It's not your business

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Als das Taxi um die Ecke bog, ging ich zurück ins Hotel.
„Hey Samu", grüßte mich Tomás freundlich. Ich ignorierte ihn und ging geradewegs auf den Aufzug zu. Das Einzige, was ich jetzt noch wollte, war eine heiße Dusche. Ich war bis auf die Knochen durchnässt.
„Samu?", rief Tomás wieder.
Ich drückte den Aufzugsknopf und drehte mich zu ihm um.
„Yeah?", sagte ich genervt.
„Ist alles ok?"
„It's not your business", sagte ich und winkte ab, „everything ok."
„Das sah aber gerade nicht so aus."
„Tomás, please."
„Ich will nicht, dass du sie verletzt", meinte Tomás ernst, „sie ist mir wichtig."
„Für mich not?"
„Zumindest sieht es nicht so aus."
Ich verdrehte die Augen und presste erneut meine Finger gegen den Knopf des Aufzugs.
„Samu. Wenn du sie nicht liebst, dann lass sie gehen."
„Ich halte sie nicht."
„Natürlich tust du das."
„C'mon. Es ist nicht deine Leben, ok? Do your fucking job and lass mich damit alone."
Der Aufzug kam.
Endlich.
Ich stieg ein und holte mein Handy aus der linken Hosentasche. Ich öffnete ein neues Nachrichtenfenster und suchte Emma in meinen Kontakten. Ich hatte ihr keine einzige SMS geschrieben, seitdem wir uns kannten. Es war nie nötig gewesen. Sie war immer da. Außer jetzt.
„Call me please, wenn du bist at home", tippte ich.
Im zwölften Stock angekommen, wuschelte ich mir durch die nassen Haare, fingerte meine Schlüsselkarte aus der rechten Hosentasche und steckte das Handy in die Linke. Ich zog sie durch den Kartenschlitz und betrat einige Sekunden später unseren Flur. Der Bewegungsmelder reagierte, der Korridor wurde hell erleuchtet.
„Riku?", rief ich laut.
Keine Reaktion.
„Raul?"
Wo waren die Jungs nur? Ich hatte weder Riku noch Raul seit gestern Abend gesehen. Vielleicht schliefen sie immer noch ihren Alkoholrausch aus.
Ich schlurfte schulterzuckend zu meinem Zimmer, immer prüfend, ob mein Handy in meiner Hosentasche vibrierte. Vivi stand mit verschränkten Armen an der Tür und erwartete mich bereits. Sie trug nichts außer einem kurzen Morgenmantel aus roter Seide.
„Let's stay here. It's raining cats and dogs", sagte sie und schwang verführerisch den Gürtel des feinen Seidenmantels. Sie hatte sich vor einiger Zeit angewöhnt, im Alltag mehr Englisch als Finnisch zu reden. Allein aus dem Grund, weil sie international unterwegs war.
„Ok", stammelte ich und schob mich an ihr vorbei; direkt in das Badezimmer.
Ich zog mich aus, warf meine durchnässten Anziehsachen in das schwarze Waschbecken und stellte die Dusche an.
Vivi war währenddessen unbemerkt reingekommen und umarmte mich von hinten. Ich drehte mich zu ihr um und küsste ihre Stirn.
„Are you ok?", fragte sie besorgt und drückte sich an mich, „wanna make some dirty things?"
„Just wanna take a short shower."
„We can also take a short shower together", lächelte sie und öffnete ihren roten Seidenmantel.
„Oh Vivi", entgegnete ich und zog sie küssend mit unter die Dusche.


Nach etwas über einer Stunde ließen wir uns in unsere Badetücher eingewickelt auf das gemachte Bett fallen. Vivi legte sich auf die Seite und kuschelte sich an meine Brust.
„Rakastan sinua", flüsterte sie mir ins Ohr und küsste meine Wange.
Ich grinste und drückte sie an mich.
Die letzten zwei Monate waren mir wie eine Ewigkeit vorgekommen. Nicht ein Tag war vergangen, an dem ich nicht an sie gedacht hatte. Ich hörte mein Handy im Badezimmer vibrieren. Ich küsste Vivi auf die Stirn, drückte sie sanft von mir weg und eilte ins Bad.
Emma hatte mir geschrieben.
„Bin in Bochum", war ihre Antwort gewesen. Ich tippte erneut. In der Hoffnung, sie würde ihr Handy noch in der Hand halten.
„Everything ok?"
„Relativ, ja. Danke für das Geld."
„Keine Problem."
„"Problem" ist Neutrum. Das „e" an „keine" ist zu viel. Wir sind hier nicht in Spanien :-)"
„I'll try to remember", antwortete ich grinsend und lehnte mich an die geöffnete Badezimmertür, „how was your taxidriver?"
„Sie ist sehr nett und kommt auch aus Bochum. Ich treff mich gleich mit Daniel in der Stadt. Ich melde mich später nochmal, ok?"
„Who is Daniel?", fragte ich und sperrte die Tasten.
„What are you doing?", rief Vivi aus dem Wohnbereich.
„Nothing", antwortete ich kurz.
Ich hörte, wie sie den Fernseher einschaltete.
„Do you wanna eat something?", fragte ich und durchsuchte mein Handy nach der Nummer eines Düsseldorfer Schnellimbisses, „chinese or greek?"
„Greek!"
Ich führte ein kurzes Telefonat mit dem Griechen aus der Altstadt, bei dem ich mit Emma gewesen war und legte mich anschließend neben Vivi ins Bett. Sie hatte sich zugedeckt und starrte mit hochgezogenen Augenbrauen auf den Fernseher.
„I don't understand anything", lachte sie, „but we can do another thing, if you like?"
„Maybe we should wait for dinner?", blockte ich ab.
„You can wait", sagte sie lasziv und fuhr mit ihrer linken Hand unter die Bettdecke.
„Vivi! Let's wait", stieß ich laut hervor, als ich ihre Finger an meinem Becken spüren konnte.
„I can't", entgegnete sie und verschwand mit dem Kopf unter der Zudecke.


