimm?"

Elonor mustert mich mit hochgezogener Augenbraue. Eine ihrer kurzen, blonden Locken hängt ihr in der Stirn.

Diesmal brumme ich, wie Zabel, wenn ihm etwas nicht passt, und trinke mein Bier aus, nur um ihr das Glas hinzuschieben, damit sie es nachfüllen kann. Elonor zieht einen gekünstelten Schmollmund, kommt meinem Wunsch aber ohne zu Murren nach. Sie mag es nicht, dass ich ihr keine ordentliche Antwort gebe.

„Nicht sonderlich gesprächig heute, wie?"

„Wärst du auch nicht, wenn du erlebt hättest, was ich heute mitmachen musste!", antworte ich gedehnt, während der erste Schluck meines vierten Biers anfängt meine Sinne zu vernebeln.

Wer bräuchte nicht einen oder mehrere Drinks, nachdem er erfahren hatte, dass der König ermordet worden war, höchstwahrscheinlich aus dem Grund, einen neuerlichen Krieg zwischen den Völkern der Menschen und der Fae anzufangen.

Am meisten jedoch beschäftigt mich nach wie vor dieser eine Fae, der jetzt in meinem Bett liegen und schlafen müsste. Der Fae, der von seinem eigenen Vater als Preis für den Frieden an den König unseres Landes gegeben wurde und seitdem ein Leben als Sklave führt.

„Oh, es spricht", ruft Elonor aus. Sie stellt das Glas, an dem sie soeben noch mit einem Küchentuch geschrubbt hat, beiseite und beugt sich zu mir vor, ihre hellblauen Augen blitzen neugierig auf. „Nun sag schon, was vorgefallen ist."

Ich schüttele den Kopf und strecke ihr den Zeigefinger entgegen, um ihn vor ihrer Nase hin- und herzuwackeln. „Arbeitsgeheimnis, tut mir leid."

„Pfh", macht Elonor und stellt sich wieder aufrecht hin, um ihre Tätigkeit aufzunehmen und weitere Gläser zu polieren. „Spaßverderber!"

„Schatz, jetzt lass doch gut sein." Die warme Frauenstimme zieht unsere Aufmerksamkeit auf Ramona, die soeben mit einem Tablett leerer Gläser neben mir erscheint und dieses auf der Bar abstellt. Wie ihre Partnerin trägt sie ein beiges Hemd, dessen Saum unter den Bund ihrer dunkelbraunen Stoffhose gesteckt ist. Mit einem breiten Lächeln klopft sie mir auf die Schulter. „Hör nicht auf sie, wir respektieren beide, dass du uns nicht einweihen darfst."

Ich nicke langsam. Das weiß ich, immerhin kenne ich die beiden schon seit Jahren. Elonor ist sogar eine Kindheitsfreundin von mir. Ich war einige Zeit in sie verknallt, bis wir Ramona kennenlernten.

Kurz darauf drückt ebendiese mir ihre rotgeschminkten Lippen auf die Wange, sodass mit Sicherheit ein fetter Abdruck zurückbleibt. Doch das ist mir egal.

„Wir haben dich doch beide lieb", meint sie und wendet sich an Elonor. „Nicht wahr, Schatz?"

Mein Sichtfeld ist bereits leicht verschwommen, dennoch ist das Zwinkern meiner alten Freundin durch den Schleier meines beschwipsten Zustandes zu erkennen. „Na klar doch!"

Ich kann nicht anders als dass meine Mundwinkel nach oben zucken, auch wenn es bloß ein schwächliches Lächeln ist, das eher der Trunkenheit geschuldet ist. Egal an welchen Tagen, Elonor und Ramona haben schon immer zu mir gehalten, dafür liebe ich sie.

[ONC 2024] Detektiv Schwarzherz und der Fall des KönigsWhere stories live. Discover now