Kapitel 2 ✔️

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Tori und ich saßen im Saal unseres ersten gemeinsamen Kurses, in diesem Falle also Literatur, und hörten gelangweilt dem Dozenten zu, der uns etwas über dramatische Texte und ihre Autoren beibringen wollte. Ich wollte jedoch lieber etwas über den menschlichen Körper lernen, anstatt über tote Schriftsteller.
Mein Blick glitt deswegen also über die verschieden Leute die hier saßen, damit ich mich wenigstens ein bisschen beschäftigen konnte. Plötzlich blieb ich an dem dunklen Haarschopf von Ruby hängen, die mehrere Reihen vor uns saß und nicht weniger gelangweilt aussah. Den Kopf hatte sie auf der einen Hand abgestützt und mit der anderen Hand spielte sie mit ihrem Kugelschreiber.
Mein Herzschlag verdoppelte sich innerhalb weniger Millisekunden und ich konnte mich nicht mehr konzentrieren, wobei ich mich von Anfang an nicht wirklich konzentriert hatte. Doch jetzt schien auch das letzte bisschen Konzentration abgehauen zu sein und mein Blick schien sich gar nicht mehr von ihrem Hinterkopf lösen zu wollen.

Offenbar schien Tori nun auch gemerkt zu haben das Ruby hier anwesend war, denn sie versuchte inständig meine Aufmerksamkeit zu gewinnen, scheiterte aber und war womöglich meinem Blick gefolgt. Leise und empört erklang ihre Stimme neben mir.
„Ich glaube sie verfolgt uns."

Ich musste mir ein Lachen verkneifen. Tori hatte eine grenzenlose Fantasie und steigerte sich gerne in gewisse Situationen rein, so auch in diese.
„Tori, der Kurs hier ist Pflicht", wisperte ich leise in ihre Richtung.
Als ob Ruby zugehört hätte, drehte sie den Kopf plötzlich nach hinten, erfasste Tori und zwinkerte ihr frech grinsend zu, worauf Tori scharf die Luft einzog und sie bloß hasserfüllt anfunkelte. Ich wäre an ihrer Stelle vor Freude gestorben. Denn ich würde alles dafür tun, um Ruby's Aufmerksamkeit zu bekommen.

Jedoch war ich nur eine von vielen die ihr komplett verfallen war. Sowohl Mädchen als auch Jungs. Warum sollte sie also gerade mir Aufmerksamkeit schenken?

Als der Dozent die Vorlesung für beendet erklärte, packte ich seufzend meine Sachen zusammen und ging mit Tori Richtung Ausgang, so wie alle anderen auch, sodass sich unmittelbar vor dem Ausgang ein kleiner Stau bildete, da alle offenbar so schnell wie möglich raus wollten.
"Schau nicht immer so böse, du bekommst sonst noch Falten", ertönte plötzlich Ruby's Stimme relativ nah hinter uns wir drehten und gleichzeitig zu ihr um. Tori wirkte unbeeindruckt und ich musste aufpassen nicht zu sabbern. Rubys unvergleichlicher Duft nach Zigarettenrauch und einem Hauch Erdbeere stahl sich in meine Nase und erschwerte mir das denken.
"Sei bloß ruhig", zischte meine beste Freundin und schaute noch finsterer als vorher, wodurch sich die Falten auf ihrer Stirn nur noch mehr vertieften.

Ein Grinsen schlich sich auf meine Lippen und im insgeheimen sollte ich nicht über diese Sticheleien lachen und ihr lieber helfen, aber ich wusste, dass Ruby sie bloß ein wenig ärgern wollte.
Ich nahm Tori's Hand in meine und zog sie mit mir mit, damit sie vor Wut nicht noch an die Decke ging, denn momentan wirkte sie so, also könnte genau das in wenigen Minuten passieren, wenn Ruby noch länger in ihrem Sichtfeld zu sehen war.
"Lass dich nicht von ihr aufziehen, das macht sie doch mit Absicht", tadelte ich sie und verließ im Anschluss mit ihr das Gebäude, da mich die Vorlesung so eingeschläfert hatte, dass ich nun, um wach zu werden, ganz dringend eine Zigarette brauchte.

Auf dem Weg fischte ich die Zigarette aus meiner Tasche, doch ehe ich sie mir zwischen die Lippen klemmen und anzünden konnte, war sie schon verschwunden und ich schenkte Tori einen fassungslosen Blick.
"Du wolltest doch aufhören!", schimpfte Tori.
Du bist nicht meine Mum. Gib sie mir wieder", jammerte ich und streckte die Hand wie ein kleines bettelndes Kind aus. Die Gestik verstärkte ich, indem ich meine Finger wie eine Greifhand auf und zu schnappen ließ.

Tori schüttelte stur den Kopf, zerbrach die Zigarette in zwei Hälften und schmiss sie in den nächsten  Mülleimer, sodass ich den Arm empört sinken ließ.
"Tori! Das war meine Letzte. Herzlichen Dank auch", knurrte ich genervt und wusste nun, dass der Tag nur noch schlimmer werden konnte. Ohne meine tägliche Dosis Nikotin war die Gefahr, schneller von allem genervt zu sein, wesentlich höher.
"Du wolltest aufhören, Jamie", wiederholte sie sich ernst und verschränkte die Arme vor der Brust.

Locked Away || gxg  (Wird überarbeitet)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt