Kapitel 44

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"Hast du alles?"
"Ja, Jack. Ich habe alles. Genau wie vor fünf Minuten", antwortete ich seufzend und sah dann zu ihm. Er wirkte aufgeregter als ich, dabei war ich doch diejenige die in einer halben Stunde im Flieger nach Florida sitzen würde.
"Wehe du rufst nicht an, wenn du angekommen bist", versuchte er anscheinend mahnend zu sagen, doch mit seinem Gesicht und den brauen Kulleraugen fiel es mir schwer eingeschüchtert zu wirken.

"Das habe ich nicht vergessen, Jack. Du hast es mir gefühlte hundert mal gesagt und sogar auf meinen Arm geschrieben." Ich hielt ihm meinen Arm unter die Nase, nur um ihn daran zu erinnern, was er mit einem schwarzen Kugelschreiber drauf gekritzelt hatte. Dort stand dick und fett geschrieben 'Jack anrufen!'
Er sah kurz auf meinen Arm, als müsste er erst nochmal checken das er mir die zwei Worte auf den Arm geschrieben hatte.
"Ein Blatt wäre natürlich viel umständlicher gewesen", murmelte ich und zog den Ärmel meines dicken Pullis wieder runter.
"Ein Blatt kannst du verlieren."
"Einen Arm auch", scherzte ich.

"Wie hat Alice eigentlich reagiert"? Mit einem Mal war das Grinsen aus meinem Gesicht verschwunden und ich trat von einem Fuß auf den anderen. In meinem Kopf ging ich unser Gespräch durch.

"Ich fliege für ein paar Tage zurück nach Hause..."
"Zu ihr?"
"Was? Ich...nein..ja..aber-"
"Schon okay...flieg."
"Was wirklich?"
"Ja, Jamie. Florida ist dein Zuhause und ich kann dir nicht verbieten hinzufliegen."
"Würdest du, wenn du könntest?"
"Was? Dir verbieten dorthin zu fliegen?"
"Ja."
"Ja...würde ich. Damit du verstehst, das dein Zuhause nun hier ist. Die Menschen die du brauchst sind ebenfalls hier. Ich würde dich davon abhalten einen Fehler zu begehen, indem du deinem alten Leben hinterher trauerst."
"Ich bin dort groß geworden, Alice."
Und nun ist es Zeit loszulassen. Merkst du nicht, wie unsicher du noch bist? Und das nur, weil du Balast mit dir rumschleppst, den du schon längst hättest abwerfen müssen. Aber weißt du was? Tu was du nicht lassen kannst. Flieg und genieß deinen Aufenthalt dort."

Nach diesen Worten war sie wütend mit einem Stapel Zeitschriften in ihrem Büro verschwunden und hatte sich den Rest des Tages nicht mehr blicken lassen.
"Ach weißt du-"
"Jamie, versuch gar nicht erst mich anzulügen. Du weißt, dass das nicht funktioniert."
"Sie ist sauer..", murmelte ich also wahrheitsgemäß und blickte auf den blank polierten Boden des JFK Airport. "Sie hätte es mir am liebsten verboten."

"Hör zu, Jamie", er legte eine Hand unter mein Kinn und drückte es hoch, sodass ich dazu gezwungen war in seine Augen zu schauen. "Versprich mir, das du keinen Gedanken an Alice verschwendest, wenn du in Florida bist. Versprich mir, das du überhaupt nicht an deine Probleme denkst. Fokussiere dich auf das, was du erreichen möchtest. Was ist dein Ziel?", fragte er mich ernst.
"Ich weiß nicht was du-"
"Jamie, was ist dein Ziel?", wiederholte er die Frage beharrlicher.
"Ruby's gebrochenes Herz heilen...", murmelte ich leise.
"Konzentriere dich nur darauf, okay?"
"Okay..."

***

"Ruf an."
"Jack!"
"Schon gut...ich wollte dich nur nochmal erinnern", nuschelte er kleinlaut und zog mich dann in eine Umarmung.
"Viel Spaß. Und denk an meine Worte." Ich schlang meine Arme lächelnd um ihn und sog den, mittlerweile vertrauten, Duft seines Aftershave ein.
"Wünsch mir Glück." Ich löste mich wieder von ihm, stellte mich auf Zehenspitzen und drückte ihm einen Kuss auf die Wange.
Anschließend ließ ich mich vom Strom der Menschenmenge zum Gate leiten und saß wenige Minuten später in der First Class des Fliegers nach Florida.

Das ich nun wirklich hier saß, kam mir surreal vor. Genau vor drei Monaten befand ich mich in so einem Flieger nach New York und hatte mir geschworen, nie wieder nach Florida zurückzukehren. Doch Jack hatte ein paar wirklich ausschlaggebende Argumente parat gehabt und nun saß ich hier.
Das Flugzeug füllte sich mit und mit, Sektgläser wurden rumgereicht, die ich aber dankend ablehnte und es mir in meinem Sitz bequem machte. Ich setzte meine Kopfhörer auf, lehnte mich zurück und schloss meine Augen.

Locked Away || gxg  (Wird überarbeitet)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt