Kapitel 20

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"Wir wünschen Ihnen noch alles Gute für die Zukunft.  Wenn sie nochmal Beschwerden haben, dann kommen Sie bitte sofort zu uns", teilte mir mein Arzt mit und ich nickte bloß stumm. Anschließend verabschiedete ich mich murmelnd, nahm meine Tasche und verließ das Krankenhaus.

Die Sonne blendete mich und ich setzte mir meine Sonnenbrille auf, hielt nach einem Taxi Ausschau, aber dachte dann daran, das ich kein Geld dabei hatte.
Dann muss ich wohl laufen...

Seufzend ging ich los und kramte in meiner Jacke nach meinem Handy. Ich hatte drei verpasste Anrufe von Tori, zwei von Luke und eine Nachricht von Diego, die ich aber statt sie zu lesen, löschte. Nichts von Ruby. Nicht mal eine SMS.

Sie hatte es also ernst gemeint und schmiss mich raus. Ein beklemmendes Gefühl machte sich in mir breit, und ich wusste, dass ich es versaut hatte. Zu meinen Eltern konnte ich nicht, zu Tori konnte ich nicht und zu Luke wollte ich auf keinen Fall. Ich hatte kein Geld, konnte die Uni nicht finanzieren und hatte mich auch nicht um einen Job bemüht.

Mein Leben ging den Berg ab und am liebsten würde ich abhauen. Weg aus Florida. Mein Traum war es, eines Tages in New York aufzuwachen. Aus einem großen Panoramafenster zu schauen und die wunderschöne Skyline zu erblicken.

Als kleines Kind hatte ich mir immer Bildbände von New York angesehen und die Upper East Side hatte sich in mein Gedächtnis gebrannt. Doch ohne Geld, ohne Unterstützung und ohne Studium würde ich diesen Traum niemals verwirklichen können.

Da ich so in Gedanken versunken war, bemerkte ich jetzt erst, das ich bereits in der Stadt angekommen war und vor der Haustür stand.  Ich fischte meinen Schlüssel aus der Tasche, schloss auf und betrat die kühle Eingangshalle des mehrstöckigen Gebäudes. Mit wenig Motivation, betätigte ich den Knopf des Fahrstuhls, stieg ein als die Türen sich öffneten und fuhr in die letzte Etage.

Anschließend stand ich vor Ruby's Wohnungstür und schloss mit klopdendem Herzen auf. Was, wenn sie nun da war. Ich ertrug es nicht, das sie sauer auf mich war.
Bevor ich aufschließen konnte,  öffnete sich die Tür bereits und ich blickte in Ruby's Gesicht.

"Hey..", murmelte ich leise und blickte sie vorsichtig an. Sie musterte mich mit einem kühlen Ausdruck in den Augen, ging einen Schritt zur Seite und ich trat mit gesenktem Blick ein.

"Du kannst mir die Schlüssel schon mal geben", teilte sie mir mit und hielt mir die offene Hand hin. Ich schluckte schwer, ließ den Schlüsselbund in ihre Hand fallen und trat zu meinem Koffer, der offen auf dem Boden lag. Ich hielt inne und blickte ein paar Sekunden in die Leere.

"Können...können wir Bitte reden..?", fragte ich sie leise und drehte mich zu ihr um. Sie lehnte an der Kücheninsel, hatte die Arme vor der Brust verschränkt und blickte mich mit einem unergründlichen Blick an.

"Ich denke nicht, dass es noch etwas zu besprechen gibt."
"Doch...ich will es dir erklären...", flehte ich und ging mit langsamen Schritten auf sie zu. Ruby hatte den Blick kurz gesenkt, seufzte schwer auf und sah mich dann erneut an.

"Dann fang an", forderte sie mich kühl auf.
Etwas ängstlich griff ich nach ihrer Hand, wartete auf ihre Reaktion ab und zog sie mit zur Couch, als sie keine Anstalt machte, mir ihre Hand zu entziehen.

Wir setzten uns hin, ich hielt weiterhin ihre Hand fest in meiner und blickte aus dem großen Fenster. 
"Diego...ist nicht mein Freund.  Und ich habe auch nicht mit ihm geschlafen...Tori soll bloß denken, dass es so ist", nuschelte ich und starrte auf das Riesenrad, das aus dieser Entfernung die Größe eines Fahrradreifen hatte.

"Was willst du mir jetzt damit sagen?", fragte sie verhalten nach und wollte ihre Hand wegziehen, doch ich umschloss sie fester und blickte ihr nun in die Augen. 
"Tori weiß nicht das ich hier wohne. Und als sie den Knutschfleck gesehen hat, da musste ich mir eine Notlüge einfallen lassen. Ich habe ihr gesagt, dass ich einen Freund hätte und den hat Luke mir dann auch besorgt..."

"Er ist nicht dein Freund?", fragte Ruby nach.
"Nein ist er nicht."
"Und wieso hast du ihn geküsst?"
"Er hat mich geküsst...und ich konnte mich nicht wehren...er denkt so oder so, dass ich mit ihm schlafen werde...so hat Luke ihn auch überredet bekommen", murmelte ich verbittert und senkte den Blick. 

"Das bedeutet?"
"Er hat mich sozusagen als Flittchen dargestellt. Anders hätte er Diego nicht dazu bekommen es zu tun. Und nun habe ich ihn an der Backe...Bitte...du musst mir glauben...", hauchte ich leise und verlor eine Träne, die dann über meine Wange kullerte.

Ihr unergründlicher Blick blieb und machte mich verrückt. Da ich locker gelassen hatte, zog sie ihre Hand zurück und fuhr sich seufzend durch die Haare.  Eine Geste, die sie immer dann machte, wenn sie wirklich nachdenklich war.
Einerseits, konnte es etwas gutes bedeuten. Aber andererseits, konnte sie immer noch bei ihrer Meinung bleiben.

Du kannst bleiben...", fing sie an, doch ihr Ausdruck verhärtete sich etwas und sie sah mir tief in die Augen.
"Aber nur, wenn du Black Beauty die Wahrheit erzählst."

Mein Herz setzte einen kurzen Moment aus und ich knetet meine Hände nervös.
"Aber..-"
"Kein Aber. Hör auf, so feige zu sein und dich vor dem zu verstecken was du bist. Wieso schämst du dich so sehr?"

"Ich schäme mich nicht...ich fürchte mich...", murmelte ich und wich ihrem durchdringenden Blick aus.
"Sie ist deine beste Freundin.  Sie wird das verstehen."

Ich schüttelte hastig meinen Kopf und seufzte verzweifelt auf
"Das wird sie nicht...sie wird mich dafür verurteilen..."
"Dann hat sie deine Freundschaft nicht verdient", sagte Ruby ruhig und lehnte sich zurück.

"Ich habe aber nur sie...", murmelte ich und raufte mir die Haare. Wenn ich Tori verlor, würde mein Leben der Hölle gleichen. Sie würde mich hassen.  Und mir ständig Vorwürfe machen. Tori wollte man nicht zur Feindin haben.

"Du hättest immer noch mich", teilte Ruby mir mit, doch ich schüttelte bloß stumm meinem Kopf.  Vor ein paar Wochen, hätte ich alles dafür getan, um so viel Aufmerksamkeit von Ruby zu bekommen. Nun hatte ich sie...und fühlte mich dennoch nicht gut. Tief in mir,  hatte ich das Gefühl, das ich bloß ein Teil ihrer kleinen Sammlung war.

Die freche, vorlaute Jamie Collins, reich und beliebt. Ich würde bestimmt eine tolle Trophäe sein.
Und das würde ich für Ruby dann auch bleiben.
Ich war eine der armen Schweine, die ihr verfallen waren. Ich empfand wahre Gefühle für sie und es würde wahrscheinlich immer so bleiben.

Aber es schmerzte zu wissen, dass sie diese Gefühle niemals erwidern würde. So wie ich den Titel der Miss Florida trug, schmückte sie der Titel der eiskalten Herzensbrecherin.

Locked Away || gxg  (Wird überarbeitet)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt