Weil er in deine Schwester verliebt ist, du Depp!

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Nachdem Emma und ich einen kleinen Mittagssnack zu uns genommen hatten, kuppelten wir den gepackten Anhänger an den Beetle und fuhren zu ihrer Wohnung. Nach einer ausgiebigen Begrüßung an der Souterrainwohnung aller, entschied ich mich –unter Anleitung von Daniel- zu dem Aufbau der Wohnwand, während alle anderen Anwesenden Stühle und den Esszimmertisch montierten.
„Läuft da was?", fragte Daniel als er mir einen Schraubenzieher zum Montieren der weißen Hochglanztüren entgegenwarf.
„Wo?"
„Du und meine Schwester?"
„Nein, wieso?"
„Immer noch nicht?"
„What's going on, Daniel?", wollte ich wissen.
„Ihr habts schon auf der Hochzeit nicht hingekriegt. Warum jetzt immer noch nicht?"
„Du weißt, dass deine sister ist frisch getrennt von die portugalboy?"
„Oh ja. Gott sei Dank. Also", er suchte nach den richtigen Worten, „es tut mir echt leid, dass er sie so betrogen hat. Aber ich fand den total doof. Er war ein ganz unentspannter Typ, als er mit uns gebruncht hat."
„Ich konnte die boy auch nicht leiden", lachte ich.
„Nähert ihr euch an?", Daniel reichte mir einen länglichen Griff für die Türen.
„Du bist eine bisschen neugierig, Herr Neumann!"
„Ich hab meinen Namen behalten, Finne", neckte er mich und boxte meine Schulter, „aber jetzt sag mal. Geht da was?"
„Ich kann nicht reden mit dir über irgendwas, was nicht passiert."
„Warum nicht? Liebst du sie noch?"
„Daniel!"
„Ja was?", er entpackte eine weitere Tür auf und lehnte sie gegen die Wand, „du bist Single, sie ist Single und seit Ewigkeiten verliebt in dich. Wo ist das Problem?"
„Es gibt keine", schmunzelte ich.
„Dann ran, man!"


„Das wird aber ein schönes Liebesnest, wenn die Möbel erstmal stehen", grinste meine Mutter.
„Michaela!", mein Vater tadelte sie, „der Finne wohnt hier nicht. Das sind Emmas eigene vier Wände. Ohne irgendeinen Typen."
„Ach Anton", sie winkte ab, „sie weiß doch, wie ich das meine."
„Stimmt!", meinte ich und zwängte mich mit einem zusammengebauten Stuhl an meiner Mutter vorbei, „es wäre super, wenn ihr uns helfen würdet, anstatt euch über die Farben oder ein nicht vorhandenes Liebesnest zu unterhalten."
„Läuft da was?", fragte meine Mutter.
„Michaela!"
„Lass mich unser Kind doch nach ihrem Glück fragen, Anton. Kann ja nicht jeder so leben wie du."
„Wenn es was zu erzählen gäbe, hätte ich das bereits getan, Mama", ich winkte Leni ins Wohnzimmer.
„Läuft da gar nichts?"
„Nein, Mama!"


Der Tag war wie im Flug vergangen.
„War das endlich das Letzte?", Julian wischte sich den Schweiß von der Stirn, nachdem er den Korpus von einem der Küchenschränke aus dem Anhänger des anderen Möbelhauses gehoben hatte.
„Nur noch den Kühlschrank, Schatz", grinste Daniel und holte sich einen Kuss bei seinem Mann ab.
„Das schaff ich nicht alleine."
Ich klatschte in die Hände um zu signalisieren, dass ich noch Ressourcen übrig hatte. Wenige, aber sie waren ausreichend um einen Kühlschrank zu transportieren.
„C'mon. Das ist die Letzte. Danach ich lade euch ein zu eine Essen."
„Ich dachte, wir gehen joggen?", meinte Emma und stieß mich an der Schulter an. Auch sie war verschwitzt und pustete sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
„Das war genug Sport für die ganze next year, Lady. Ich bin hungrig."
„Wie immer", grinste sie, trat mir mit der flachen Seite ihres Turnschuhs in den Hintern und ging anschließend zu ihrem Auto, um die Tüte mit den Dekorationsartikeln, dem ovalen Badezimmerspiegel und die Stehlampe auszuladen.
„Michaela?", rief ich die Treppe hinunter, „würden Sie bestellen something to eat?"
Sie streckte ihren Kopf aus dem Küchenfenster.
„Du!"
„Was?"
„Ich bin Michaela. Also du", sie grinste, „egal was?"
„Something mit Fleisch, bitte. Danke dich!"
Sie nickte und zückte sofort ihr Handy.
„C'mon guys", ich wandte mich wieder Daniel und Julian zu, „last thing!"


