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"Liam, hast du heute nicht deinen ersten Arbeitstag?", hörte ich Niall durch die Wohnung rufen. Ich schaute von meinem Papierstapel Hausaufgaben auf und seufzte. Er hatte Recht, ich musste mich beeilen, um nicht an meinem ersten Arbeitstag schon zu spät im Büro zu erscheinen. Ich schaute an mir herab, wie immer trug ich eine ausgebeulte schwarze Joggings Hose und darüber ein enganliegendes Shirt, so konnte ich nicht bei der Arbeit auftauchen, wenn ich dem CEO der Firma gegenüber treten wollte. Ohne lange Umschweife ging ich zu meinem Kleiderschrank und zog ein weisses Hemd, darüber eine schwarze Krawatte und eine passende Weste heraus. Dazu zog ich mir eine passende schwarze Anzugshose an, ich betrachtete mich im Spiegel im Bad, richtete meine durcheinandergeratenen Haare noch in die richtige Position und ging dann ins Wohnzimmer, wo es sich Niall auf der Couch mit Popcorn und einer Komödie bequem gemacht hat. "Du warst aber schnell", meinte mein Kumpel kauend und blickte über die Lehne der Couch zu mir herüber. Seine strahlend blauen Augen glänzten verschmitzt und seine weissen Zähne blitzen kurz hinter seinen süssen rosigen Lippen auf. In seinen gefärbten blonden Haaren hatte sich ein Popcorn verfangen, grinsten lief ich ihm ein paar Schritte entgegen und nahm es ihm aus seinem weichen Haar, dabei zog ich die Linie noch weiter und strich ihm mit voller Absicht sanft mit meinem rechten Daumen über seine knuffig warme Wange, die sich darauf rot verfärbte. Die rote Farbe, unterstrich noch mehr das leuchtende blau seiner Augen und sein Blick senkte sich, etwas beschämt. Es herrschte einen kurzen Augenblick lang, eine ungewöhnliche Stille, in dieser Zeit starrte ich nur in das Gesicht meines Freundes. Ich kannte ihn schon ewig, doch seit einiger Zeit fühle ich mich auf eine komische Art und Weise zu ihm hingezogen. Genauer gesagt hat es damit angefangen, dass er mir eines verschneiten Nachmittags im Januar kurz vor den Semesterprüfungen, gestanden hat, dass er auf Jungs steht. Er war an diesem Nachmittag ziemlich aufgewühlt gewesen, er hatte Angst gehabt, dass ich ihn nicht so akzeptieren und mich vor ihm ekeln würde. Aber das Gegenteil ist eingetreten, als ich mir erst einmal im Klaren darüber war, was das alles für unsere Freundschaft bedeuten konnte, ging mir auf, wie viel mir Niall wirklich bedeutet. Wir hatten schon immer eine wirklich enge Verbindung, doch seit seiner Offenbarung wurde unsere Beziehung noch vertrauter und ich begann mich je länger je mehr von dem blondhaarigen Iren angezogen zu fühlen.  

Niall holte mich mit einer abrupten Bewegung wieder zurück ins Hier und Jetzt, er entnahm mir das Popcorn, das ich noch immer in meinen Händen hielt und schaufelte es sich in den Mund. Ich hatte nicht bemerkt, dass ich mich leicht zu ihm vorgebeugt hatte und richtete mich jetzt räuspernd wieder zu meiner vollen Grösse auf. Ich hatte ihm nie gesagt, dass ich etwas fühlte, wenn ich ihn berühre, ich befürchtete, dass ich ihn und damit unsere Freundschaft verlieren könnte, wenn ich es ihm gestehen würde und das würde ich mit bestem Willen nicht ertragen. Also schwieg ich und genoss die kurzen Momente des Glücks, die sich so wie jetzt, immer Mal wieder ergaben, in vollen Zügen.

"Ich sollte dann gehen... ich weiss nicht wann ich zurück komme, im Kühlschrank ist noch etwas Lasagne von gestern, falls ich es nicht rechtzeitig zum Abendessen zurück schaffe und im sehr wahrscheinlichen Falle, dass du danach noch immer Hunger hast, liegt neben dem Telefon eine Liste mit verschiedenen Lieferservices, iss nicht immer so viel Fast-Food, du kannst auch einmal Chinesisches Gemüse oder etwas in der Art bestellen, oder um die Ecke gibt es eine tolle Salat-Bar, du brauchst ein paar Vitamine", faselte ich drauf los, wie immer besorgt um Nialls Gesundheit und um nicht wie der letzte Idiot da zu stehen. Niall jedoch stand mit einer einzigen fliesenden Bewegung vom Sofa auf und drängte mich langsam rückwärts in Richtung Tür, er drückte mir im Vorbeigehen meine Schuhe und meine schwarze Jacke in die Hand, während er mir beruhigend zu redet: "Liam, ich werde schon schauen, dass ich nicht verhungere, ich bin kein Kleinkind mehr und ich werde NICHT 'chinesisches Gemüse' bestellen, allein der Name klingt schrecklich. Aber mach dir keine Sorgen, ich werde das Ding schon schaukeln", er grinste mich kurz aufmunternd an. Dann waren wir an der Tür angekommen und er drückte mir eilig noch einen flüchtigen Kuss auf die Wange, murmelte ein 'Geh jetzt, bis später' und knallte dann vor meiner Nase die Tür zu.

TornWo Geschichten leben. Entdecke jetzt