Beobachtungen

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Hier folgt auch das zweite Kapitel. Ich hoffe es gefällt Euch und freue mich über Kommentare :)!             


Ein angenehm kühler Wind zog durch das leicht geöffnete Fenster und ließ den schlafenden Jungen aufseufzen. Unter seinen durchwuschelten, schwarzen Haaren waren kleine Schweißperlen zu sehen und das dunkle T-Shirt wirkte zerknittert und durchnässt. Der Wind ließ nach und Harry schreckte hoch. Er hatte nicht besonders gut geschlafen. Der Sommer war nun deutlich zu spüren und dank seiner Verwandten konnte er sein Fenster nicht ganz öffnen und war der stickigen Luft in seinem Zimmer ausgeliefert.

Er warf einen Blick auf den reparierten Wecker und ließ sich stöhnend wieder in das Kissen fallen. Es war gerade mal halb sechs und es würde reichen, wenn er zwei Stunden später mit dem Frühstück beginnen würde. In den Ferien nahmen auch Tante Petunia und Onkel Vernon sich frei, damit sie Zeit mit ihrem kleinen Dudders verbringen konnten. Dass Dudley mittlerweile so groß und breit wie sein Vater war und keineswegs Lust hatte, Zeit mit seinen Eltern zu verbringen, schien ihnen nicht aufzufallen. Petunia war schon immer eine Frühaufsteherin gewesen, doch vor halb acht würde selbst sie sich nicht im Esszimmer blicken lassen. Vernon und Dudley würde wahrscheinlich auch länger schlafen, wenn der Hunger sie nicht zum Aufstehen zwingen würde.

Harry rieb sich den Schlaf aus den Augen und strich sich vorsichtig über den geschwollenen Kiefer. Onkel Vernon mochte noch so ungeschickt sein, der Schlag saß und das Ergebnis würde man die nächsten Tage noch sehen können. Es hatte keinen Sinn weiterhin im Bett zu liegen. Harry würde dennoch nicht einschlafen können und so entschloss er sich duschen zu gehen. Er schnappte sich ein frisches Shirt und seine einzige Hose, die nicht vorher Dudley gehörte und schlich in das geräumige Badezimmer der Familie Dursley. Das kalte Nass auf seiner Haut fühlte sich unglaublich gut an und Harry begann sich zu entspannen. Seine Gedanken schweiften zu seinen besten Freunden in Hogwarts, Ron Weasley und Hermine Granger. Er hatte Ron die Telefonnummer der Dursleys gegeben, da Mr. Weasley auch eins für die Zaubererfamilie besorgt hatte. Doch er hoffte inständig, dass sein tollpatschiger Freund auch wirklich wusste wie so ein Gerät funktionierte und seine Verwandten nicht zu Tode erschrecken würde. Auch wenn das natürlich ein lustiges Bild abgeben würde, danach bliebe eine Bestrafung für Harry nicht aus und das war ihm schmerzhaft bewusst. Die Sonne war nun hinter den vielen Häusern im Ligusterweg zu sehen und Harry beeilte sich, um das Badezimmer nicht zu blockieren, falls Petunia doch früher wach werden sollte. Er schlüpfte in seine schwarze Hose und zog das grüne Shirt über die noch nassen Haare. Für einen kurzen Moment betrachtete er sich im Spiegel. Seine smaragdgrünen Augen leuchteten ihm entgegen und die blaue Verfärbung am Kinn war deutlich zu erkennen. Es lag mehr in seinen Augen, als das Leuchten offenbarte. War es Schmerz?

Harry versuchte ein träges Lächeln und wandte sich ab. Mit schnellen Schritten war er wieder in seinem Zimmer und schloss die Tür. Es war noch immer genügen Zeit, um einige Aufgaben für die Schule zu erledigen. So machte er sich an einen Aufsatz über den Unterschied von einfachen Verwandlungen und dem Animagus Zauber für Professor McGonnagal.

„Animagus müsste man sein", murmelte er, während er die letzten Zeilen formulierte. Harry hatte in seinen Schulbüchern einige interessante Dinge zu dem Thema gefunden und war enttäuscht als er las, wie kompliziert es war den Zauber durchzuführen.

Die nächsten Tage vergingen und Harry hatte selten Zeit, um an sich, die Schule oder seine Freunde zu denken. Seine Verwandten halsten ihm sämtliche Haus- und Gartenarbeiten auf, die noch zu erledigen waren und nahmen keine Rücksicht darauf, dass Harry durchaus auch mal Nahrung zu sich nehmen sollte.

Er arbeitete von früh bis spät und sorgte zwischen den Aufgaben noch für die Verpflegung seiner Verwandten. Er wartete auf Briefe von Ron und Hermine, damit er ihnen antworten konnte, dass sie ihn so schnell wie möglich holen sollten, doch es kamen keine. Onkel Vernon beließ es nicht bei dem einen Schlag am ersten Tag nach den Ferien und Harry musste nach einer Woche mit einigen Verletzungen leben. Er wurde von Tag zu Tag erschöpfter und kämpfte sich morgens mit viel Mühe aus seinem Bett. Das Leuchten seiner Augen war verblasst und sie schauten nur noch leer und traurig aus den Höhlen, umgeben von dunklen Augenringen und hängenden Lidern. Er versuchte sich selbst Mut zu machen. Redete sich ein, dass seine Freunde ihm bald schreiben würden und dann helfen. Ihn hier raus holen. Mr. und Mrs. Weasley würden ihn hier nicht alleine lassen.