Die fleißigen Helfer hatten hervorragende Arbeit geleistet. Alle neuen Möbelstücke standen aufgebaut und eingeräumt in den jeweiligen Zimmern, als das Essen geliefert wurde. Daniel und Julian hatten Emma sogar einen relativ neuen Couchtisch überlassen, weil wir diesen bei der Einkaufsaktion vergessen hatten. Einzig die Bilder, die sie bereits in der alten Wohnung an den Wänden hängen hatte, waren noch nicht aufgehängt worden.
Wir hatten uns mit dem Essen um die Eingangstür herum versammelt und saßen wahlweise auf der Treppe, dem Boden oder den neuen Esszimmerstühlen. Emmas Mutter Michaela hatte ein Nudel-, ein Salat- und ein Pizzablech bei ihrem Lieblingsitaliener bestellt, der auf Grund der riesigen Bestellung Pizzabrötchen mit Knoblauch- und Kräuterbutter kostenlos mitgegeben hatte. Ebenso wie Pappteller und Plastikgeschirr. Wie auch Emma hatte ich mich nach einigen Pizzabrötchen auf den gemischten Salat mit Hähnchenbrustfilet gestürzt. Dafür ernteten wir eindeutige Blicke der restlichen Familie.
„Jetzt esst ihr sogar schon das Gleiche. Mysteriös."
„Leni, lass das", meinte Emma und gabelte ein Stück Hähnchenbrustfilet zum Mund, „wir hatten erst gestern Abend Schnitzel, Currywurst und Pommes."
„Deswegen das gesunde Essen, verstehe", nuschelte Emmas Vater Anton mit vollem Mund.
„Man könnte aber auch meinen, dass ihr nur auf das gesunde Essen abfahrt, weil ihr für euch attraktiv bleiben wollt", kombinierte Daniel.
„Bror", ermahnte ihn Emma, „hör jetzt auf und iss deine Nudeln."
„Aber mal ehrlich", meinte Michaela und deutete mit ihrer Gabel auf Emma und mich, „da geht doch was, oder? Und wenn ihr 'ne Freundschaft mit Extras führt."
Wir sahen uns an und mussten unweigerlich lachen. Natürlich herrschte eine merkbare Spannung zwischen uns. Selbst als ich noch mit Vivianne zusammen war, gab es diese kribbeligen Momente, in denen uns jeder sofort als Paar identifiziert hätte. Und ich musste mir eingestehen, dass ich immer noch verliebt in diese rothaarige Irre war. Aber wir waren nicht mehr. Nicht mehr als Emma und Samu. Samu und Emma.
„Nope", sagten wir gleichzeitig und lachten erneut.
„Ihr schlaft doch miteinander", rief Leni laut, „das sieht jeder!"
„Nein", lachte ich, „ich kenne nicht ihre peinliche Tattoo."
„Ok, dann schlafen sie nicht miteinander", Daniel stocherte in seinen Nudeln, „denn sonst hätte Samu jetzt gelacht."
„Aber ihr wart doch zusammen in der Sauna, oder?", Leni schien verwirrt, „dann musst du es doch gesehen haben?"
„Ich war nicht nackt, meine Liebe", lächelte Emma gespielt arrogant.
„Wo ist es denn?", fragte ich in die Runde um endlich etwas über dieses mysteriöse Tattoo erfahren zu können.
„Darf ich sagen?"
„Nein, Schweinchen."
„Och Emma, komm schon. Wenn Samu dich irgendwann vor dem Sex auszieht, wird er es eh sehen."
„Marlen!", Emma bekam einen knallroten Kopf. Ich drehte mich ihr zu.
„Du hast eine tattoowierte Brust?"
Sie sah mich entgeistert an.
„Nein."
„Brust nicht, nee", lachte Leni und biss in die Pizza.
„Wenn ich mich richtig erinnere, dann hast du das Tattoo doch auch, Schatz?", fragte Julian nach und klopfte auf Daniels Oberschenkel.
„Danke, dass du Partei für mich ergreifst, Jules", Emma schmunzelte.
„Ich hab mich von ihr dazu überreden lassen. Das weißt du genau!", Daniel erhob seine Stimme.
„Falsch, Bror."
„Gar nicht! Du wolltest das unbedingt!"
„Das stimmt nicht! Du wolltest ein Geschwistertattoo."
„Will noch jemand was trinken?", fragte Anton genervt in die Runde um das Gespräch um Emmas Tattoo aufzulockern.
Alle schüttelten den Kopf.
„Gut, dann nicht."


