[23] Im Spiegel

7.5K 562 25
                                    

Wenige Minuten später stolperte er wieder alleine durch die Dunkelheit. Den verbotenen Wald mied er, zu sehr saß ihm das Treffen mit Bane noch in den Knochen. Wortwörtlich, denn trotz des beruhigenden Alkohols schmerzte seine Rippe, ein dumpfes Pochen, das mit seinem Herzschlag zu verschmelzen schien. Oder war es sein Herz, dass weh tat, und seine Rippe war die Nebenwirkung? Seine gesamte Wahrnehmung war verzerrt, er konnte den Himmel kaum noch von dem Boden unterscheiden. Alles war eine undurchdringliche braun-schwarze Masse.
Seine Kehle verengte sich, kurz darauf erbrach er sich geräuschvoll in ein Beet. Mühsam torkelte er zum Brunnen, der in der Mitte des Innenhofes stand, um sich den Mund auszuwaschen. Dort angekommen sank er auf die Knie und betrachtete das leicht unruhige Wasser. Der Mond war grade über den Rand des Hofes gekrochen, so konnte er sein Gesicht gut betrachten.
Er hatte sich noch nie so eingehend im Spiegel angsehen. Seine blonden Haare bildeten einen weichen Rahmen um seinen Kopf, wie einen Heiligenschein. Sein Gesicht war blass, jedoch nicht käsig, eher wie aus Marmor geschliffen, seine Lippen waren fein geschwungen, seine Augen von dichten Wimpern umrahmt. Ja, er sah gut aus.
Ein Todesengel, ein Eisprinz. Er wollte das Gesicht nicht länger sehen, es schmerzte. Einmal in seinem Leben wollte er normal sein, einfach aussehen wie ein Niemand, ein Niemand unter Niemanden sein. Voller Wut nahm er eine Hand voll Kieselsteine und warf sie auf sein Spiegelbild. Voller Genugtuung sah er zu, wie es in tausende Tropfen verschwand. Warum musste er als Draco Malfoy geboren worden sein und nicht als jemand anderes? Im Moment hätte er mit jedem getauscht, ob Zauberer oder Muggel.
Der Alkohol raubte ihm alle Sinne. Torkelnd rannte er herum und schrie den Himmel an, bis er irgendwann rückwärts in den Brunnen stolperte.
Das kalte Wasser schlug über ihm zusammen, ein paar Sekunden starrte er einfach nur nach oben. Der Mond wirkte verzerrt, er sah aus, als ob er den hilflosen Schüler auslachen würde. "Als ob der sich um dich kümmern würde.", flüsterte die hämische Stimme in seinem Hinterkopf. Mit einem tiefen Atemzug tauchte er wieder auf.

Der achte Horkrux [Drarry]Where stories live. Discover now