Fremd

67 7 2
                                    

Etwas war anders, seit Freja im dunklen Teil des Järnskogen gewesen war.

Sie war tränenüberströmt zuhause angekommen. Alma hatte sie gefragt, was passiert sei, aber Freja konnte ihr die Wahrheit nicht sagen. Alma schloss sie in die Arme, um sie zu trösten, doch es half nicht. Etwas war anders.

Freja hatte ihre Mutter immer geliebt, auch wenn sie ihr oft Sorgen bereitet hatte. Sie war der einzige Mensch, der sie nicht für seltsam oder verrückt hielt und sie war der einzige Mensch, der ihr Zuneigung entgegenbrachte. Freja hatte immer eine tiefe Verbundenheit zu Alma gespürt, obwohl sie so anders war als ihre Mutter.
Diese Verbundenheit war... weg! Freja fühlte in sich hinein. Alma war ihre Mutter und sie liebte sie wie eine Tochter ihre Mutter liebt, doch die Verbundenheit die sie ihr ganzes Leben gespürt hatte war verschwunden. Einfach so.
Das war schlimmer für Freja als das was im Wald passiert war. Sie krümmte sich vor Verzweiflung; ihre Tränen durchnässten das Kleid ihrer Mutter, die sie zu trösten versuchte, doch es half nichts.

Irgendwann zwang sich Freja, ruhig zu sein. Der dunkle Teil, welchen der Järnskogen in ihr geweckt hatte, rumorte, aber noch war sie stärker als er. Sie stand auf und sagte: "Danke, geht wieder"
Alma war zwar verwirrt, aber sie fragte nicht weiter nach, was los gewesen war.

In der Nacht gab es wieder Polarlichter. Freja lag zusammengerollt in ihrem Bett, hörte der Melodie der Aurora zu und beobachtete aus dem Fenster das Spiel des Lichtes. Es half ihr, zur Ruhe zu kommen.
"Was bin ich?", flüsterte sie in die Nacht.
Es antwortete niemand außer das Nordlicht, dessen Lied sie sanft in den Schlaf sang.

Die nächsten Tage waren schwer für Freja. Sie musste ihrer Mutter helfen, Vorräte für den Winter anzulegen, und hatte deshalb keine Zeit, in den Wald zu gehen. Auch gab es kein Polarlicht in den Nächten. Freja spürte, wie ihre Sehnsucht nach dem Dunkel im Järnskogen von Stunde zu Stunde wuchs, und das verstörte sie. Außerdem fühlte sie sich eingesperrt... In der Hütte, die sie so lange ihr Zuhause genannt hatte und lieben gelernt hatte.

Nachdem Freja Gemüse eingekocht hatte und Fleisch und Fisch eingesalzen hatte, nachdem sie Stroh für die zwei Hausziegen besorgt hatte und den Stall ausgemistet hatte, dachte sie, dass es ein guter Zeitpunkt wäre, in den Wald zu gehen. Doch gerade als sie losgehen wollte, rief Alma nach ihr.
"Freja! Könntest du mir bitte helfen? Ich muss bis morgen drei Mäntel fertig haben, Bestellung aus der Stadt. Ich schaffe das alleine nicht, ich brauche deine Hilfe."
Freja spürte, wie etwas in ihr hochbrodelte. Das Dunkle, das der Wald in ihr geweckt hatte... Es schrie auf und riss sich los! Für einen kurzen Moment nur, doch dieser Moment änderte alles.
"Du willst nicht, dass ich in den Wald gehe, richtig?", schrie sie.
"Du willst mich hier gefangen halten damit ich schwach bleibe!"
Sie stürmte zurück in die Hütte und funkelte Alma an.
"Freja, Kind, was redest du da? Und wie redest du überhaupt mit deiner Mutter?"
"Mutter?"
Freja spuckte das Wort nahezu aus.
"Du bist nicht meine Mutter!"

Plötzlich herrschte Totenstille. Freja war erstarrt, Alma starrte sie mit großen Augen an. Dann begann sie zu schluchzen. Freja war noch immer unfähig, sich zu bewegen.
Was hatte sie da gesagt? Sie bemerkte, dass es ihr nichts ausmachte. Die Worte taten ihr nicht leid. Sie suchte nach Gefühlen für ihre Mutter. Ihre Mutter...Sie konnte Alma nicht mehr so nennen. Sie empfand... nichts mehr für Alma. Sie war eine Fremde. Eine Fremde, mit der sie fünfzehn Jahre zusammengelebt hatte, aber doch stand sie ihr nicht näher als irgendeinem Unbekannten auf der Straße. Eigentlich waren es sogar sechzehn Jahre... Morgen war Frejas Geburtstag, erinnerte sie sich.

Als Freja den Raum verließ, ekelte sie sich vor sich selbst. Ihr Inneres war so kalt. Das Dunkle rasselte mit seinen Ketten, während ein silbriger Schleier über Frejas Augen blitze.

Bald, schien es zu flüstern.


Sehr bald...




The Changeling - Die Magie des WaldesWhere stories live. Discover now