39.Kapitel

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"Hast du in der Schule gelernt, wann der 1.Weltkrieg endete?"

Ich hatte nicht beabsichtigt, dass meine Frage sie so verunsichern würde. Doch Charlotte sank peinlich berührt in ihrem Sessel zusammen und warf mir einen Schuldbewussten Blick zu. Sie nickte und fügte hinzu: "ich habe aber vergessen, wann das war."

"Ich kann mich an diesen Tag genauso gut erinnern, wie den Tag meiner Hochzeit oder den Tag an dem ich George kennen gelernt hatte..." Ich warf Charlotte einen frechen Blick zu.

"Nun erzähl schon" rief Charlotte aufgeregt.
"Im Herbst 1918 erreichte uns die Nachricht, dass die Deutsche Kriegswirtschaft bald zusammen brechen würde.
Jeden Tag standen neue Schlagzeilen auf den Titelseiten der Zeitungen, die verkündeten wie schwach die Deutsche Wirtschaft war. Zuerst glaubten George und ich diesen Neuigkeiten nicht. Denn wir hielten es nur für einen neuen Trick um die Bevölkerung bei Laune zu halten.

Doch irgendwann wurde uns klar, dass die Nachrichten stimmten. Kurz darauf scheiterte die letzte Deutsche Offensive. Als wir davon hörten wuchs unsere Hoffnung immer weiter. Jeden Tag wurden wir glücklicher.

Wir konnten sehen, dass nicht nur wir Hoffnungen hatten. Auch die Menschen auf den Straßen trugen ihre Köpfe höher und ein Lächeln stahl sich ab und zu auf ihre Müden Gesicheter.

***

Eines Morgens war ich auf dem Weg zu meinem Schneider. Ich ging zu Fuß, denn Robert war mit dem Automobil nach Highclere gefahren um nach dem Rechten zu sehen.

Es war noch sehr früh am Morgen, die Straßen waren feucht vom Tau und es war noch sehr kühl. Auf den Gehsteigen lagen welke Blätter und dicke Regenwolken verhängten den Himmel. Der Regen prasselte auf meinen ungeschützten Kopf, denn ich hatte nicht daran gedacht einen Hut oder einen Schirm mitzunehmen.

Plötzlich wurde ich auf einen jungen Zeitungsverkäufer aufmerksam. Er war wahrscheinlich kaum älter als ich. Mit einem Karren voller Zeitungen stand er mitten auf der verlassenen Straße. "Extra Blatt" rief er mir zu und ich trat neugierig näher um mir die Schlagzeile durchzulesen.

Revolutionäre zwingen Kaiser Wilhelm den II. zur Abdankung, Hindenburg fordert sofortige Waffenstillstandsverhandlungen!

"My Lady" sagte der junge Mann, der mit einem sehr starken Akzent sprach "sie sind eine der ersten, die es heute Morgen erfahren..."

Ich blickte dem jungen Mann ins Gesicht. Er war hübsch. Mit langen blonden Haaren, blauen Augen und markanten Gesichtszügen. Ich fragte mich, warum er nicht an der Front war, doch dann fiel mein Blick auf seine Rechte Hand, von der nicht mehr als ein unförmiger Stumpf übrig war.

"Das sind die besten Neuigkeiten, die ich seit langem gehört habe" sagte ich breit lächelnd. "Das stimmt" murmelte er und sein Akzent war dieses mal noch stärker zu hören.

"Sind sie Deutscher" fragte ich, denn ich konnte meine Neugier nicht länger zurück halten. Er nickte und sah aus, als wäre er es gewohnt wegen seiner Herkunft abgewiesen zu werden. "Aber ich habe Deutschland schon lange den Rücken zu gekehrt..." Fügte er hastig hinzu...

Mir war diese Situation etwas peinlich, dann kaufte ich eine Zeitung. "Ich wünsche ihnen viel Glück" sagte ich, als ich mich von ihm abwandte, umso schnell wie möglich nach Hause zurück zu kehren...


Lady Bentley von Highclere Castle Teil IIWhere stories live. Discover now