Wir saßen noch einige Zeit vor Emmas Eingangstür, bis sich Michaela und auch Anton verabschiedeten und nur noch Julian, Daniel, Leni, Emma und ich übrig geblieben waren.
Ich unterhielt mich draußen angeregt mit Julian, der auf mich einen sehr angenehmen Eindruck machte. Er quetschte mich über das Musikgeschäft aus und versuchte, Emma immer wieder dazu in Bezug zu setzen. Universal, Notenlesen, Jazz. Als wollte er mich unbedingt mit ihr verkuppeln.
Daniel, Leni und Emma diskutierten immer noch über das Tattoomotiv. Irgendwann setzte Emma sich neben mich und hakte sich ein.
„Sorry?"
Ich nickte ihr zu.
„Willst du hier schlafen?", flüsterte sie.
„Warum du flüsterst?"
„Die denken eh schon, dass wir die ganze Zeit nur ru..."
Ich legte ihr einen Finger auf den Mund und schmunzelte.
„Stop being a controller. Lass sie reden."
Emma seufzte süß.
„Fahren wir dann gleich zusammen zum Hotel und holen deine Sachen?"
Ich schüttelte den Kopf.
„Ich habe hier noch to do something", ich hielt ihr meine Schlüsselkarte von dem Hotelzimmer entgegen.
„Was heißt das?"
„Dass du sollst fahren vor. Ich komme mit eine von die Verrückten."
Emma nickte und deutete auf den Schlüssel, der in der Tür steckte.


Ohne meine Absichten zu hinterfragen, hatte Emma mir ihren Wohnungsschlüssel da gelassen und war zum Hotel gefahren. Daniel, Julian und Leni hatte ich als Alibi hier behalten. Ich hatte Emma gesagt, ich würde sie alle zum Ausrichten der Schranktüren in Küche und Wohnzimmer brauchen.
Kaum war sie mit dem Auto um die Ecke gebogen, sprang ich auf, um im Wohnzimmer nach den Dekorationsartikeln zu suchen, die ich erstanden hatte. Die Drei wankten mir hinterher und beobachteten mein hektisches Durchwühlen vom Türrahmen aus. Die Stehlampe spendete Licht, allerdings nicht ausreichend.
„Suchst du was?", lachte Daniel.
„Wo ist die Tasche mit die decoration?", fragte ich kramend.
„Küche", meinte Leni trocken, „was sollen wir eigentlich hier?"
Ich antwortete nicht, schob mich stattdessen an den Dreien vorbei und griff gezielt nach der bunten Tüte, die auf dem Kühlschrank lag, um anschließend damit im Badezimmer zu verschwinden. Sie trotteten mir hinterher und schalteten wie selbstverständlich die Taschenlampen ihrer Handys ein.
Ich legte die Tüte auf den Toilettensitz und packte einzeln ein Muschelkörbchen, ein aus Holz gefertigtes weißes Schiff mit beigefarbenem Segel und eine Laterne aus. In die Laterne goss ich ein wenig Dekorationssand um anschließend eine große Muschel und drei Kleine darin zu platzieren. Ich reichte sie Leni und deutete auf den Fenstersims. Nachdem Julian einen Blick in die Tüte geworfen hatte, klopfte er mir wenige Sekunden später mit der flachen Seite eines Hammers auf die Schulter.
„Können wir dir irgendwie helfen?"
„Ich glaube nicht, nein."
„Wofür der Hammer?", fragte Daniel.
„Er hat noch 'n Fischernetz dabei", antwortete Julian und zeigte auf die Plastiktüte, „das wird wohl ein Urlaubsflair-Badezimmer."
„Und warum?", Daniel schien durcheinander.
„Weil er in deine Schwester verliebt ist, du Depp!", meinte Leni.
„Ich dachte, da geht nichts."
Ich sah Daniel mit hochgezogenen Augenbrauen an. Julian musterte ihn ebenso.
„Da kann auch nichts gehen, weil sie nicht weiß, dass Samu sie noch liebt", klärte Julian Daniel auf, „oder?"
Ich nickte.
Ich war verliebt in Emma.
Nach wie vor.
Trotz ihrer Macken.
Trotz ihrer Unentschlossenheit.
Bedingungslos.

Friendzoned?Where stories live. Discover now