...Oder?

Die Sonne brannte auf Harrys empfindlicher Haut. Er kniete im Blumenbeet und versuchte das Unkraut so gründlich zu entfernen, dass sich auch Tante Petunia damit zufrieden gab. Und das war schwieriger als Gedacht. Mit ihren herausstehenden Augen und ihrem langen Hals erkannte sie jedes vergessene Kleeblatt. Harrys Shirt war verschwitzt und beschmiert, seine Arme waren mit neuen oder alten blauen Flecken übersäht und seine schwarzen Haare klebten auf der Stirn. Es war etwas anderes, das ihn beunruhigte. Ein leichtes prickeln im Nacken gab ihm das Gefühl beobachtet zu werden, doch wenn er sich umdrehte und seinen Blick zur Straße richtete, war dort Niemand zu sehen. Der Gryffindor konnte sich immer auf seine Sinne verlassen und sah zu, dass er die Aufgaben erledigte und schnell wieder in das Haus kam. Mit seinem Zauberstab in der Hand zog er die letzten Grashalme aus der trockenen Erde und entsorgte das Unkraut. „Wenn du es wagst mit deinen dreckigen Sachen in mein sauberes Haus zu kommen, dann kannst du was erleben!", keifte Tante Petunia und schlug Harry die Verandatür vor der Nase zu. Er begann seine Schuhe und Socken auszuziehen und klopfte sie ordnungsgemäß über dem Gras ab. Petunia beobachtete ihn mit kritischem Blick und öffnete die Tür erneut. Im Wohnzimmer herrschte eine ohrenbetäubende Lautstärke und Harrys Augenlied begann zu zucken. Dudley und seine Freunde saßen, mit jeweils einer großen Schale Eiscreme in der Hand, auf dem Sofa und spielten eins der neuen Videospiele, in dem man so viele Menschen wie möglich umbringen musste. Petunia war schon wieder in der Küche verschwunden und Harry stahl sich in Richtung Treppe, damit Dudleys Freunde nicht auf andere Ideen kamen. Dort kam ihm allerdings Onkel Vernon entgegen, der ihn mit wütendem Blick musterte „Wo willst du hin, Bursche?", schimpfte er durch seinen Bart. Harry deutete mit seiner schmalen Hand nach oben. Es war immer besser vor seinen Verwandten nicht allzu viel zu sagen. Sie reagierten zu schnell über, verstanden Dinge falsch oder schlugen gleich zu. „Du hast oben nichts zu suchen, also geh was Anständiges kochen!" Harry seufzte und hielt seine dreckigen Hände hoch. „Darf ich mich wenigstens noch waschen und umziehen, bevor ich euch mal wieder bediene?" Vernon Dursley griff nach Harrys Arm und drückte mit gesamter Kraft zu. „Du kannst froh sein, dass hier überhaupt leben darfst! Sei nicht so dreist und hab Respekt vor uns. Dass du für uns kochst, ist ja wohl das Mindeste, das wir verdienen!", mit dieses Worten stieß er Harry von sich und marschierte durch den Flur in das Wohnzimmer.

Der Schwarzhaarige verlor das Gleichgewicht und schlug hart mit dem Kopf auf die Stufen. Stöhnend rappelte er sich auf und verschwand für kurze Zeit im Bad, um zehn Minuten später am Herd zu stehen und Fleisch zu braten. Sein Magen knurrte demonstrativ und er wusste, dass er heute etwas essen musste, wenn er nicht bald einfach zusammenbrechen wollte. Das Fleisch war fast fertig, die Kartoffeln kochten und das Gemüse stand schon servierbreit neben dem Herd. Harry fuhr sich mit zwei Fingern über die Beule am Hinterkopf und sah gedankenverloren aus dem Fenster. Die Sonne begann sich langsam dem Horizont zuzuwenden und der eben noch strahlend blaue Himmel färbte sich in hellen rosa und lila Tönen. Harry wollte sich gerade abwenden, als ihm zwei dunkel gekleidete Personen auffielen. Sie huschten über die Straße, bedacht dabei nicht aufzufallen und verschwanden genauso schnell, wie sie erschienen waren. Er reckte den Hals, um noch einmal einen Blick auf sie zu erhaschen, doch ein Zischen ließ ihn zurück zum Herd springen. Das Fleisch war durch und der Tisch musste gedeckt werden. Er rief seine Familie zum Essen, schnappte sich ein Brötchen und etwa Käse und machte, dass er schnell nach oben kam.

Harry fühlte sich besser, seit er wieder etwas im Magen hatte. Er war es aus seiner Kindheit gewohnt, manchmal auch hungern zu müssen. Verbunden mit der vielen Arbeit war es allerdings noch mal eine andere Sache. Ein schmaler Kalender über Harrys Bett zeigten ihm, dass er schon fast zwei Wochen bei den Dursleys war. Ein Stich in der Magengegend erinnerte ihn daran, dass er bisher keinen Brief oder wenigstens eine kleine Nachricht von seinen Freunden erhalten hatte. „Ron, Hermine, was macht ihr bloß?", murmelte er, als er einen weiteren Tag durchstrich und sich unter der löchrigen Decke zusammenrollte.




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