Entspannung in den Sommerferien?

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Harry Potter lag mit geschlossenen Augen auf seinem zerbrechlich wirkenden Bett. Seine langen, schwarzen Wimpern berührten sanft die blasse Haut unter den Augen. Er sah friedlich aus. Ein leichtes Lächeln umspielte seine Mundwinkel und seine schmalen Arme umfingen ein altes Kissen. Es herrschte Ruhe im Ligusterweg Nummer 4 und das teure Auto der Familie Dursley stand nicht auf dem Hof. Vernon, Petunia und Dudley hatten Harry vom Bahnhof Kings Cross abgeholt, ihn samt Koffer und Eule vor ihrem klassischen Einfamilienhaus aus dem Auto geworfen und ihm verkündet, dass sie den Tag bei Tante Magda verbringen würden.

Harry, der sein Glück kaum fassen konnte, nutzte die ruhigen Stunden ohne seine Familie, um sich zu entspannen und mental auf die grausamen Ferien vorzubereiten, die vor ihm lagen. Sein Koffer stand an die Wand gelehnt und Hedwig saß in ihrem Käfig und klackerte ungeduldig mit ihrem Schnabel. Sie hatte, seit sie in den Zug gestiegen waren, nichts zu essen bekommen und begutachtete mit ihren schwarzen Knopfaugen eine Tüte Eulenleckereien auf Harrys demoliertem Schreibtisch.

Ein lautes Scheppern riss Harry aus seinen Träumen und er griff intuitiv zu seinem Zauberstab. Das Geräusch schien aus dem Esszimmer zu kommen. Ein Blick zur Uhr bestätigte ihm, dass die Dursleys noch nicht wieder hier sein konnten und er ging langsam zu seiner Zimmertür. Im Flur war es still. Harry wollte gerade zurückgehen und sich einreden, dass dieses Geräusch Einbildung war, als er ein leises Niesen hörte. Es gab keine Zweifel mehr, jemand hielt sich unerlaubt im Haus der Dursleys auf. Mit schnellen Schritten lief Harry die Treppe runter und stürzte mit erhobenem Zauberstab durch die Küche in das Esszimmer, bereit einen Fluch abzuschießen. Doch dort stand weder ein Einbrecher, noch eine andere Person, vor der man sich fürchten müsste. Dobby der Hauself grinste Harry schräg an und hielt sich entschuldigend ein Taschentuch vor die lange Nase. Auf dem Boden lag Petunias geblümte Vase, die sie für einen viel zu hohen Preis bei einer Auktion erstanden hat.

„Dobby, was machst du hier?", brachte Harry mühsam hervor. Der kleine Elf schien den Schreck in Harrys smaragdgrünen Augen nicht zu bemerken und quiekte vor Freude. „Harry Potter, Sir. Dobby ist so froh sie zu sehen. Dobby ist nun ein freier Elf und ihm ist sehr langweilig. Ja Sir, die vielen Tage und Nächte sind viel zu lang und Dobby weiß nicht, was er tun soll." Harry konnte sich sein Schmunzeln nicht verkneifen. Er hatte zuerst gedacht, dass Dobby mal wieder den Drang verspürte ihn warnen oder gar schützen zu müssen. Denn das war im letzten Jahr des Öfteren vorgekommen und hat eher ungemütlich geendet. Wobei, wenn der Schwarzhaarige es sich nun recht überlegte wird diese Situation auch ungemütlich enden, da er seine Tante ja schlecht erklären konnte, dass ein Hauself ihre Vase zerstört hatte und nicht er, Harry.

„Das tut mir leid, dass du dich langweilst. Du solltest deine neue Freiheit genießen." Dobby nickte eifrig „Ja Sir, Dobby möchte die Freiheit auch genießen aber Dobby hat den Harry Potter auch so vermisst." Harry grinste und fühlte eine angenehme Wärme um sein Herz. Er bot dem kleinen Hauselfen etwas zu trinken an und setze sich mit ihm an den Esstisch. Dobby berichtete, dass er in den letzten Tagen viel durch England gereist war, um eine neue Familie zu finden. Aus Angst vor den Malfoys nahm jedoch niemand Dobbys Angebot an und er wurde von vielen abgewiesen. Als er das erzählte, traten dem Kleinen Tränen in die tennisballgroßen Augen und Harry tätschelte ihm mitfühlend den Arm. Er schniefte in sein Taschentuch und berichtete weiter. Selbst bei Ollivander habe er nachgefragt, doch der alte Zauberstabmacher benötigte keine Unterstützung und arbeitete lieber alleine. „Nachdem Dobby in der Winkelgasse keine neue Familie finden konnte, ist er in die Nokturngasse gegangen. Harry Potter, da leben nur böse Zauberer und Hexen. Dobby wurde wie Abschaum behandelt, Sir. Und dann lief dort der junge Malfoy herum." Harry sah interessiert auf „Was ist mit Draco Malfoy, Dobby?". Der Hauself begann zu zittern, es scheint ihm immer noch schwer zu fallen über seine alte Familie zu sprechen. „Nun ja, Sir, er war alleine. Ohne Mr. Und Mrs. Malfoy. Dobby hat sich schnell versteckt. Der Junge sah nicht gut aus. Sehr müde und verletzt. Ein bisschen gehumpelt hat er." Harry speicherte das Gesagte ab und nahm sich vor später darüber nachzudenken. Es war bereits später Nachmittag und er sollte sich langsam mit dem Abendessen für die Dursleys beschäftigen, sonst kann er gleich wieder seine Sachen packen. Wobei das wahrscheinlich sogar die beste Lösung wäre. Er weiß, dass er in den Ferien zu seiner Onkel und seiner Tanze zurückkehren muss, um den Blutschutz seiner Mutter zu erneuern. Doch die zwei Monate waren jedes Mal eine Qual für den Gryffindor. „Dobby es tut mir leid, aber ich muss jetzt für meine Verwandten etwas kochen. Ich hoffe wirklich, dass du noch etwas findest. Du kannst mir auch gerne einen Brief schreiben. In Ordnung?". Dobby nickte erfreut und nahm sich von Harry noch eine Feder und etwas Pergament mit, da er selbst im Moment keins zur Verfügung hatte.

Harry stand bereits in der Küche und würzte die Hühnersuppe, die es an diesem Abend geben sollte, als er das bekannte Knirschen der Kieselsteine auf dem Hof hörte. Drei Autotüren wurden hart zugeschlagen und Dudley beklagte sich lauthals über seinen leeren Magen. Mit geübten Handgriffen deckte Harry den Tisch und schnitt ein frisches Brot an. Für eine Sekunde genoss er den Geruch des Brotes und schloss die Augen. Doch die kreischende Stimme von seiner Tante zerstörte die Ruhe und sie stürmte zu Harry in die Küche. Er verstand nicht genau was sie ihm sagen wollte, denn das Gekeife war für seine empfindlichen Ohren einige Oktaven zu hoch und er hielt sich schützend die Hände davor. Diese Geste schien Tante Petunia allerdings gar nicht zu gefallen und ihr knochiges Gesicht lief rot an. Sie gestikulierte wild mit ihren Armen und deutete schließlich auf die zertrümmerte Vase in dem Durchgang zum Esszimmer. Harry verstand und versuchte eine unschuldige und entschuldigende Miene aufzusetzen, doch das schien ihm nicht zu gelingen. Eine harte Faust traf ihn am Kinn und ihm wurde kurz schwarz vor Augen. Onkel Vernon stand nun neben seiner Frau und an seiner Stirn pulsierte eine Ader. Die Vase war ihm egal, das wusste Harry. Vernon Dursley wurde schnell wütend, wenn das Abendessen nicht ruhig verläuft und das wollte er auch zum Ausdruck bringen. Sich gegen seine geliebte Frau zu stellen wäre nicht die beste Idee des fleischigen Mannes gewesen und deswegen entschied er sich dazu Harry zu schlagen. Das gelang ihm eh viel besser, als sich mit jemandem zu streiten.

Nachdem Harry die Scherben beseitig hatte, schlich er sich hoch auf sein Zimmer. Ihm war klar, dass er von der Suppe nichts abbekam und griff nach einem seiner Schulbücher. Hedwig schrie empört auf und blickte immer noch vorwurfsvoll auf den Schreibtisch. Unten in der Küche war es für einen Augenblick still geworden und dann hörte Harry laute Schritte die Treppe hoch stürmen. Er wollte die Tür verriegeln, doch da wurde sie schon von einem wütenden Dudley aufgestoßen. „Dad sagt das Vieh soll den Mund halten, sonst fliegt es raus oder landet auf dem Grill!". Harry betrachtete seinen Cousin mit einem verachtenden Blick. „Mein Lieber Dudley, das Vieh ist eine Eule und sie heißt Hedwig. Und falls du in Bio mal wieder nicht aufgepasst haben solltest, Eulen haben keinen Mund, sondern einen Schna...", noch bevor er seinen Satz beenden konnte schlug Dudley seine fette Faust in Harrys leeren Magen. „Halt den Rand", rief er und schubste Hedwig, samt Käfig vom Regal, bevor er den Raum verließ. Der Schwarzhaarige war in die Knie gegangen und hielt beide Arme um seinen Bauch geschlungen. Seine Augen blickten kalt zu Boden und er erhob sich, stellte Hedwig wieder aufs Regal und murmelte ihr ein leises „Tut mir leid", zu. Diese schien den Sturz schon vergessen haben und starrte auf die kleine Tüte auf dem Schreibtisch. Harry folgte dem Blick und füllte ihren Napf mit Eulenkeksen.

Erschöpft ließ er sich wieder auf sein Bett fallen und sehnte sich nach dem Ende der Ferien. Wenigstens war er nicht der Einzige, der die Ferien nicht genießen konnte. Seinem Erzfeind Draco Malfoy schien es auch nicht besonders gut zu gehen. Bei solchen Eltern ist das aber auch kein Wunder. Doch was hatte er alleine in der Nokturngasse zu suchen? Am ersten Tag der Ferien ist das doch recht verwunderlich.

Harry dachte noch eine Weile über den blonden Jungen nach, bevor er in einen unruhigen Schlaf fiel.



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