XI

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Ich spürte ein dumpfes Pochen an meinem Ohr, es störte mich seit einer kleinen Weile, doch ich hatte keinen Bezug zur Zeit mehr, es könnten Jahre vergangen sein oder auch nur wenige Stunden. Ich wusste es nicht. Das Pochen wurde jedoch immer stärker und ich versuchte die Augen zu öffnen, doch meine Lider waren so schwer wie Blei und leichte Panik flammte in mir auf, als ich vergeblich versuchte meine Füsse und Hände zu heben. Mein Körper gehorchte mir nicht mehr. Es war als wäre ich nicht mit ihm verbunden, als wäre er kein Teil mehr von mir. War ich tot?

Der Gedanke traf mich ganz plötzlich und daraufhin versuchte ich mich an das Geschehene zu erinnern. Doch der stetig ansteigende Druck des Pochens an meinem Ohr lies mich keinen klaren Gedanken fassen. Was war das bloss? Ich konnte doch nicht tot sein, den im Tod gab es doch keine Schmerzen und damit auch kein Pochen mehr oder? Was war mit mir passiert, wo war ich und wie konnte ich meine Augen wieder öffnen?

Das Pochen wurde nun so stark, dass ich das Gefühl hatte mein Kopf, den ich im Gegensatz zum Rest meines Körpers noch zu spüren schien, würde gleich explodieren. Doch dann geschah etwas Sonderbares der Druck auf meinem Ohr veränderte sich ihm Klang, wurde immer hohler und deutlicher.

Es war kein Pochen, es war eine Stimme, die mir verzweifelt etwas zu rief, was ich nur langsam zu verstehen begann, Buchstaben schienen sich aus dem Klang zu bilden, einzelne Silben bis ich schliesslich ein nur allzu bekannte es Wort vernahm... LIAM!

Das  war mein Name jemand rief nach mir! Ich strengte mich noch mehr an, um meine Lider öffnen zu können. Es war ziemlich anstrengend und wenn ich meinen restlichen Körper spüren würde, würde er jetzt vor Anstrengung aufkeuchen. Ich mobilisierte all meine Kraft und meine Lider begannen zu flattern und ich erhaschte einen kurzen Einblick auf die helle Umgebung um mich herum. Die Stimme wurde noch lauter, was mich noch mehr anspornte meine Augen endgültig zu öffnen.

Langsam erkannte ich verschwommen einen dunklen Umriss auf der hellen Oberfläche. Ich blinzelte ein paar Male, wobei ich bei jedem Schliessen der Lider Angst verspürte ich könnte sie nicht wieder öffnen. Doch dann formte sich die Gestalt vor mir zu einem bekannten Gesicht, die Person war mir vertrauter als irgendeine andere auf der Welt. Nirgendwo auf der Welt gab es vergleichbar eisblaue Augen, die mich jedes Mal aufs Neue an einen klaren Bergsee erinnerten, unter tausenden würde ich die blond gefärbten, immer etwas verwuschelten Haare erkennen.

Vor mir stand niemand anderes als Niall...

„Liam“, seine Stimme klang nun erleichtert und stürmisch legte er seine beiden bleichen Arme um meinen Hals und drückte sich an meine Brust. Ich wurde zurück auf eine weiche Matratze gedrückt, es roch steril nach Desinfektionsmittel und allein deshalb wusste ich schon, dass ich in einem Krankenhaus lag, doch noch immer hatte ich keinen blassen Schimmer was passiert war und warum ich nun hier war. Langsam vernahm ich wieder ein Gefühl in meinen Gliedern, doch ich war noch immer geschwächt, weshalb ich die Umarmung nur halbwegs erwidern konnte. Ich spürte seinen warmen Atem durch den weissen Stoff meiner Krankenhauskleidung auf meiner Brust, spürte den warmen Hauch auf meiner Haut und erschauderte durch die Berührung. Ich legte sanft mein Kinn auf seinen Haarschopf und atmete seinen Geruch ein, als würde mein Leben davon abhängen. Er roch vertraut nach Pfefferminz-kaugummi und Schokoladendonuts, nach Niall eben. Der Geruch kitzelte in meiner Nase, so dass ich niesen musste.

„Gesundheit“, raunte Niall gegen meine Brust, erhob seinen Kopf dann und schaute mir in die Augen, ich erkannte erst jetzt, dass er rote Ringe unter seinen Augen trug und seine Haut noch einen Ton bleicher war, als sie es sonst schon war. Er sah ausgezerrt und müde aus, wer weiss wie lange es her ist, seit er das letzte Mal richtig ausgeschlafen hatte. In seinen Augen glitzerten Tränen, was auch meine Augen zum Brennen brachte, als eine einsame Träne sich gemächlich ihren Weg über seine nun leicht geröteten Wangen bannte, hob ich sachte meine Hand und strich ihm mit dem Daumen die Träne weg.

TornWhere stories live. Discover now