Wir verbrachten den kompletten Tag im Bett und genossen unsere Zweisamkeit. Immer wieder dachte ich an Emma. Sie hatte bisher auf keine meiner Nachrichten geantwortet.
Am Abend wollte Vivi noch etwas unternehmen, weil sie Montagmorgen bereits zurück nach Finnland musste. Während sie sich im Badezimmer schminkte und etliche Kleider an- und wieder auszog, versuchte ich erneut, Kontakt zu Emma herzustellen.
„Emmi", schrieb ich, „was machst du?"
Ich wartete. Mehrere Minuten.
„Hi. Bin immer noch mit Daniel unterwegs. Habe Nachricht von Jukka. Radiointerview ist erst Montag um 12.00 Uhr. Komme also nicht morgen zurück, erst Montag."
Ich seufzte und bemerkte, wie niedergeschlagen ich deswegen plötzlich gewesen war.
Ich vermisste sie fürchterlich.
Ich antwortete mit einem kurzen „ok, have a nice weekend. But wer is Daniel?" und ging anschließend ins Badezimmer.
Meine Freundin stand immer noch in Unterwäsche vor dem Spiegel und tuschte sich ihre Wimpern. Ein rotes und ein schwarzes Cocktailkleid lagen geknüllt auf dem grauen Marmorboden. Eines davon hatte ich ihr letztes Jahr geschenkt.
„I have nothing to wear. Let's rest tonight", sagte Vivi sauer und schloss ihre Wimperntusche.
Ich hasste es, wenn sie ihre Launen nicht kontrollieren konnte. Ich atmete hörbar aus und kehrte zurück in den Wohnbereich um jeder Konfrontation aus dem Weg zu gehen. Vivi folgte mir.
„Can we watch a movie?", fragte sie genervt, als sie sich neben mir auf das Bett fallen ließ. Wortlos drückte ich ihr die Fernbedingung in die Hand und griff erneut nach meinem Handy.
„Are you angry?"
„No", antwortete ich kurz und öffnete das Nachrichtenfenster von Riku. Wo steckte der Typ bloß?
„Ok", sagte Vivi und rückte näher an mich ran um sich anzukuscheln.
Einige Zeit lagen wir schweigend nebeneinander und ich überlegte, ob ich für den Rest meines Lebens mit Vivis Art leben könnte. Ich schüttelte mich innerlich und verwarf den Gedanken an ein Leben ohne sie sofort wieder. Sie war wundervoll und machte mich zu einem besseren Menschen.
„Can you imagine that we stand together for the rest of our lifes?", fragte sie mich, als hätte sie meine Gedanken gelesen.
„Uhm", stockte ich, „maybe, yes. I have to check something", sagte ich schnell und wählte Emmas Nummer. Vivi nickte, ließ meinen Arm los und verschwand erneut im Bad.
„Weißt du, wo Riku ist?", fragte ich, ohne Emma zu begrüßen, „er doesn't answer."
„Hi Samu", meinte Emma gekünstelt freundlich, „ich denke am Flughafen. Hast du ihn nicht getroffen?"
„Warum an die Flughafen?", fragte ich entsetzt.
„Weil die Jungs nach München fliegen", die Verbindung knisterte, „du bist der Einzige, der vorher noch einen Termin in Düsseldorf hat. Die Flüge waren sehr günstig. Du fliegst Montagmittag nach dem Interview mit mir dorthin. Ich dachte, du hättest die Mail von Jukka gelesen? Riku war mit Sicherheit auch vorher nochmal bei dir."
Ich schwieg und erinnerte mich an das andauernde Klopfen, während ich Sex mit Vivi hatte.
„Hallo?"
„Sorry! Ich habe getraumt. But yes. Ok", stammelte ich und wechselte das Thema, „geht's dir gut?"
„Den Umständen entsprechend, dir auch?"
„Ja, ich bin sehr sehr gut", log ich, „wer is Daniel?"
„Das freut mich", sagte Emma, „wieso fragst du?"
„I don't know", ich überlegte, „just for fun."
„Bist du eifersüchtig?"
Wieder überlegte ich.
Eigentlich könnte es mir egal sein, wer Daniel war.
„Samu?"
„No, wollte nur wissen."
„Ok."
„Wer ist er?", fragte ich wieder.
„Samu", Emma seufzte, „er ist mein Bruder."
Ich schwieg beschämt.
„Na ja", begann Emma erneut, „wenn was ist, dann schreib mir einfach, ok?"
„Mach ich. Emma?", fragte ich.
„Ja?"
Ich war still.
„Samu? Was ist noch?"
„Nichts. Everything ok. Ich call dich!", meinte ich und legte schnell auf.


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